Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren Fibromyalgie

Schmerzstörungen, Fibromyalgie

Zu den chronischen Schmerzstörungen gehören z.B. …

  • Anhaltende Somatoforme Schmerzstörung (F45.40)
  • Chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41)
  • Fibromyalgie (M79.7)

Akuter Schmerz hat als Warnsignal für Verletzungen eine wichtige Informations- und Schutzfunktion. Bei chronischen Schmerzen bestehen sehr viel komplexere Zusammenhänge als bei akuten Schmerzen. Man weiß heute, dass Schmerzreize nicht nur im Sinne einer Einbahnstraße vom Körper ins Gehirn geleitet werden, sondern weitgehend durch Prozesse im Gehirn beeinflusst werden. Schmerzen können auch zentral ohne äußere Auslöser durch Prozesse im Gehirn bei seelischen Vorgängen entstehen. Ob ein Schmerz in seiner Intensität gedämpft wird oder verstärkt oder ob er sogar zentral entsteht hängt z.B. auch ab von psychischen Aspekten wie Depressivität, Angst oder Stress. Man spricht in diesem Zusammenhang auch von „Stressinduzierter Hyperalgesie“, also von einem stressbedingt erhöhten Schmerzempfinden.

Somatoforme Schmerzen, d.h. psychisch begründete oder psychisch zumindest wesentlich mitbegründete Schmerzen werden von den Betroffenen so wahrgenommen, als seien sie durch äußerliche organische körperliche Schäden begründet. Dass bei medizinischen Untersuchungen trotzdem keine organischen Gründe für die Beschwerden gefunden werden, ist für die Betroffenen oft enttäuschend, verursacht nicht selten auch Ärger und das Gefühl, nicht ernst genommen zu werden. Immerhin sind schwere Schmerzen im Kontrast zu den fehlenden körperlichen Befunden ja vorhanden. Sie sind auch nicht anzuzweifeln, sondern als Realität zu akzeptieren, weil inzwischen bekannt ist, dass das Schmerzempfinden zu einem großen Teil weitgehend unabhängig von äußerlichen organischen körperlichen Zuständen ist.

Wir begegnen dieser Konstellation durch eine enge Verbindung der körperlichen und psychischen Untersuchung und Behandlung und ermöglichen so, den oft verloren gegangenen Kontakt zwischen körperlichem und seelischem Erleben wiederherzustellen. So können Ansätze gefunden werden, die Schmerzen zu bewältigen und schließlich zu überwinden.

In der auf die individuellen Erfordernisse des Patienten abgestimmten Einzeltherapie werden je nach Bedarf und phasenhaft aufeinander abgestimmt psychodynamische, verhaltensorientierte, achtsamkeitsbasierte und störungsspezifische Methoden genutzt.

In einer störungsspezifischen Psychotherapiegruppe kann man die wichtige Erfahrung machen, sich mit Menschen mit ähnlichen Beschwerden auszutauschen und mit den eigenen Problemen nicht allein zu sein, sondern verstanden zu werden.

In der Einzel- und Gruppentherapie kommt die Methode des Somatischen Narrativs (s.u.) zum Tragen, welche es ermöglicht, verloren gegangene Verbindungen zwischen körperlichem und seelischem Erleben wieder zu entdecken, die Ursprünge der Entwicklung des Schmerzerlebens zu erforschen und einen Prozess in Gang zu setzen, der eine Bewältigung ermöglicht.

Schmerzen werden subjektiv in der Regel als bedrohlich erlebt und veranlassen daher nachvollziehbar zu Schonverhalten, dass den Trainingszustand mittel- und langfristig weiter verschlechtert. Hierdurch wird ebenfalls im Sinne eines Teufelskreises der Schmerzzustand stetig weiter verschlechtert. Um diesen Prozess zu überwinden, ist Sport- und Bewegungspsychotherapie hilfreich. Dabei können körperpsychische Zusammenhänge wahrnehmbar und verstehbar werden. Entspannungstraining, Bewegungstherapie und Physiotherapie haben auch eine schmerzlindernde Wirkung.

Ein Ziel der Behandlung ist auch die achtsame Wahrnehmung der eigenen Belastungsgrenzen, um nach der Behandlung Überforderung vermeiden zu können. Der Entwicklung einer Somatoformen Schmerzstörung geht oft jahrelange Verausgabung und Überforderung voraus.

journal article

Das Fibromyalgiesyndrom als psychosomatische Erkrankung — Empfehlungen aktueller evidenzbasierter Leitlinien zu Diagnostik und Therapie

Winfried Häuser, Markus Burgmer, Volker Köllner, Rainer Schaefert, Wolfgang Eich, Constanze Hausteiner-Wiehle and Peter Henningsen

Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Vol. 59, No. 2 (2013)

, pp. 132-152 (21 pages)

Published By: Vandenhoeck & Ruprecht (GmbH & Co. KG)

//www.jstor.org/stable/23871455

Abstract

Objectives: The classification and therapy of patients with chronic widespread pain without evidence of somatic factors as an explanation is currently a matter of debate. The diagnostic label "fibromyalgia syndrome" (FMS) has been rejected by some representatives of general and psychosomatic medicine. Methods: A summary is given of the main recommendations from current evidence-based guidelines on FMS and nonspecific/functional/somatoform bodily complaints. Results: The criteria of FMS and of persistent somatoform pain disorder or chronic pain disorder with somatic and psychological factors partly overlap. They include differential clinical characteristics of persons with chronic widespread pain but without sufficiently explaining somatic factors. Not all patients diagnosed with FMS meet the criteria of a persistent somatoform pain disorder. FMS is a functional disorder, in which in most patients psychosocial factors play an important role in both the etiology and course of illness. FMS can be diagnosed by looking at the history of a typical symptom cluster and excluding somatic differential diagnoses (without a tender point examination) using the modified 2010 diagnostic criteria of the American College of Rheumatology. Various levels of severity of FMS can be distinguished from a psychosomatic point of view, ranging from slight (single functional syndrome) to severe (meeting the criteria of multiple functional syndromes) forms of chronic pain disorder with somatic and psychological factors, of persistent somatoform pain disorder or of a somatization disorder. The diagnosis of FMS as a functional syndrome/stress-associated disorder should be explicitly communicated to the patient. A therapy within collaborative care adapted to the severity should be provided. For long-term management, nonpharmacological therapies such as aerobic exercise are recommended. In more severe cases, psychotherapy of comorbid mental disorders should be conducted. Conclusions: The coordinated recommendations of both guidelines can synthesize general medical, somatic, and psychosocial perspectives, and can promote graduated care of patients diagnosed with FMS. Fragestellung: Die Klassifikation und Therapie von Patienten mit chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen ohne hinreichend erklärenden somatischen Krankheitsfaktor ist umstritten. Das diagnostische Etikett „Fibromyalgiesyndrom" (FMS) wird von einigen Vertretern psychosozialer Fächer und der Allgemeinmedizin abgelehnt. Methode: Zusammenfassung der wichtigsten Empfehlungen der aktuellen S3-Leitlinien zum FMS und zu nicht-spezifischen/funktionellen/somatoformen Körperbeschwerden. Ergebnisse: Das FMS ist eine funktionelle Störung, bei der psychosoziale Faktoren in Entstehung und Verlauf bei der Mehrheit der Patienten eine wesentliche Rolle spielen. Die Diagnose eines FMS kann anhand des typischen Beschwerdebildes und durch Ausschluss somatischer Differenzialdiagnosen ohne Tender Point Untersuchung anhand der 2010 modifizierten diagnostischen Kriterien des American College of Rheumatology gestellt werden. Aus psychosomatischer Sicht sollte eine Einordnung nach Schweregrad vorgenommen werden, auf einem Spektrum vom leichter verlaufenden singulären funktionellen Syndrom hin zu schwereren Verläufen, die die Kriterien mehrerer funktioneller somatischer Syndrome, einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren, einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung oder einer Somatisierungsstörung im engeren Sinne erfüllen. Die Diagnose „FMS" im Sinne einer funktionellen beziehungsweise stressassoziierten Störung soll dem Patienten mitgeteilt werden. Die Therapie soll einem schweregradgestuften und kooperativen Versorgungsmodell folgen. Für die Langzeittherapie des FMS werden nicht-medikamentöse Selbstmanagementstrategien wie regelmäßige körperliche Bewegung empfohlen. Bei schweren Verlaufsformen soll eine fachpsychotherapeutische Behandlung komorbider seelischer Störungen erfolgen. Schlussfolgerungen: Die aufeinander abgestimmten Empfehlungen beider Leitlinien vereinigen die Perspektiven von Allgemeinmedizin, somatischen Disziplinen und psychosozialen Fächern und können eine gestufte, kooperative Versorgung von Patienten mit der Diagnose FMS fördern.

Journal Information

Die Zeitschrift vermittelt einen systematischen Überblick über das Gesamtgebiet der psychosomatischen Medizin. Sie ist das Organ der Deutschen Gesellschaft für Psychosomatische Medizin und ärztliche Psychotherapie e.V. (DGPM).

Publisher Information

Vandenhoeck & Ruprecht ist ein Wissenschaftsverlag mit 275-jähriger Publikationserfahrung. Wir bieten ein breites Programm aus wissenschaftlicher Fachliteratur sowie Veröffentlichungen für den Schulunterricht und die berufliche Praxis. Für die besonderen Anforderungen hoch spezialisierter wissenschaftlicher Arbeiten steht Ihnen unser Tochterverlag V&R unipress zur Verfügung.Vandenhoeck & Ruprecht has been an academic publishing house since 1735. V&R offers a not only a wide range of scholarly works in various academic disciplines but also specialised publications on teaching instructions and on the professional practice. Our affiliated company V&R unipress concentrates on the high demands for specialised scientific publications and will be pleased to be at your disposal.

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Zeitschrift für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie © 2013 Vandenhoeck & Ruprecht (GmbH & Co. KG)
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Was ist eine chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren?

Die somatischen Beschwerden sind häufig durch orthopädische Symptome verursacht. Bei den psychischen Faktoren sind zahlreiche psychische Krankheitsbilder einschließlich der Suchterkrankungen Ursache für die Entstehung der chronischen Schmerzen.

Ist somatoforme Schmerzstörung und Fibromyalgie das gleiche?

Oft werden die Krankheitsbilder Fibromyalgie und somatoforme Schmerzstörung gleichgesetzt, da beide sehr ähnliche Symptome aufweisen und die Ursachen jeweils unklar sind. Fibromyalgie beschreibt ein chronisches Schmerzsyndrom, das Muskeln, Sehnen und Bänder betrifft und keine Entzündungszeichen aufweist.

Ist Fibromyalgie eine psychische Erkrankung?

Nach aktuellem Wissen entsteht eine Fibromyalgie durch körperliche, psychische und biologische Faktoren, die sich gegenseitig beeinflussen. Die Erkrankung lässt sich also nicht auf einzelne biologische oder psychische Faktoren zurückführen.

Ist Fibromyalgie eine chronische Schmerzstörung?

Eine spezielle Form einer chronischen Schmerzstörung ist das sogenannte Fibromyalgie-Syndrom. Die Betroffenen leiden an tiefen Muskelschmerzen in verschiedenen Körperregionen. Die Ursachen der Krankheit sind weitgehend unbekannt. Eventuell spielen eine gestörte Schmerzverarbeitung und genetische Ursachen eine Rolle.

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