Darf ein arzt die behandlung verweigern

Ein Stethoskop liegt in der Praxis eines Hausarztes. Foto: dpa/Stephan Jansen

Dürfen Ärzte in Krankenhäusern oder niedergelassene Mediziner in Praxen Ungeimpften eine Behandlung verweigern? Die Frage dürfte viele – ungeimpfte – Patienten umtreiben. Wir haben darauf eine eindeutige Antwort.

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In Medien ist in den vergangenen Wochen immer wieder über Arztpraxen in Deutschland berichtet worden, die nur noch genesene, geimpfte oder getestete Patienten behandeln wollen – also strikt die geltende 3G-Regel anwenden. Ist das überhaupt erlaubt?

Ausnahmen nur in begründeten Fällen

Wegen der Corona-Pandemie haben zahlreiche Arztpraxen ihre Sicherheitsvorkehrungen verschärft, doch Einschränkungen, welche Patienten behandelt werden dürfen und welche nicht, gibt es – zumindest von offizieller Seite der Ärzteverbände – nicht.

Nach Aussage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) darf die Behandlung Ungeimpfter nicht abgelehnt werden – sofern ausreichend Schutzausrüstung zur Verfügung steht. Und vorausgesetzt, dass kein unzumutbares Risiko für Ärzte, Angestellte und andere Patienten besteht.

Der sogenannte Bundesmantelvertrag für Kassenärzte sieht wenige Ausnahmen vor. Nur in begründeten Fällen darf ein Kassenarzt die Behandlung eines Patienten ablehnen – beispielsweise, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nachhaltig gestört ist oder der Patient die Herausgabe seiner Versichertenkarte verweigert.

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Bestimmte Sprechzeiten für Ungeimpfte sind rechtens

Allerdings haben laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung Arztpraxen das Recht, Ungeimpfte und Ungetestete nur zu bestimmten Sprechzeiten zu behandeln. Es bleibt bei allen Einschränkungen aber dabei: Die Verweigerung der Behandlung ist mit geltendem deutschem Recht nicht vereinbar.

Konkret bedeutet dies: Bei Erkältungssymptomen müssen sich die Patienten auf eine gesonderte Behandlung einstellen, um andere Patienten nicht zu gefährden. Um die Gesundheit der Angestellten und des behandelnden Arztes zu schützen, genügt das Einhalten arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften, etwa das Tragen von Schutzausrüstung.

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Unterlassene Hilfeleistung ist strafbar

Bei Nichtbehandlung eines Patienten können Ärzte wegen unterlassener Hilfeleistung verklagt werden. Kassenärzte haben eine Behandlungspflicht, von der sie nur in Ausnahmefällen abweichen dürfen.

Das gilt auch für Krankenhäuser: Der Impfstatus von Patienten hat keinerlei Einfluss auf Therapie- und Behandlungsentscheidung, wie etwa das Städtische Klinikum Karlsruhe klarstellt. „Das Klinikum hat eine umfassende Behandlungspflicht gegenüber allen Patientinnen und Patienten, die es in jedem Fall und unabhängig vom individuellen Impfstatus der behandlungsbedürftigen Personen grundsätzlich uneingeschränkt wahrnimmt“, heißt es auf der Homepage des Krankenhauses.

Der Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient ist – unabh�ngig davon, ob der Patient gesetzlich oder privat krankenversichert ist – privatrechtlicher Natur. Wie bei jedem anderen Vertrag gelten die Vertragsautonomie und die Abschlussfreiheit. F�r den Arzt bedeutet dies ein hohes Ma� an Verantwortung.

Das gegenseitige Vertrauen ist wichtiger Bestandteil des Vertragsverh�ltnisses zwischen Patienten und �rzten. Foto: picture alliance

Die �rztliche Behandlung basiert wie kaum ein anderes Vertragsverh�ltnis auf gegenseitigem Vertrauen und bringt f�r den behandelnden Arzt viele Pflichten sowie ein hohes Ma� an Verantwortung mit sich. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob und gegebenenfalls wann ein Arzt berechtigt ist, die Behandlung eines Patienten abzulehnen.

Der Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient ist – unabh�ngig davon, ob der Patient gesetzlich oder privat krankenversichert ist – privatrechtlicher Natur. Er ist als besonderer Dienstvertrag in � 630 a BGB geregelt und sein Zustandekommen folgt den allgemeinen zivilrechtlichen Regeln f�r Vertragsschl�sse. Wie bei jedem anderen Vertrag gelten grunds�tzlich die Vertragsautonomie und die Abschlussfreiheit. Das bedeutet, dass ein Patient sich seinen Arzt frei aussuchen kann. Auch f�r einen Kassenpatienten ist dieses Recht durch � 76 Abs. 3 Satz 1 SGB V nur teilweise eingeschr�nkt. Dieser Beitrag soll einen �berblick zu der Fragestellung bieten, ob einem Arzt spiegelbildlich dieselbe Wahlfreiheit zusteht.

  • Notfallbehandlung

�rzte sehen sich im Rahmen ihrer Berufsaus�bung mit Situationen konfrontiert, in denen sie die Abweisung eines Notfallpatienten in Betracht ziehen m�ssen, beispielsweise bei einem hohen Andrang von Notf�llen und daraus folgenden �berlastung des niedergelassenen Arztes. Ein medizinischer Notfall liegt vor, wenn bei Patienten gesundheitliche Sch�den zu bef�rchten sind, sofern sie nicht unverz�glich medizinische Hilfe erhalten. In einer solchen Situation trifft einen Arzt zun�chst einmal, wie jeden anderen Menschen auch, die allgemeine Pflicht zur Hilfeleistung aus � 323 c StGB. Der Straftatbestand stellt keine exklusive Pflicht f�r �rzte auf, der Umfang der Hilfema�nahmen richtet sich jedoch nach den individuellen F�higkeiten und Kenntnissen. Daher wird einem Arzt mit Sonderwissen oder �rztlichen Instrumenten in der Regel ein h�heres Ma� an Hilfe zumutbar sein als einem Laien. Auch aus � 7 Abs. 2 Satz 2 MBO-� wird ersichtlich, dass �rzte in einem Notfall zur Behandlung verpflichtet sind. Der Arzt muss jedoch nur die unaufschiebbaren Ma�nahmen ergreifen. Zu einer dar�ber hinausgehenden medizinischen Versorgung ist er nicht verpflichtet.

  • Notfalldienst

Niedergelassene �rzte (auch reine Privat�rzte) sind zudem verpflichtet, am sogenannten Bereitschaftsdienst teilzunehmen, vgl. � 26 MBO-�. Er ist Teil der ambulanten Versorgung und soll diese auch au�erhalb der gew�hnlichen Sprechzeiten sichern. In seinem Rahmen sollen bei akuten gesundheitlichen Beschwerden Sofortma�nahmen erbracht werden. Es wird �ffentlich bekannt gegeben, welcher Arzt Notfalldienst hat und die Erreichbarkeit anderer �rzte ist au�erhalb der Sprechzeiten stark eingeschr�nkt. Deshalb gelten f�r den diensthabenden Arzt strengere Pflichten. Er muss jedem Notruf gewissenhaft nachgehen und darf sich hierbei nicht auf Ferndiagnosen verlassen. Nur wenn f�r eine Behandlung offensichtlich keine Indikation besteht oder sie missbr�uchlich gefordert wird, darf der Arzt im Bereitschaftsdienst die Behandlung verweigern.

  • Vertragsarzt

Auch au�erhalb einer Notsituation sehen sich �rzte mit Patienten konfrontiert, deren Behandlung sie aus unterschiedlichen Gr�nden nicht �bernehmen m�chten. F�r den Vertragsarzt gelten in einem solchen Fall strengere Regeln als f�r den rein privat�rztlich t�tigen Kollegen. Infolge seiner vertrags�rztlichen Zulassung ist er grunds�tzlich verpflichtet, Kassenpatienten zu behandeln. Er ist, bezogen auf den konkreten Patienten, jedoch in bestimmten Situationen berechtigt, die Behandlung abzulehnen. Beispielsweise wenn ein vollj�hriger Kassenpatient seine elektronische Gesundheitskarte nicht vorlegt (� 13 Abs. 7 Satz 1 BMV-�). Dar�ber hinaus kann er die Behandlung von Kassenpatienten nur in begr�ndeten F�llen ablehnen (� 13 Abs. 7 Satz 2 BMV-�). Ein solcher Grund kann in einem fehlenden Vertrauensverh�ltnis, fehlenden fachlichen F�higkeiten oder dem ungeb�hrlichen Verhalten eines Patienten liegen. Auch im Falle medizinisch nicht indizierter Ma�nahmen – vor allem bei Sch�nheitseingriffen – besteht kein Kontrahierungszwang, was daraus folgt, dass die Pflicht zur Behandlung der Gesundheit des Patienten dient und Sch�nheitseingriffe zum Erhalt der Gesundheit regelhaft nicht erforderlich sind. Besonders zu beachten ist, dass ein wichtiger Grund nicht in der alleinigen �berschreitung von Budget- oder Fallzahlobergrenzen liegt. Erst wenn aufgrund nicht vorhandener Sachmittel oder eines �berma�es an Patienten eine Behandlung nach dem gebotenen Standard nicht mehr m�glich ist, kommt die Ablehnung der Behandlung in Betracht. Im Falle einer unberechtigten Ablehnung hat der Kassenarzt ein vertrags�rztliches Disziplinarverfahren zu bef�rchten.

  • Privat abrechnender Arzt

Dem privat abrechnenden Arzt steht die Ablehnung einer Behandlung nach � 7 Abs. 2 Satz 2 MBO-� grunds�tzlich frei. Allerdings sollte auch ein privat abrechnender Arzt wichtige Gr�nde f�r eine Ablehnung anf�hren k�nnen, weshalb von einem willk�rlichen Vorgehen abzuraten ist. Gerade diskriminierende Behandlungsverweigerungen sind im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 GG und �� 19, 20 AGG zu unterlassen. Auch wenn sich durch eine langj�hrige Behandlungsdauer ein besonderes Arzt-Patienten-Verh�ltnis entwickelt hat, sollte eine Ablehnung nur in Ausnahmef�llen in Betracht gezogen werden. Es entsteht insoweit ein besonderes Vertrauensverh�ltnis und ein berechtigtes Interesse des Patienten, darauf vertrauen zu k�nnen, dass der Arzt ihn auch bei k�nftigen Krankheiten behandeln wird. Sofern durch die Ablehnung seines Patienten der Versto� eines Arztes gegen seine Berufspflicht angenommen wird, kann dies im Wege der Disziplinargerichtsbarkeit nach Ma�gabe der Kammer- und Heilberufsgesetze geahndet werden.

  • K�ndigung einer laufenden Behandlung

Besteht bereits ein Behandlungsvertrag, richten sich die M�glichkeiten seiner Beendigung nach den Normen f�r das Dienstvertragsrecht (�� 630 b i. V. m. 620 ff. BGB). Neben dem Erreichen des Behandlungszwecks in Form der Genesung des Patienten, besteht bei der �rztlichen Behandlung als „Dienst h�herer Art kraft besonderen Vertrauens“ grunds�tzlich die M�glichkeit der sofortigen, grundlosen K�ndigung gem�� � 627 BGB. Der Patient kann das K�ndigungsrecht aus � 627 Abs. 1 BGB uneingeschr�nkt aus�ben. F�r den Behandelnden wird das Recht durch � 627 Abs. 2 BGB an eine weitere Voraussetzung gekn�pft: danach darf er nicht zur Unzeit k�ndigen, was bedeutet, dass der Patient sich die �rztliche Behandlungsleistung anderweitig beschaffen k�nnen muss. K�ndigt der Arzt zur Unzeit, obwohl kein wichtiger Grund vorliegt, ist er dem Patienten nach � 627 Abs. 2 Satz 2 BGB zum Schadenersatz verpflichtet. F�r den wichtigen Grund gelten auch hier die zuvor aufgestellten Regeln zur �rztlichen Hilfspflicht bezogen auf Notf�lle, Kassen�rzte und privat abrechnende �rzte.

Im Ergebnis ist festzuhalten, dass �rzte von der Ablehnung eines Patienten nur nach sorgf�ltiger Absch�tzung Gebrauch machen sollten, da die Gefahr besteht, sich Schadenersatzforderungen, diszi-plinarrechtliche Ma�nahmen oder sogar strafrechtlichen Sanktionen auszusetzen. Bernd Halbe

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Behandlung HIV-infizierter Patienten

Besonders problematisch ist die Behandlungsverweigerung bei HIV-infizierten Patienten. Vereinzelt wurde vorgebracht, die Behandlung eines HIV-positiven Patienten berge unzumutbare Risiken f�r die behandelnden �rzte und Hilfspersonen.

Durch Schutzvorkehrungen l�sst sich das Infektionsrisiko jedoch nahezu vollst�ndig beherrschen. Daher l�sst sich hieraus kein genereller Grund zur Ablehnung des Patienten ableiten. Des Weiteren wird darauf verwiesen, die Behandlung gef�hrde die Praxis durch das Wegbleiben anderer Patienten. Auch dieses Argument greift selbstverst�ndlich nicht, da es auf wirtschaftlichen Gr�nden und m�glichen Vorurteilen beruht, was sowohl dem bereits genannten Gleichbehandlungsgedanken, als auch der �rztlichen Standesethik widerspricht.

Zudem kann auch nicht das Ergreifen jeglicher medizinischer Ma�nahmen unter den Vorbehalt der vorherigen Einwilligung in die Durchf�hrung eines HIV-Tests gestellt werden. Nur zum Schutze der behandelnden Personen k�nnen konkret belegbare Indizien, die f�r eine HIV-Infektion sprechen, bei Behandlungen, die mit einem erh�hten Infektionsrisiko einhergehen, die Forderung einer solchen Ma�nahme rechtfertigen.

Was darf ein Arzt nicht?

Bei Hausbesuchen, Not- fallbehandlungen, defekten Karten oder Lesegeräten darf der Arzt sich die Patientendaten geben lassen und schriftlich mit der Kasse abrechnen, auf der Chipkarte bestehen darf er in diesen Fällen nicht. Ebenso wenig darf ein Arzt Patienten aus wirtschaftlichen Motiven ablehnen.

Was tun wenn kein Arzt auf hat?

Sie können entweder direkt eine geöffnete Bereitschaftspraxis in Ihrer Nähe aufsuchen oder die 116117 wählen. Die Mitarbeitenden der 116117 kennen Ärzte in Ihrer Nähe oder schicken bei Bedarf einen Arzt zu Ihnen nach Hause. Sie erhalten die ärztliche Hilfe, die Sie brauchen.

Wie kann man einen Arzt bewerten?

Ganz einfach: Richtige Bewertungen sind immer wahr und respektvoll. Bleiben Sie bei der Wahrheit und schreiben Sie bitte nur Dinge, die Sie dem Arzt auch ins Gesicht sagen würden. Zudem sollten Patienten darauf achten, dass immer ein sachlicher Bezug zur jeweiligen Behandlung dargestellt wird.

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