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Folgen von Leichtsinn oder ein Unfall, der beide Seiten gleich trifft? Auf diesen Nenner lässt sich der erste Verhandlungstag im Berufungsprozess im Fall des tödlichen Hundeangriffs auf eine 72-jährige Frau am 30. Mai 2017 bringen. In der ersten Instanz hatte das Amtsgericht Sigmaringen die beiden Hundehalter, ein getrennt lebendes Ehepaar, zu Freiheitsstrafen von eineinhalb und zwei Jahren verurteilt. Diese Haftstrafen wegen fahrlässiger Tötung setzte das Sigmaringer Schöffengericht auf drei Jahre zur Bewährung aus. Während dieser drei Jahre dürfen die früheren Eheleute keinen Hund halten, der über 20 Kilo wiegt, und sie müssen je 100 Stunden gemeinnützige Arbeit leisten.

Berufung: "Hundehalter konnten Angriff nicht vorhersehen"

Gegen dieses Urteil legten die beiden Verteidiger Jens Meßow und Ulrich Weber Berufung ein. Sie begründeten in Hechingen den Gang in die zweite Instanz damit, dass die Hundehalter den Angriff auf die 72-Jährige nicht vorhersehen konnten. Die Verteidiger wollen Freisprüche für ihre Mandanten erreichen. Deshalb wird der Prozess vor der Kleinen Strafkammer des Landgerichts Hechingen unter Vorsitz von Volker Schwarz neu aufgerollt. Wegen des „Verschlechterungsverbots“ kann das Landgericht entweder das Sigmaringer Urteil bestätigen oder die Hundehalter freisprechen.

Kangal springt über Zaun und fällt Frau an

Der Hund des Paars, ein Tier der Rasse Kangal, war am 30. Mai den ganzen Tag auf einem kleinen Grundstück angekettet gewesen. Als am Abend die 72-Jährige auf dem Fußweg neben dem Grundstück lief, riss sich der Hund los, übersprang den nach Zeugenaussagen rund 1,20 Meter hohen Lattenzaun und stürzte sich auf die Spaziergängerin.

Zeugin: Bild des Grauens an Unglücksstelle

Am ersten Verhandlungstag hatten Zeugen das Wort, die den Angriff unmittelbar erlebt hatten. Eine Zeugin war durch Geräusche und Schreie auf den Todeskampf der 72-Jährigen aufmerksam geworden. An der Unglücksstelle habe sich ihr ein Bild des Grauens geboten, wie sie sagte. Sie haben einen schweren Wassernapf nach dem Hund geworfen und so versucht, ihn von seinem Opfer abzubringen. Das Tier habe sich aber davon nicht beeindrucken lassen.

Hund griff auch Rettungssanitäter an

Die Frau alarmierte den Rettungsdienst und verständigte ihren Bruder im Nachbarhaus. Dieser rief einen Jäger in der Nachbarschaft, der mit einer Pistole zur Unglücksstelle rannte. Er kam fast zeitgleich mit den Notfallsanitäter an, die versuchten, zum Opfer vorzudringen. Sie wurden jedoch ebenfalls von dem Hund angegriffen. Erst unter dem Schutz des Jägers konnten die Sanitäter das Opfer bergen und versorgen. Der Jäger sagte als Zeuge aus: „Ich konnte nicht auf den Hund schießen, solange er so nahe am Opfer war.“

Das Tier zog sich später auf das Grundstück zurück. Inzwischen waren auch zwei Streifenwagenbesatzungen der Polizei eingetroffen. Die mit Maschinenpistolen bewaffneten Beamten sicherten das Grundstück, um die Flucht des Hundes zu verhindern. Als sich der Hund aus seiner Deckung wagte, wurde er von den Polizeibeamten erschossen. Weil die Polizei im Haus verletzte Menschen vermutete und die Gefahr nicht einschätzen konnte, die von den beiden noch im Haus anwesenden Hunden ausging, wurde der Jäger von den Beamten gebeten, diese Hunde zu erschießen.

Hund ab 7 Uhr auf dem Grundstück angekettet

Die Hundehalterin hatte nach Angaben von Zeugen das Grundstück mit dem angeketteten Hund morgens gegen 7 Uhr verlassen. Als sie in der Nacht gegen 2 Uhr wieder nach Haus kam, habe sie den Ermittlungen der Polizei zufolge einen Alkoholspiegel von 1,4 Promille gehabt. Die Beamten sagten aus, das Haus sei innen verdreckt und voller Hundekot gewesen.

Mann der Getöteten leidet unter starken psychischen Belastungen

Der Ehemann der getöteten Frau, als Zeuge und Nebenkläger anwesend, drückte sein Unverständnis darüber aus, dass die Hundehalter trotz des aus seiner Sicht milden Urteils Berufung eingelegt hätten. Er sagte, er habe den Tod seiner Frau noch nicht verwunden. Außerdem leide er unter starken psychischen Belastungen und habe Angst vor Hunden.

Der Prozess wird am Montag, 11. Februar 2019 ab 11 Uhr in Hechingen fortgesetzt.

Kangal

Ein Kangal ist ein muskulöser Hirtenhund, der ursprünglich aus der Türkei stammt. Rüden haben eine Schulterhöhe von bis zu 78 Zentimetern. Ein Kangal kann bis zu 60 Kilo wiegen. In der derzeit in Baden-Württemberg gültigen Liste für Kampfhunde ist diese Rasse nicht aufgeführt. Lediglich das Bundesland Hessen und der Stadtstaat Hamburg haben Kangals als Kampfhunde eingestuft. Nach mehreren Beiß-Attacken in jüngster Zeit wurde die Aufnahme der Rasse Kangal in die Landesliste gefordert. Die Hunde würden einem Wesenstest unterzogen, wenn ihre Rasse in der Liste aufgenommen würde. Ein Wesenstest ist ein Test, mit dem Verhaltenseigenschaften der Hunde überprüft werden. Solche Tests spielen in der Hundezucht sowie bei der Auswahl potenzieller Diensthunde eine Rolle. Außerdem waren sie nach dem Online-Lexikon Wikipedia Gegenstand von Gutachten für auffällig gewordene Hunde. (dim)

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