Hatte die Weimarer Republik eine Überlebenschance

"Weimar" war die erste Demokratie auf deutschem Boden. Es war ein Neubeginn voller Emotion und Hoffnung – in schwerer Zeit. Oft wird Weimar vom Ende her betrachtet, von seinem Untergang im Nationalsozialismus. Dabei war es ein großer Aufbruch. Die Deutschen wagten Demokratie. Eine Doku als lebhafte Diskussion über Weimar. Ein Film, der auch fragt: Was kann uns Weimar heute lehren?

Video abrufbar

  • Im Audio/Video-Bereich steht ein Video zur Sendung zur Verfügung. Sie müssen eingeloggt sein und die Audio/Video-Berechtigung besitzen, um das Video sehen zu können.

     

  • Weitere Informationen: Das Erste / Reportagen und Dokumentationen im Netz

Wie kam es zum Scheitern der Weimarer Republik?

Vor 100 Jahren, am 6. Februar 1919, trat in Weimar die deutsche Nationalversammlung zusammen. Sie gab dem Deutschen Reich eine moderne demokratische Verfassung. 14 Jahre später kam Hitler an die Macht – die Weimarer Republik war gescheitert. Musste es so kommen, war Hitler unvermeidlich? Es gibt gängige Erklärungen: Die Verfassung war mangelhaft, die Belastung durch den Versailler Vertrag zu groß. Auch die Hyperinflation und die Weltwirtschaftskrise werden oft als Gründe genannt. Im Kern jedoch, heißt es, seien die Deutschen nicht reif gewesen für eine Demokratie.

Aktuelle Forschungsergebnisse

Weimar war ein unerhörter Neuanfang, ein Aufbruch, wurde aber immer vom Ende, vom Scheitern her beurteilt. Der Film ist ein emotionales Plädoyer. Er sucht die Auseinandersetzung und verfolgt dabei das Ziel, jene staatsbürgerlichen Werte, von denen heute oft die Rede ist, greifbar und in ihrem historischen Entstehen verstehbar zu machen. Neue Forschungsergebnisse führen jetzt, nach 100 Jahren, zu einer Neubewertung der Weimarer Epoche. Im Film begründen der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio und die Historiker Gerd Krumeich und Wolfram Pyta sowie der Literaturwissenschaftler Helmuth Kiesel ihre neuen Erkenntnisse. Neben der wiederkehrenden wirtschaftlichen Not stand eine ungeheure Gewaltbereitschaft in der politischen Auseinandersetzung, ein verbreitetes Gefühl der Schmach und Demütigung und die – zehn Jahre nach der Niederlage aufbrechende – Verarbeitung des Kriegstraumas.

Die Weimarer Republik, die erste mehrjährige Demokratie auf deutschem Boden, gilt bei vielen, von Anfang ihres Bestehens an, als schwach. In einer Revolution entstanden, die den Kaiser ins Exil trieb, gegründet von kriegsmüden Politikern in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, von Beginn an gehasst von den alten Eliten: Adeligen, Militärs und Konservativen. "Besaß die Weimarer Republik überhaupt eine Chance? Oder fehlte ihr die Luft zum Atmen, war das Scheitern nur eine Frage der Zeit? Woran zerbrach die erste deutsche Demokratie?", fragt das Magazin "ZEIT Geschichte"  die beiden Historiker Tim B. Müller und Andreas Wirsching.

Als eine starke Demokratie beschreibt Müller die Weimarer Republik: "Der gravierendste Mangel der meisten Urteile über die 'Schwäche' der Weimarer Demokratie ist ihre nationale Beschränkung. Es gab keine Demokratie nach 1918, die sich nicht in einer mehr oder minder existenziellen Krise befand, und es gab keine, die sich auf erfolgreiche Traditionen demokratischer Konfliktaustragung stützen konnte." 

Nicht nur die Deutschen, von Heinrich Mann so satirisch-treffend als "Untertanen" beschriebene Bürger, hätten Müller zur Folge große Probleme gehabt, die Demokratie mit Leben zu füllen:  "Eine simple Tatsache, wenn man sich für die internationale Geschichte der Demokratie interessiert, ist es, dass sich weder Briten noch Skandinavier, noch Niederländer vor 1918 als Demokraten verstanden und selbst in Frankreich und den Vereinigten Staaten umstritten blieb, was Demokratie bedeuten sollte."

Sein Kollege Wirsching sieht das anders – für ihn begann die Weimarer Republik mit einer dreifachen Belastung, die ihr dauerhaft nur wenig Chancen ließen: "Natürlich wäre es vermessen, einen einzigen geschichtlichen Faktor zu isolieren und auf ihn allein das Scheitern der Weimarer Republik zurückzuführen. Aber wesentliche Aspekte des Scheiterns lassen sich unter drei Stichworten zusammenfassen: problematische Traditionen, funktionale Schwächen und äußere Belastungen." 

Nach 1945 sahen viele in der Verfassung der Weimarer Republik einen Hauptgrund für den Untergang der ersten deutschen Demokratie: Sie sei das Produkt einer gescheiterten Revolution gewesen. Ihr Charakter als Kompromiss zwischen Linken und Rechten habe die Bürgerinnen und Bürger nicht für die Republik begeistern können. Mängel, wie die zu starke Stellung des Reichspräsidenten, hätten zum Scheitern der Weimarer Republik beigetragen und den Aufstieg der Nationalsozialisten befördert. Heute werden auch die fortschrittlichen Elemente der Weimarer Verfassung betont, wie die Festschreibung der Meinungs- und Gewissensfreiheit, Gewaltenteilung und die Verankerung sozialer Rechte.

1949 formulierten in der Bundesrepublik die Mütter und Väter des Grundgesetzes erneut eine demokratische Verfassung. Sie nahmen sich die Verfassung von 1919 als Vorbild, zogen aber auch ihre Lehren daraus. In der folgenden Aufgabe kannst du prüfen, ob du die beiden Verfassungen unterscheiden kannst.

War die Weimarer Republik erfolgreich?

Die Weimarer Verfassung galt zu ihrer Zeit als eine der fortschrittlichsten überhaupt. Sie war nach der Märzrevolution von 1848 der zweite – und erste erfolgreiche – Versuch, eine liberale Demokratie in Deutschland zu etablieren.

War die Weimarer Republik noch zu retten?

Der Systemwechsel 1918/19 hatte bereits mit den Oktoberreformen begonnen. Als Prinz Max von Baden den parlamentarischen Mehrheitsführer und SPD-Vorsitzenden Friedrich Ebert am 9. November zum Reichskanzler ernannte, war die konstitutionelle, gewaltlose Revolution abgeschlossen.

Was waren die Chancen der Weimarer Republik?

Soziale Rechte und Errungenschaften verbesserten die Lebensqualität vieler Menschen. Auch das kulturelle und künstlerische Leben erblühte. Die erste deutsche Demokratie fand ihr Ende durch den Zusammenbruch des parlamentarischen Systems und die Machtübertragung an die Nationalsozialisten unter Adolf Hitler.

War die Republik zum Scheitern verurteilt?

Die Weimarer Republik war nicht zum Scheitern verurteilt. Jedenfalls nicht von ihrem Anfang her. 1918 bedeutete bei allen Belastungen nicht das vorprogrammierte Ende von 1933. Hitler war keineswegs eine zwangsläufige Konsequenz der Entwicklung von 1918/19.