Kind dreht durch wenn besuch kommt

Ich habe keinen Raum für mich. Letzte Woche hatten die Kinder verkürzten Unterricht bzw. hitzefrei und ich domptierte in dieser Woche jeden Nachmittag nicht weniger als 10 Kinder in meinem Haus. Und ich war kurz vorm Durchdrehen!

Das Normalste von der Welt oder die Invasion?

Meine Schwester erinnerte mich gestern am Telefon daran, wie unsere Mutter sich in unserer Kindheit immer beklagte, sie habe keinen Raum für sich und niemals ihre Ruhe. Ständig seien so viele Kinder zu Besuch und es gäbe keine Grenzen, die wir im Pulk respektieren würden. Ich hatte sofort die Stimme meiner Mutter im Ohr und in meiner Erinnerung klingt sie genau wie meine innere Stimme in dieser Woche: ärgerlich, leicht verzweifelt und ziemlich angepisst.

Meine Kinder wissen aber überhaupt nicht, wo das Problem ist. Es ist das Normalste von der Welt, dass bei der Hitze die von ihnen mitgebrachten Freund*innen Durst haben und trinken möchten. Dass sie die Toilette benutzen. Dass sie gemeinsam mit ihnen das Haus betreten und wieder verlassen, betreten und wieder verlassen, betreten und…

Und es IST ja auch normal. Schließlich bin ich es, die ihren Kindern immer wieder sagt: „Ihr wohnt hier, das ist auch euer Haus.  Selbstverständlich dürft ihr Freund*innen mitbringen und natürlich dürfen die hier auch essen, trinken, übernachten etc.“ Dazu stehe ich auch, das meine ich so. Allerdings geht diese Ansage noch weiter und zwar so: „Ihr dürft nur nicht vergessen, dass wir hier zu Fünft leben und aufeinander Rücksicht nehmen müssen. Sonst funktioniert das nicht.“ Das ist dann der Teil meiner Ansage, der geflissentlich überhört und unter den Tisch fallen gelassen wird. Von jedem meiner Kinder.

Denn es ist ja so: die Freund*innen meiner Kinder, die ich allesamt grundsätzlich sehr mag, es sind tolle Kinder, wirklich – die trinken ja nicht nur mal eben ein Glas Schorle. Und sie gehen auch nicht nur mal zur Toilette oder kurz in den Garten.

Nein, angeführt von meinen Kids rennen sie durch den Rasensprenger im Garten und brauchen alle ein Handtuch, sie kriegen wölfische Hungeranfälle und essen alles Müsli, alles Toastbrot und jede Banane, die ich im Vorrat habe und natürlich interlassen sie dabei siebenundzwanzig leere Schüsseln, bekleckerte Löffel, klebige Krümel und eine eingesaute Küche. Sie gehen tropfend nass vom Garten ins Haus, hinterlassen eine rutschige Spur auf dem Parkett und dazu noch ein einzigartiges Gemisch aus Sand und Gras. Sie laden ihre Telefone überall und benutzen meine Haarbürsten.

Sie lassen ihre Millionen von Sneakers vor der Haus- und der Gartentür stehen, gerne garniert mit herumfliegenden einzelnen Socken. Sie rutschen aus, verletzen sich und müssen getröstet, bepflastert, gekühlt werden. Sie streiten, bewerfen sich gegenseitig mit Wasserbomben und beschimpfen sich, wenn das Spiel aus dem Ruder läuft. Kurz, sie benehmen sich hier genau wie meine eigenen Kinder – als wären sie zu Hause. Und eigentlich ist das natürlich was Gutes.

Und wo soll ich hin?

Der Punkt ist nur: es ist auch m e i n Haus. Ich wohne auch hier. Ich arbeite sogar hier und das kann ich mal ganz locker vergessen, wenn stets und ständig eine beliebige mittelkleine Person vor mir auftaucht und sagt: „Darf ich bitte was essen, meine Mama anrufen, zum Abendessen bleiben, bitte, könnten Sie mich fahren, weil ich hab Angst vor Gewitter und da kommt gleich was und meine Socken sind nass, kann ich welche leihen und eben hat mich eine Mücke gestochen und dann bin ich ausgerutscht, darf ich das kühlen… bitte?“

Ich rutsche auch aus, nämlich auf dem Sand-Gras-Wasser-Gemisch im Wohnzimmer. Wenn ich zur Toilette gehe, ist das Toilettenpapier alle, der Müll läuft über und überall sind schwarze Handabdrücke rund ums Waschbecken. Wenn ich mir meinen Nachmittagscappuccino machen möchte, ist die Milch alle, weil – Müsli! Und wenn ich meine liebste entspann-dich-alles-ist-gut-Playlist anmachen möchte, muss ich gegen Julian Bam und Missy Elliott durchkommen. Es ist einfach so – anstrengend.

Ich liebe meine Kinder und wünsche ihnen alle Entfaltungsmöglichkeiten dieser Welt, ja, ich liebe Kinder grundsätzlich und bin gern mit ihnen zusammen. Aber wenn sie so intensiv und im Pulk hier sind, habe ich oft das Gefühl, ich löse mich daneben auf. Es gibt keinen Raum für mich, es gibt keinen, der meine Bedürfnisse noch sehen oder hören könnte, wenn alles Müsli aufgegessen, alle Pflaster aufgeklebt, alle Wasserbomben geworfen und alle Playlisten gespielt worden sind.

Mein Haus, meine Regeln – auch für Kinder zu Besuch

Ich höre oft, ich sei die mit dem offenen Haus, den offenen Armen, dem großen Herzen, der nie irgend etwas zu viel wird und das stimmt einerseits, denn das will ich auch sein und ich bin es so gerne! Nur vergisst jeder, der das zu mir sagt, dass es auch dafür einen Preis gibt, den ich zahle. Natürlich erwarte ich von keinem Haufen Zehn- und Zwölfjähriger, dass sie gefälligst meine Bedürfnisse erkennen müssten. Das ist unrealistisch. Aber ich erwarte zumindest von meinen eigenen Kindern, dass sie ein Mindestmaß an Rücksicht nehmen und dass sie im Zweifelsfall auch mal die eigenen Wünsche oder gleich deren Umsetzung einmal überdenken und sich fragen, ob das wirklich für a l l e, die hier wohnen, so eine sensationell gute Idee ist.

Was mit dabei hilft, sind klare Regeln, auch für die Besuchskinder. Regeln, die wir hier als Familie aufgestellt haben und an die wir uns im Idealfall alle halten, damit der Laden hier ohne größere Zusammenbrüche läuft. Und nein, ein bisschen Gras auf dem Parkett verursacht natürlich noch keinen Zusammenbruch. Aber die Invasion von 8 Zwölfjährigen, die eine Try-not-to-laugh-Challenge in meinem Wohnzimmer machen und jeder der lacht muss was ausziehen, hat schon das Potenzial, mich an meine Grenze zu bringen. Das ist dann das Phänomen “zu viele Kinder zu Besuch”!

Was sind also unsere Regeln?

  1. Unter der Woche ist hier spätestens um 19h Schluss (im Winter manchmal ein bisschen früher, im Sommer manchmal später). Dann müssen alle Freund*innen nach Hause gehen. Ausnahme: ein Kind muss aus außergewöhnlichen Gründen hier mitessen.
  2. Keine Übernachtungsbesuche unter der Woche. Wenn am nächsten Morgen Schule ist, schläft jeder bei sich zu Hause. Ausnahme: siehe oben.
  3. Jedes Besuchskind, das hier Hunger oder Durst kriegt, muss fragen, bevor es sich was nimmt. Hier bekommen immer alle genug zu trinken und es gibt immer genug Obst, aber ich möchte darüber Bescheid wissen, wie und welche Vorräte hier dezimiert werden. Spontane Fressgelage mit allen Müslivorräten und der letzten Milch im Haus zerschießen meine Vorratshaltung und sind deshalb nicht auf dem Zettel. Im Zweifel haben wir dann nämlich am nächsten Tag kein Frühstück.
  4. Es gibt am helllichten Nachmittag keine ungeplanten Kocharien. Wer Hunger hat, bekommt Obst (oder im Sommer auch mal ein Eis aus dem Tiefkühler). Es werden nicht im Rudel der Kühlschrank und die Vorräte durchwühlt, um irgend etwas anderes zu Tage zu fördern. Über Aktionen wie gemeinsames Backen, Smoothiezubereitung oder das Ausprobieren vonSandwichtoastvariationen, möchte ich vorher Bescheid wissen und das gegebenenfalls planen. Ausnahme: es gab in der Schule ekelhaftes Mittagessen und alle Beteiligten drohen in ein schreckliches Tief zu stürzen wegen Hunger. Aber dann gilt Regel 3: es wird vorher gefragt.
  5. Keine Party ohne Ansage. Ich hasse spontanes sich Ausgebreite in meinem Wohnzimmer. Ich bin hier, ich wohne hier, ich arbeite hier, und ich schätze es nicht, diesen Raum aus dem Nichts mit fetten Beats und zappelnden Kids gefüllt zu sehen. Ich werde vorher gefragt und mache freiwillig Platz – oder eben nicht.
  6. Es wird nicht. spontan „gezockt“. Wenn die Xbox angeworfen werden soll für FiFa 19 oder Ähnliches und es sind Gastkinder hier, wo ich die Mediengepflogenheiten der jeweiligen Familien nicht kenne, erlaube ich das nicht einfach so. Wir regeln den Medienkonsum unserer Kinder auch bewusst und haben für unsere Haltung unsere Gründe. Ich möchte die Regeln und Ansätze anderer nicht unterwandern. Insofern muss vorher gefragt werden und ich muss wissen, dass die anderen Eltern einverstanden sind.

Tja. Das ist zumindest die Theorie. Denn natürlich triggert jede Regel den Widerspruchsgeist meiner Kinder und sie rennen im bildlichen Sinn immer wieder dagegen. Fragen mich wieder und wieder ob X oder Y nicht doch hier schlafen kann, auch wenn morgen Mittwoch sei.  Oder schmeißen den Sandwichtoaster an und atmen mit ihrer Gang eine Packung Vollkorntoast, 500g Tomaten und einen halben Laib Käse weg, bevor ich auch nur was mitkriege. Oder argumentieren einfach gut und kriegen mich dann doch rum, Ausnahmen von den Regeln zu machen.

Es ist mir wichtig, dass die Kinder wissen, sie haben hier dasselbe Recht wie wir als Eltern, Freund*innen mitzubringen, mit ihnen Zeit zu verbringen ich ihrem Zuhause, gemeinsam zu essen und auch eine Einladung zum Essen aussprechen zu können. Genauso wichtig finde ich es aber, dass sie lernen, dabei darauf zu achten, inwiefern sie möglicherweise andere Familienmitglieder beeinträchtigen, deren Zuhause das hier ebenfalls ist. Gleiche Rechte, aber auch gleiches Verantwortungsbewusstsein und die gleiche Pflicht, auf die Bedürfnisse der anderen zu achten und Rücksicht zu nehmen.

Das ist zumindest das Ideal. Die Realität in einem Bild zusammengefasst entspricht oft eher einem Berg feuchter Klamotten und Handtücher in einer Pfütze Apfelschorle, garniert mit halbleeren Chipstüten, Müslikrümeln und vekohlten Sandwichresten. Soundtrack: Kindergejohle über dem Sound von „Abfahrt“ von Finch Asozial (ja, googelt das mal!) nach dem Beatdrop. Kinder zu Besuch! Yay! Ein Irrenhaus. (Ich schrieb hier schon mal darüber: Sand auf der Couch. Warum ist hier immer alles erlaubt?)

Offenes Haus, glückliche Kindheit

Aber ich bleibe dran. Ich weiche weder von meiner Grundhaltung ab, noch von meinen Regeln, an denen ich mich entlanghangele, damit das hier irgendwie funktioniert und alle einigermaßen zu ihrem Recht kommen. Auch ich!

Da höre ich sie wieder, die Stimme meiner Mama aus meiner Kindheit, die uns wütend zuruft, das sei auch ihr Haus und wir würden alles okkupieren und es sei kein Raum mehr übrig für sie. Und dennoch erinnere ich mich gleichzeitig an die gastfreundlichste Mutter der Welt, an deren Tisch immer noch Platz war für ihre und die Freund*innen ihrer drei Kinder und von deren Tür eigentlich niemals jemand weggeschickt wurde. Das hat mich geprägt. So soll mein Haus auch sein und mein Tisch und mein Herz und meine Arme. Das gilt nicht nur für meine Freund*innen, sondern auch für die meiner Kinder.

Ich wünschte, ich könnte meiner Mama heute Folgendes sagen: danke, für deine Großzügigkeit, danke für deine unendliche Geduld mit uns und danke für all den Platz, den du für uns gemacht hast, als wir Kinder waren. Wir durften über alles sprechen, wir wurden niemals ausgeschlossen, wir konnten überall w i r sein, so laut und chaotisch und dreckig das auch werden konnte; wir durften alle Gefühle haben und äußern, die uns anfochten und hatten immer die Sicherheit – wir sind hier zu Hause, mit allem, was wir sind und die Menschen, die uns wichtig sind, sind hier willkommen.

Aber Mama, entschuldige bitte, dass wir so oft über deine Grenzen hinweg getrampelt sind. Entschuldige für die vielen Male, wo wir dich und deine Bedürfnisse nicht gesehen oder nicht erkannt haben. Entschuldige, dass wir deine Großzügigkeit strapaziert und immer noch eine Schippe draufgelegt haben. Ich wünschte wirklich, ich könnte jetzt mit dir darüber sprechen, wie es damals war. Und du könntest mit mir hier sitzen und darüber lachen, wie es hier zugeht, während im Stockwerk über uns das verbotene Spiel „Balkonfange“ gespielt wird und es sich anfühlt, als würde eine Horde Elefanten über unseren Köpfen Zumba tanzen.

Die wichtigste Regel hätte ich fast vergessen, aufzuschreiben: niemals vergessen, dass wir das Team sind. Die Familie. Dass wir einander liebhaben und füreinander da sein wollen. Und dass das Glück der anderen auch immer ein bisschen unser eigenes Glück ist. Denn das ist es: so sehr ich innerlich stöhne, wenn am Nachmittag die Türklingel nicht aufhört, zu läuten und noch ein Kind und noch ein Kind und noch ein Kind hereinspaziert, mir ist doch immer klar, dass auch das die Aspekte einer fröhlichen Kindheit sind. Und ich wünsche mir, dass meine Kinder sich später daran erinnern werden, in einem offenen Haus aufgewachsen zu sein, in dem immer alle willkommen waren und hoffe, dass sie das insofern prägt, selbst auch ihre Türen immer für andere zu öffnen, genau wie ihre Herzen.

Ich bin jedenfalls dankbar, dass ich so aufgewachsen bin und das Glück habe, das ebenso leben zu können, wie meine Mutter es in unserer Kindheit getan hat.

Warum dreht Kind auf wenn Besuch kommt?

Manche Kindern benehmen sich wie ausgewechselt, wenn ihre Eltern Besuch bekommen. Sie plappern ständig dazwischen, so dass eine normale Unterhaltung kaum möglich ist. Sie drehen richtig auf – aus Angst, sie könnten weniger Aufmerksamkeit bekommen.

Was tun wenn das Kind nicht gehorcht?

Mein Kind gehorcht nicht – Was tun?.
Bewahren Sie stets die Ruhe. ... .
Manche Kinder möchten in solchen Momenten kuscheln und Zuneigung erhalten. ... .
Bieten Sie Alternativen an. ... .
Versuchen Sie deshalb immer eine positive Grundstimmung zu behalten. ... .
Reden Sie nach einer solchen Situation kurz darüber..

Warum hat mein Kind Ausraster?

Die häufigsten Ursachen sind Frustration, Müdigkeit und Hunger. Bei einem Wutanfall kommt es vor, dass Kinder schreien, weinen, um sich schlagen, sich auf dem Boden wälzen, mit Sachen werfen und mit den Füßen stampfen.

Warum benehmen sich Kinder schlecht?

Ursachen: Warum benehmen sich Kinder daneben? Kinder können nicht immer wissen, was Eltern und Mitmenschen von ihnen erwarten. Es fehlt ihnen noch an Erfahrung, Verständnis und Ausdrucksfähigkeit, um die eigenen Bedürfnisse zu kommunizieren.

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