Ukraine-konflikt: was bedeutet das für deutschland

Das "kollektive Selbstverteidigungsrecht", das ebenfalls aus Artikel 51 der UN-Charta stammt, ermöglicht die Nothilfe durch Drittstaaten für ein angegriffenes Land. Die Verteidigung nach Artikel 5 des Nato-Vertrages wäre so ein Fall. Die Nothilfe kann aber auch ad hoc geleistet werden. "Das kollektive Selbstverteidigungsrecht bedeutet, dass das Opfer eines bewaffneten Angriffs andere Staaten bitten kann, militärisch zu helfen", erklärt Wolff Heintschel von Heinegg, Völkerrechtler und Lehrstuhlinhaber an der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Dabei gehe es nicht um Waffenlieferungen, sondern ein militärisches Eingreifen in den Konflikt. "Was gerade passiert ist, dass Deutschland die Ukraine bei ihrem individuellen Selbstverteidigungsrecht unterstützt", so Heintschel von Heinegg.

Was gerade passiert ist, dass Deutschland die Ukraine bei ihrem individuellen Selbstverteidigungsrecht unterstützt.

Artikel 51 UN-Charta Diese Charta beeinträchtigt im Falle eines bewaffneten Angriffs gegen ein Mitglied der Vereinten Nationen keineswegs das naturgegebene Recht zur individuellen oder kollektiven Selbstverteidigung, bis der Sicherheitsrat die zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat. Maßnahmen, die ein Mitglied in Ausübung dieses Selbstverteidigungsrechts trifft, sind dem Sicherheitsrat sofort anzuzeigen; sie berühren in keiner Weise dessen auf dieser Charta beruhende Befugnis und Pflicht, jederzeit die Maßnahmen zu treffen, die er zur Wahrung oder Wiederherstellung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit für erforderlich hält. Charta der Vereinten Nationen

Deutschland unterstützt die Ukraine bei der Selbstverteidigung

Was Deutschland mache, seien Unterstützungsleistungen vor dem Hintergrund des Neutralitätsrechts. Dass Deutschland Waffen liefere – egal welcher Art – und die Ukraine finanziell unterstütze, mache es nicht zur Kriegspartei. "Nur eine unmittelbare Teilnahme an den Feindseligkeiten, die Deutschland zurechenbar wäre, würde Deutschland zur Konfliktpartei machen", so der Völkerrechtler.

Nur eine unmittelbare Teilnahme an den Feindseligkeiten, die Deutschland zurechenbar wäre, würde Deutschland zur Konfliktpartei machen.

Auch ein militärisches Eingreifen Deutschlands in der Ukraine wäre vom Völkerrecht im Rahmen der kollektiven Selbstverteidigung gedeckt, wenn die entsprechenden Bedingungen erfüllt sind. Darauf wies der Bonner Völkerrechtler Matthias Herdegen bereits im Podcast von MDR AKTUELL hin. Deutschland und andere Länder dürften streng genommen eingreifen, machten das aber aus politischen Gründen nicht, um eine Eskalation des Konflikts zu verhindern, so Herdegen. Streng genommen dürfte Russland Staaten, die der Ukraine auf Basis des kollektiven Selbstverteidigungsrechts militärisch zu Hilfe eilen, nicht angreifen. Bedenkt man jedoch, dass Russland selbst inzwischen vor einem Atomkrieg "warnt" erscheint die politische Strategie des Westens vernünftig.

Neutralitätsrecht heute offener ausgelegt

Klar zur Kriegspartei würde Deutschland auch wenn Bundeswehrsoldatinnen und -soldaten mit einem Mandat des UN-Sicherheitsrates ausgestattet in der Ukraine kämpften. Ein solches UN-Mandat für einen internationalen Militäreinsatz in dem Land kann es aufgrund von Russlands Stellung im Sicherheitsrat jedoch nicht geben. Russland ist ständiges Mitglied und mit einem Vetorecht ausgestattet. Es würde sich niemals selbst zum Aggressor und Kriegstreiber erklären.

Damit diese Blockade des UN-Sicherheitsrates nicht zum kriegsrechtlichen Freifahrtschein für Russland wird, hat sich spätestens mit dem Ukraine-Krieg auch die Sicht von Völkerrechtlern und Völkerrechtlerinnen auf das Neutralitätsrecht geändert. Waffenlieferungen und Unterstützungen sind nach der moderneren Auslegung der wohlwollenden oder qualifizierten Neutralität mehrheitlich völkerrechtlich akzeptiert.

Neutralitätsrecht Das Neutralitätsrecht wird im Völkerrecht aus zwei Verträgen (V und XIII) des Haager Abkommens von 1907 hergeleitet. Viele Länder, darunter das Deutsche Reich, hatten sich damals Regeln für den Kriegsfall gegeben. Darunter die, dass im Abkommen assoziierte Staaten sich zur Neutralität verpflichten, wenn zwei Länder in Konflikt geraten. Das Haager Abkommen gilt als Grundpfeiler des Kriegsrechts und hat heute 91 Mitglieder, darunter Deutschland, Frankreich, die USA, die Ukraine und die Russische Föderation.

"Würde das Neutralitätsrecht in seiner ursprünglichen Fassung (von 1907, Anm. d. Red.) fortgelten, wären Waffenlieferungen ein Verstoß dagegen", erklärt der Frankfurter Völkerrechtler Heintschel von Heinegg. Der Aggressor, im aktuellen Fall Russland, dürfe jedoch nicht davon profitieren, dass Staaten an das Neutralitätsrecht gebunden seien. Zudem habe die Generalversammlung der UN-Staaten Russland eindeutig und in einer seltenen Einhelligkeit als Aggressor eingestuft. "Der Angriff der Russischen Föderation ist ein evidenter Völkerrechtsbruch und ein offensichtlicher Fall der Aggression", so der Völkerrechtler.

Tendenzen, das Neutralitätsrecht aufzuweichen, habe es schon lange gegeben, so Heintschel von Heinegg. So seien etwa die USA zu Beginn der beiden Weltkriege zunächst neutral geblieben, hätten dann aber doch in das Kriegsgeschehen eingegriffen.

Warum ist die Ukraine so wichtig für Deutschland?

In der Ukraine sind über 1000 deutsche Unternehmen tätig. Für die Ukraine ist Deutschland der zweitwichtigste Außenhandelspartner.

Kann Deutschland angegriffen werden?

Der Verteidigungsfall (im Sprachgebrauch der Bundeswehr auch „V-Fall“ genannt) ist der festgestellte rechtliche Status der Bundesrepublik Deutschland, wenn ihr Staatsgebiet mit „Waffengewalt“ von außen angegriffen wird oder ein solcher Angriff unmittelbar droht, was bisher nicht eingetreten ist.

Welche Auswirkungen hat der Ukraine

“ Der von Wladimir Putin angezettelte Ukraine-Krieg zeigt bereits erhebliche wirtschaftliche Folgen in Russland, wo der Rubel die Hälfte seines Wertes verloren hat und die Inflation sprunghaft ansteigt. Die Moskauer Börse ist geschlossen.

Was ist der Auslöser für den Ukraine Konflikt?

Die tiefere Ursache für die gewachsene rhetorische, politische und militärische Aggressivität der russischen Führung während und nach der Euromaidan-Revolution (November 2013 bis Februar 2014) in der Ukraine ist hauptsächlich innen- und weniger außenpolitischer Natur.

Toplist

Neuester Beitrag

Stichworte