Manchmal geht Sonja spätabends in den Garten und schaut von draußen in ihr Haus. "Gemütlich sieht es da drin aus", denkt sie dann. "Wenn ich als Fremde hier vorbeiginge, würde ich meinen: Die Leute, die hier wohnen, müssen einfach
glücklich sein." Meist schleicht sich dann leise von hinten der verbotene Gedanke an: "Aber ich bin es nicht." Nein, Sonja hat keinen Ehemann, der sie betrügt, kein krankes Kind, keine finanziellen Nöte. Sie hat alles, was man sich nur wünschen kann. Bis auf eines: gute Laune. Lust am Leben. Sonja sagt: "Für mich ist alles eine Last. Mein Job, der Haushalt, sogar der Sex mit meinem Mann. Ich
erledige zwar alles brav, aber eigentlich würde ich mich am liebsten nur unter meiner Tuchent verkriechen." © YouTube Vielleicht ist es ein Glück,
dass Sonja sich noch zu ihren alltäglichen Pflichten zwingen kann. Vielleicht ist es aber auch ein Pech. Denn so kommt weder sie noch ihre Umgebung auf die Idee, dass sie eigentlich seit Jahren krank ist. Nicht schwer, aber dafür chronisch. Dysthymie heißt ihr Leiden, das zu den leichten Formen von
Depression gehört. Bis vor etwas mehr als zehn Jahren galt die Dysthymie in Anlehnung an die griechischen Wortwurzeln (dys = gestört, thymos = Stimmung) nur als depressionsähnliche Verstimmung. Man verstand darunter Menschen, die einfach "ständig schlecht drauf" sind. Teilweise wurde es auch als individuelle "natürliche" Charaktereigenschaft abgetan. Mittlerweile, so die Universitätsdozentin Dr.
Margot Schmitz, hat sich aber die Sichtweise der Mediziner geändert: "Statt Unterscheidungen nach Hypothesen zu machen, macht man heute Beschreibungen. Und da gibt es bei der Depression eben typische Symptome, die einfach nur stärker oder schwächer ausgeprägt sind." Bis
vor etwas mehr als zehn Jahren galt die Dysthymie in Anlehnung an die griechischen Wortwurzeln (dys = gestört, thymos = Stimmung) nur als depressionsähnliche Verstimmung.
Der "Vorteil" an der großen, der Major Depression: Den Betroffenen geht es so schlecht, dass ihre Symptome kaum
zu übersehen sind. Sie können sich zu nichts mehr aufraffen, bleiben manchmal sogar den ganzen Tag im Bett. Außerdem sind ihre Stimmungstiefs zeitlich limitiert und wechseln mit Monaten oder Jahren normaler Stimmung ab. Die Dysthymie jedoch beginnt schleichend, meist schon in Teenagerjahren oder Anfang 20. Die oft nur als Grantler oder Jammerlappen angesehenen Kranken fühlen sich monatelang müde, niedergeschlagen, sie grübeln viel und schlafen schlecht. Jedoch: Sie sind meist fähig, mit den
Anforderungen des täglichen Lebens fertig zu werden. Und genau deshalb kann sich diese Form von Depression unbemerkt in ihrem Leben einnisten. Schätzungen zufolge leiden in Österreich 250.000 Menschen an Dysthymie. Und bei etwa drei Vierteln wird die Krankheit weder erkannt noch behandelt. Stattdessen, so Dozentin Schmitz, kommt es auf anderen
medizinischen Gebieten zu riesigen Fehlbelegungen, weil sich der Druck der Psyche auf den Körper schlägt: "Wir wissen, dass bei 40 Prozent der Patienten von praktischen Ärzten eine Depression im Hintergrund steht, und dasselbe gilt für ein Drittel aller Gynäkologie-Patientinnen." Dazu kommen noch etliche Patienten, die mit Rückenschmerzen zum Orthopäden pilgern, die Magenkranken in den Internen-Abteilungen und, nicht zu vergessen, jede Menge Alkohol-oder Drogenkranker.Unerkannt krank
Schätzungen zufolge leiden in Österreich 250.000 Menschen an Dysthymie.
Während bei den anderen Arten von Depression körperliche Ursachen (wie Krankheiten oder hormonelle Veränderungen) oder tief greifende negative Erlebnisse die Auslöser sind, beginnt die Dysthymie schon in der Kindheit. Ursache jedoch ist bei allen Erscheinungsformen dieselbe: eine Veränderung im Stoffwechsel des Gehirns. Zu wenig Botenstoffe zwischen den
Nervenzellen. Und dieser Mangel an Neurotransmittern verursacht dann die "Krankheit der -losigkeit". Der Gefühl-, Hoffnungs-, Wert-, Lust-, Ruhe-, Freud-, Schlaf-, Macht- und Hilflosigkeit. Wie beginnt nun eine Dysthymie im kindlichen Gehirn? Expertin Margot Schmitz:
"Angenommen, ein Kind ist das schwarze Schaf der Familie. Es wird ständig beschimpft und bestraft. Das macht ihm Stress. Der wiederum bringt seine Neurotransmitter in Unordnung. Auf Dauer hinterlässt diese Belastung biochemische Botschaften in seinem Gehirn. Irgendwann kann sich der Stoffwechsel nicht mehr umstellen, und das schwarze Schaf wird zum
depressiven Erwachsenen." Der Kindern zugefügte Stress kann natürlich auch ganz anderer Natur sein. Jede Form von Geborgenheitsverlust, sei es Gewalt, Scheidung, Todesfälle oder auch ein wegen Depressionen emotionell unerreichbares Elternteil spielt eine Rolle. Aber auch eine extreme Überbehütung, die das Kind an seiner freien Entwicklung hindert, kann Dysthymie auslösen. Bei Mädchen gibt es überdies einen Faktor, der wohl auch dafür verantwortlich ist, dass viel mehr Frauen als Männer an
Depressionen erkranken: die enorme Häufigkeit (jedes vierte Mädchen) sexueller Übergriffe.Die Wurzel des Übels
Auch eine extreme Überbehütung, die das Kind an seiner freien Entwicklung hindert, kann Dysthymie auslösen.
Wie bereits erwähnt, fühlen sich Dysthymiker schon als Teenager nicht mehr so richtig wohl in ihrer Haut. Bei Parties stehen sie eher am Rande des Geschehens und beobachten die anderen in ihrem Treiben. Manche
saufen oder kiffen sich nieder aus Frust, nicht bei der allgemeinen Heiterkeit mitzukönnen, manche flüchten sich in Verachtung für die "Oberflächlichkeit" der Altersgenossen. Mädchen sind in der Schule eher sehr ruhig, Burschen tendieren öfter zu Rebellion und ecken überall an. Schwermütige Literatur, Musik oder Gruftie/Gothic-Style kann solche Kids sehr anziehen. Als junge Erwachsene leben sie sozial eher zurückgezogen. Obwohl sie sich oft so mies fühlen, als ob sie Blei in den Venen hätten, verlangen sie sich selbst große Leistungen ab. Denn: ihr Über-Ich ist streng und unnachgiebig. Ihre Beziehungen sind schwierig, das typische Problem ist der Gegensatz von Klammern und Flüchten. Gegen Ende 20, wenn die jugendlichen Kräfte nachzulassen beginnen, klagen sie noch mehr als zuvor über allerlei Wehwehchen. Manche haben dann auch bereits
Suchtprobleme, weil sie ihre permanenten Unlustgefühle irgendwie niederkämpfen wollen. Obwohl sie inzwischen schon beruflichen Erfolg gehabt haben können, ist ihr Selbstwertgefühl sehr niedrig. Auf Kränkungen reagieren sie deshalb auch übermäßig empfindlich. In Körper und Gesicht beginnt sich der psychische Druck abzuzeichnen: eine eher schlaffe Haltung mit flacher Brustatmung.
Fahler Teint, stark ausgeprägte Nasolabial- und Nasenwurzel-Falten.Existenz unter
Druck
Auf Außenstehende wirkt ihre Mimik oft streng und einschüchternd, dabei geht bei ihnen Aggression eher nach innen als nach außen.
Auf Außenstehende wirkt ihre Mimik oft streng und einschüchternd, dabei geht bei ihnen Aggression eher nach innen als nach außen. Bei Männern kann es allerdings auch umgekehrt sein: Sie geben aller Welt die
Schuld daran, dass es ihnen schlecht geht. Den Trödlern auf der Straße, dem blöden Chef, der nervigen Partnerin. In ihren Dreißigern gewöhnen sich manche Dysthymiker daran, mit ihrer Behinderung zu leben. Andere verzweifeln und denken immer öfter an Selbstmord, den sie später nicht allzu selten auch begehen. Und manche, die den Leidensdruck nach Jahrzehnten
nicht mehr ertragen, suchen endlich professionelle Hilfe. Der Schlüssel zum Erfolg besteht vor allem in einer Kombination von Psychotherapie und Antidepressiva. Wichtig ist allerdings, so Dozentin Margot Schmitz, dass sich die behandelnden Ärzte sehr gut mit den Medikamenten auskennen. Denn: "Gerade weil es eine leichte, aber chronische Erkrankung ist, können sie da nicht mit Hämmern reinfahren. Dysthymiker vertragen vielleicht ein Zehntel der Dosis der
Antidepressiva, die jemand mit einer schweren Depression bekommt. Oft funktioniert es auch erst, wenn sie je ein Bröserl von zwei oder drei Präparaten kombinieren." Ebenfalls wichtig: "Viel Geduld. Denn bis die Medikamente wirken, können leicht ein bis drei Monate vergehen." Doch Geduld zahlt sich aus. Wer Therapie und Pillen kombiniert, hat
zu etwa 73 Prozent die Chance, dass ihm sein Leben dann endlich einmal richtig Spaß macht.Der Weg ans Licht
Namaste: Mit Yoga gegen Depressionen
Yoga bei Depression
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Allgemein
Depressionen haben ihren Ursprung oft in unbewältigten Veränderungs- bzw. Trauerprozessen. Das ist die eine Seite. Dagegen
hilft am besten, die dazugehörigen Gefühle zu durchleben, zu bewältigen, um dann wieder bereit zu werden, nach vorne zu schauen. Dies ist jedoch oft ein langwieriger und schwieriger Prozess, bei dem es angebracht sein kann, sich (therapeutische) Hilfe zu suchen. Das alles ist aber nicht jederman(n)s Sache.
Die andere Seite ist, dass es auch darüber hinaus Möglichkeiten gibt, mit Depressionen und Prozessen der Depressionsbewältigung leichter zurechtzukommen. Die Verhaltenstherapie weiß unter anderem um den stimmungsaufhellenden Nutzen von Bewegung und Ablenkung. Entsprechend ist regelmäßiger Sport zum Beispiel ein sehr guter Ansatz, sich selbst zu helfen.
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Depression
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Yoga bei Depression
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Das Plus von Yoga
Mehr noch als irgendeine Bewegung scheint jedoch Hatha-Yoga besonders positive Auswirkungen auf die Gefühlslage und Depressionen zu haben.
Studien, die der Frage nachgehen, ob Yoga in diesem Fall überhaupt etwas beeinflusst, belegen dies: Am Ende einer einzelnen Stunde haben Zufriedenheit, Ausgeglichenheit und empfundene Tatkraft bei den meisten Teilnehmern zugenommen. Erweiterte Studien über die Verläufe ganzer Yoga-Kurse von mehreren Wochen Dauer zeigen sogar, dass auch die allgemeines Grundstimmung besser wird. Und das ist ein ganz wesentliches Element, gehen doch Depressionen mit dieser alles überschattenden, andauernden, tagtäglichen Schwere einher, der ansonsten kaum zu entkommen ist. Außerdem lässt häufig die Tendenz zum endlosen Grübeln nach.
Schlafstörungen
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Yoga bei Depression
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Studie
Im Rahmen einer Studie untersuchten Wissenschaftler der Universität Duisburg-Essen zusammen mit ihren Kollegen aus Basel, Berlin und
New York drei Monate lang 24 weibliche Testpersonen, die nach eigener Empfindung an seelischen Problemen litten. Das Yoga-Pflicht-Programm von wöchentlich zwei Stunden je 90 Minuten zeigte positive Effekte: Nicht nur physische Beschwerden wie Rücken- und Kopfschmerzen nahmen erkennbar ab.
„Insgesamt konnten wir bei den Frauen ein deutlich gesteigertes Wohlbefinden feststellen“, sagt der Leiter der Studie, Professor Dr. Gustav Dobos, Lehrstuhl Naturheilkunde der Universität Duisburg-Essen.
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Yoga bei Depression
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So wirkt es
So bewirkt das Üben von Asanas, so heißen die
Körperübungen im Yoga, im yogischen Sinne konkret, den eigenen Körper (wieder) besser kennenzulernen, und auch für die eigenen Bedürfnisse (wieder) hellhöriger zu werden, ohne dass Probleme be- oder zerredet werden müssen. Außerdem haben viele Übungen schon während der Durchführung bestimmte Wirkungen auf die Gefühlslage: Manche, wie der Krieger oder der Fisch, geben ein Gefühl von Weite und veranlassen ganz automatisch dazu, tief zu atmen. Diese machen den Kopf schnell klar und geben geistige
Kraft. Andere Haltungen, wie z.B. die Kindshaltung, lassen den Anwender zur Ruhe kommen, vermitteln Gefühle von Geborgenheit und Schutz.
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Yoga bei Depression
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Machen Sie mehr daraus
Gerade wer mit Depressionen zu tun hat, profitiert darüber hinaus sehr davon, mehrmals pro Woche Yoga zu üben. Insgesamt ist es deswegen eine gute Idee, auch zwischen den Kursterminen zuhause weitere Einheiten durchzuführen. Das erhöht den Wirkungsgrad von Asana, Atmung und Achtsamkeit auf die Grundstimmung immens. Außerdem ist bei Übungen zu Hause der Zeitaufwand geringer und die Kosten sind es auch.
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Wenn Sie mehr als drei Fragen mit "Ja" beantworten, neigen Sie zu Depressionen.Bin ich depressiv?
Sie vermuten, Sie seien depressiv. Oder jemand, der Ihnen nahe steht. Wie geht es nun weiter?
Landesverbände für Psychotherapie Im
Internet Telefonnotrufe
(können Ihnen geeignete Therapeuten nennen):
Wien: 01/5127102; 01/5126173
Niederösterreich: 02235/42965
Burgenland: 02682/63010
Steiermark: 0316/372500
Salzburg: 0662/823825
Vorarlberg: 05572/21463
Tirol: 0512/561734
Oberösterreich:
0732/776090
Kärnten: 0463/500756
www.nein-zur-depression.at
www.psychotherapie.at
www.kompetenznetz.de
www.depression.de
www.kriseninterventionszentrum.at
Telefonseelsorge: 142
Sozialpsychiatrischer Notdienst Wien:
01/3108779 od. 3108780
Ö3 Kummernummer: 0800/600607
Rat auf Draht (für Kinder und Jugendliche): 147