Trotz Wenn kleine Kinder ihre Eltern schlagen
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Wie viel Haue verträgt Mama? Wenn Kinder das testen, sind starke Nerven gefragt. Tipps der Kinder- und Jugendlichen-Psychologin Dr. Eva Busch, Dozentin am Winnicott-Institut der Evangelischen Fachhochschule Hannover.
Kindliche Schläge nicht dulden
Was steckt dahinter, wenn Kinder ihre Eltern schlagen?
Im dritten Lebensjahr erleben sie einen Konflikt
zwischen ihrem Wunsch nach Selbstbestimmung und den elterlichen Geboten. Beispielsweise führt sie die Sauberkeitserziehung zu der Frage, wie sie über ihren Körper bestimmen, sich aber trotzdem an allgemeine Regeln anpassen können. Sie verteilen daher, je nach Temperament, probehalber auch mal Schläge und Tritte, wenn sie sich durchsetzen wollen. Das Kind spürt so seine Macht und freut sich, was es für eine Aufregung bewirken kann.
Und wie reagiert man in solchen Fällen am
besten?
Sie müssen sofort ernst, aber gelassen klarmachen, dass Sie Schläge nicht dulden. Also laut und bestimmt "Nein" sagen, dem Kind in die Augen schauen und seinen Arm festhalten. Auch für Kompromisse sind Kinder aufnahmebereit, sie können auch eine Regel wie "Lieber laut reden statt treten" schon verstehen.
Viele Eltern sind gekränkt, wenn sie von ihrem Kind geohrfeigt werden.
"Ich bin groß und das Kind ist klein" - diesen Satz dürfen Vater und Mutter
nie vergessen! Wenn das Kind merkt, dass es den Erwachsenen verletzen oder außer sich bringen kann, kann es sich nicht mehr auf ihn verlassen. Kinder wollen sich aber beschützt fühlen. Wenn ein Dreijähriger, der seine Kräfte noch nicht einschätzen kann, die Eltern haut, steckt immer auch die Frage dahinter: Bin ich gefährlich für dich? Da muss die Antwort natürlich ein klares "Nein" sein. Nur so signalisieren Sie Ihrem Kind: "Ich beschütze dich! Ich kann dafür sorgen, dass dir nichts
passiert!"
Und wenn mein Kind von einem rabiaten Gleichaltrigen verhauen wird?
Das regelt sich von allein: Während des dritten Lebensjahres fangen Kinder an, sich selbstständig zu verteidigen. Schlagen ist ein natürlicher Reflex - er wird aktiv, sobald ein Kind ernsthaft angegriffen wird. Eltern können sich also getrost darauf konzentrieren, ihrem Kind andere Reaktionen auf Gewalt vorzuleben: deutliche Worte, ein souveräner Ton, körperliche Distanz.
Ab wann ist das
kindliche Hauen, Kratzen und Schlagen nicht mehr harmlos?
Nach einem halben Jahr sollte diese Zeit der körperlichen Machtproben vorbei sein. Zudem spielt das Verhalten des Kindes außerhalb der Familie eine Rolle. Schlägt es nicht nur seine Eltern, sondern auch Kinder? Wie kommt es mit anderen Menschen klar? Wenn die unschönen Momente überhandnehmen, kann man das als Hilferuf des Kindes verstehen: Es fühlt sich einer Situation ausgesetzt, mit der es nicht fertig wird. Seine
Aggressionen könnte man übersetzen mit: "Ich brauche mehr Halt", "Mir fehlt Orientierung" oder "Ich habe Ängste".
Und was soll man dann tun?
Die Aufgabe der Eltern ist jetzt: Sie müssen wissen, was sie richtig finden. Und das ihrem Kind vermitteln. Das gibt ihm Sicherheit. Aber natürlich muss ihnen klar sein, dass Kinder durchaus mal impulsiv sein können und nicht immer nur niedlich sind.
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Bei aggressivem Verhalten im Kleinkindesalter ist es zunächst wichtig, die Ursachen aufzudecken, die sehr vielfältig sein können. Erziehungsverhalten, Umweltfaktoren sowie bestimmte Eigenschaften eines Kindes gelten als Hauptursachen.
Diese sind vielfältig und oft schwer ergründbar. Schlagen, beissen und treten sind eine Form von Aggressivität, die Ihr Kind vor allem dann zeigt, wenn es mit der Situation überfordert oder unsicher ist, oder wenn es auf sich aufmerksam machen will.
Eine Veränderung im familiären Bereich wie die Geburts eines Geschwisterchens, die Trennung der Eltern, der Tod der Grosseltern, die Einschulung oder ein Wohnortwechsel kann vermehrt aggressives Verhalten zu Tage fördern.
Natürlich kann auch Gewalt gegen das Kind selbst, Gewalt der Eltern untereinander oder gegenüber Dritten (auch Tieren) eine möglich Ursache für kindliche Aggressionen sein. Denn wenn ein Kind lernt, dass Probleme innerhalb der Familie mit Gewalt gelöst werden, kann es einerseits gar nicht anders, als auch zu Gewalt zu greifen, wenn es sich mit einem Problem konfrontiert sieht. Andrerseits kann es auch sein, dass sich ein Kind vernachlässigt fühlt, dass es um Liebe und Zuneigung buhlt und darum mit allen Mitteln versucht, sich ins Rampenlicht zu stellen, auch wenn dieses noch so negativ ist. Lesen Sie hier mehr zum Thema gewaltfreie Erziehung...
Auch Kinder, deren Temperament so beschaffen ist, dass sie schnell und heftig wütend werden, können zu Aggressivität neigen. Aber auch Kinder, die sich unsicher fühlen, die Angst vor etwas haben und sich schnell angegriffen fühlen, können mehr als andere ihre Fäuste und Füsse einsetzen.
Wenn Ihr Kind also dadurch auffällt, dass es schnell mal zu beissen, schlagen oder treten beginnt, so ist es sicher ratsam, wenn Sie sich erst einmal fragen, warum das so sein könnte. Vielleicht ist es sogar möglich, dass Sie Ihr Kind in einer ruhigen Minute selber danach fragen, dass Sie ihm die Gelegenheit geben, das Herz auszuschütten. Kommt zum Vorschein, dass das Kind auf Grund einer schweren Situation (Trennung, Tod, Umzug) so reagiert, ist es angebracht, wenn Sie dem Kind viel Verständnis und Rücksichtsnahme entgegen bringen.
Andrerseits steht natürlich fest, dass ein gewisses Verhalten nicht toleriert werden kann: Sie müssen Ihrem Kind also unmissverständlich klar machen, dass gewalttätige Formen der Auseinandersetzung nicht in Ordnung sind. Bewährt in solchen Situation, die konsequent angewendet werden sollten, ist das so genannte Time-out, die Auszeit oder der "Stille Stuhl". Die Streithähne sollen räumlich getrennt werden, auch dann, wenn Ihr Kind heftig protestiert. Aber Ruhe und Distanz helfen dem Kind, zur Einsicht zu kommen. Vielleicht hilft es auch schon, wenn Sie Ihr Kind auf die Arme nehmen oder es mit einem Spiel ablenken. Das Kind muss spüren, dass es mit aggressivem Verhalten nicht weit kommt. Vermeiden Sie aber unbedingt, in solchen Situationen selber aggressiv zu werden. Ihr Kind mit heftigen Strafen zur Einsicht zu bringen, das wäre kontraproduktiv!
Oft geht es Kindern auch „nur“ darum, Grenzen zu testen. Es ist also wichtig, dass Sie Ihrem Kind den Freiraum lassen, sich spielerisch mit Aggressionen auseinanderzusetzen. Sie dürfen die Kinder also ruhig mal kämpfen lassen, ihre Kräfte messen lassen und sich auch mal mit ihnen balgen, immer unter der Voraussetzung, dass die Regeln bekannt sind und von keiner Seite überschritten werden dürfen. Diese spielerischen Kämpfe können gerade energiegeladenen Kindern helfen, ihre Energie auf diesem Weg etwas loszuwerden.
Ein Kind friedfertig erziehen ist dann möglich, wenn
sich die Kinder in ihrer Familie sicher und geborgen fühlen.
die Kinder genug Liebe und Zuwendung erhalten. Den Kindern Zeit zu schenken ist wertvoller als alle materiellen Geschenke!
die Eltern untereinander und zu ihren Kindern einen fairen, aggressionslosen Umgang pflegen.
die Kinder hinsichtlich ihrer Begabungen, Talente und Interessen, z.B. durch Musikunterricht, Sport, Malkurs, Haustiere gefördert und gefordert werden.
das Streiten, Raufen, Gerangel und Toben nicht grundsätzlich verboten werden, aber das Gebot besteht, stets fair zu sein.
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