A. Sachverhalt Show Die Parteien, zwei Wohnungseigentümergemeinschaften, streiten um die Rückzahlung eines Betrags von 10.000 €, der am 31. Juli 2006 durch den Verwalter L. von dem Konto der Klägerin auf das Konto der Beklagten überwiesen wurde. L. war nicht nur der Verwalter beider Parteien, sondern auch der zahlreicher anderer Wohnungseigentümergemeinschaften. Er hob jahrelang von den Konten der von ihm verwalteten Wohnungseigentümerschaften Geldbeträge für eigene Zwecke ab. Zur Verdeckung der Abhebungen nahm er eine Vielzahl von Überweisungen zwischen den Konten der Wohnungseigentümergemeinschaften vor. Nach der Überweisung am 31. Juli 2006 überwies L. noch am gleichen Tag einen Teilbetrag von 5.000 € vom Konto der Beklagten auf das Konto einer anderen von ihm verwalteten Wohnungseigentümergemeinschaft. Einen weiteren Teilbetrag von 5.000 € hob er am 1. August 2006 vom Konto der Beklagten für eigene Zwecke ab. L. wurde im Jahr 2010 wegen Untreue in 740 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt. Die Klägerin erfuhr von der Überweisung von ihrem Konto auf das Konto der Beklagten im Sommer 2007. Sie hat wegen der streitgegenständlichen Forderung am 21. Dezember 2010 einen Mahnbescheid beantragt, der am 22. Dezember 2010 erlassen und der Beklagten am 19. Januar 2011 zugestellt worden ist. Die Klägerin (K) verlangt von der Beklagten (B), die sich auf Verjährung beruft, die Rückzahlung von 10.000 €. Zu Recht? B. Die Entscheidung des BGH (Urt. v. 23.1.2014, Az. III ZR 436/12) I. Anspruch aus § 812 I 1, 1. Var. BGB Durch die Überweisung auf ihr Konto hat B „etwas“ erlangt, nämlich einen Auszahlungsanspruch gegen ihre Bank aus der Kontogutschrift. Bei der Kontogutschrift handelt es sich nach der Rspr. des BGH um ein abstraktes Schuldanerkenntnis nach § 781 BGB, wodurch der Kontoinhaber einen Auszahlungsanspruch gegen seine Bank erlangt (eine Belastungsbuchung hingegen hat eine rein deklaratorische Bedeutung). Dadurch wird eine Beweislastumkehr zugunsten des Kunden und eine weitgehende Gleichstellung mit einer Barzahlung erreicht. Fraglich ist, ob die B den Auszahlungsanspruch durch Leistung der K erlangt hat. Eine Leistung ist bekanntlich eine bewusste, zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Das erstinstanzliche Landgericht hatte noch eine Leistung der K angenommen:
Das Merkmal der Zweckgerichtetheit der Vermögensmehrung wird dabei aber völlig ausgeblendet. Der BGH stellt insofern kurz und knapp fest, dass eine Leistung nicht vorliegt:
II. Anspruch aus § 812 I 1, 2. Var. BGB B ist demnach auf sonstige Weise auf Kosten der K bereichert (§ 812 I 1, 2. Var. BGB). 1. Ausschluss nach § 818 III BGB? Fraglich ist zunächst, ob der Anspruch der K nach § 818 III BGB ausgeschlossen ist. Immerhin hat L. die überwiesenen 10.000 € weiterüberwiesen bzw. für eigene Zwecke abgehoben, sodass B entreichert wäre. Allerdings steht der Anwendung von § 818 III BGB möglicherweise die Bösgläubigkeit der B entgegen (§§ 819 I, 818 IV BGB). Das wäre dann der Fall, wenn sie sich die Kenntnis ihres Verwalters L. zurechnen lassen müsste. Der Verwalter einer Wohnungseigentümergemeinschaft ist deren organschaftlicher Vertreter (§ 27 II WoEiG), sodass eine Zurechnung gem. § 166 I BGB in Betracht kommt. Allerdings findet § 166 I BGB nur auf rechtsgeschäftliches Handeln des Vertreters unmittelbare Anwendung. Hier geht es aber um das Wissen des L. bei dem Empfang des Geldes und damit nicht um rechtsgeschäftliches Handeln des L. Anerkannt ist aber, dass § 166 I BGB auf den sog. Wissensvertreter im Rahmen des § 819 I BGB entsprechende Anwendung findet. Dazu der BGH:
Danach muss sich die Beklagte das Wissen ihres Verwalters L. grds. analog § 166 I BGB zurechnen lassen. Dem könnte entgegenstehen, dass L. nicht nur aufseiten der beklagten WEG, sondern auch aufseiten der Klägerin als Verwalter tätig war. Dieser Argumentation tritt der BGH allerdings entgegen:
2. Verjährung? Zudem ist fraglich, ob sich B erfolgreich auf die Einrede der Verjährung berufen kann (§ 214 BGB). Der Anspruch verjährt gem. § 195 BGB binnen drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt nach § 199 I BGB mit dem Schluss des Jahres (sog. Silvesterverjährung), in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 I Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 I Nr. 2 BGB). Der Anspruch ist im Juli 2006 entstanden. Problematisch ist, wann die Klägerin die Kenntnis iSv § 199 I Nr. 2 BGB erlangte. Auch hier könnte das Wissen des L. – diesmal als Wissensvertreter der Klägerin – zuzurechnen sein. Wäre das der Fall, wäre die Verjährungsfrist am 31.12.2009 abgelaufen. Die Hemmung der Verjährung gem. § 204 I Nr. 3 BGB durch Zustellung des Mahnbescheides Anfang 2011 käme dann zu spät. Fraglich ist also, ob das Wissen des L. der Klägerin zuzurechnen ist. Der BGH spricht sich für die Möglichkeit einer analogen Anwendung des § 166 I BGB im Rahmen des § 199 BGB aus und bemüht dazu eine frühere Rechtsprechung zu § 852 BGB a.F.:
Danach käme grds. eine entsprechende Anwendung des § 166 I BGB in Betracht. Allerdings ist auch hier die Besonderheit zu beachten, dass L. sowohl aufseiten der Klägerin als auch aufseiten der Beklagten als Verwalter tätig war. Daher sieht der BGH die Anwendung der oben genannten Grundsätze als Verstoß gegen Treu und Glauben:
Der Klägerin kann das Wissen des L. somit nicht zugerechnet werden. Maßgeblich für den Beginn der Verjährungsfrist ist somit das Jahr 2007 (s. Sachverhalt); der Anspruch verjährte damit zum 31.12.2010. Die Zustellung des Mahnbescheids im Januar 2011 kam damit eigentlich zu spät. Allerdings hat die Klägerin den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides noch im Dezember 2010 gestellt. Insofern wird der Zeitpunkt der Verjährungshemmung gem. § 167 ZPO vorgezogen. Die Zustellung des Mahnbescheides erfolgte nämlich „demnächst“. Nach der Rechtsprechung des BGH wegen der Wertung des § 691 II ZPO eine Zustellung des Mahnbescheids binnen eines Monats ohne Weiteres „demnächst“. C. Fazit Eine lehrreiche Entscheidung mit einem skurrilen Sachverhalt. Juristisch interessant sind vor allem die Fragen, die sich aus der Rolle des L. als „Doppelagent“ ergeben. Für Studenten und Referendare ist zudem die Kenntnis des § 167 ZPO wichtig. Welche Bedeutung hat 166 BGB bei 819?Aufl., § 819 Rn. 3). Nach § 166 Abs. 1 BGB muss derjenige, der sich im rechtsgeschäftlichen Verkehr bei der Abgabe von Willenserklärungen eines Vertreters bedient, es im schutzwürdigen Interesse des Adressaten hinnehmen, dass ihm die Kenntnis des Vertreters als eigene zugerechnet wird.
Wann 166 analog?November 2021 (VII ZR 257/20) entschieden, dass ein sittenwidriges Verhalten eines organschaftlichen Vertreters einer Gesellschaft nicht mittels Zurechnung fremden Wissens analog § 166 BGB begründet werden kann.
Was bedeutet 166 BGB?Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) § 166 Willensmängel; Wissenszurechnung. (1) Soweit die rechtlichen Folgen einer Willenserklärung durch Willensmängel oder durch die Kenntnis oder das Kennenmüssen gewisser Umstände beeinflusst werden, kommt nicht die Person des Vertretenen, sondern die des Vertreters in Betracht.
Welche Bedeutung hat 166 BGB bei gut und Bösgläubigkeit?Nach § 166 I BGB kommt es maßgeblich auf den Irrtum des Vertreters an. Jedoch kann V, da das Geschäft lediglich für ihn Wirkung entfaltet (§ 164 I BGB), nur selbst die Anfechtung erklären. Auch wenn der Vertreter bei Abschluss eines Rechtsgeschäfts bösgläubig ist, muss sich der Vertretene das zurechnen lassen.
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