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Lügner verraten sich mit den Augen? Ein Irrtum!
Veröffentlicht am 11.07.2012 | Lesedauer: 2 Minuten
Manche Psychologen und andere Menschen nehmen an, dass vor allem Lügner die Augen verdrehen
Quelle: beyond/Bernd Eberle
Wer nach rechts oben schaut, soll ein Lügner sein. Das behaupten zumindest Anhänger des Neurolinguistischen Programmierens und Drehbuchschreiber. Eine britische Studie zeigt: Das ist Unsinn.
Lügner lassen sich anders als vielfach angenommen nicht durch genaues Beobachten der Augenbewegungen entlarven – das zumindest hat eine Studie britischer Forscher ergeben. Der Blick nach rechts oder links oben stehe in keiner Verbindung mit dem Wahrheitsgehalt von Aussagen, berichten die Wissenschaftler um Caroline Watt von der Universität Edinburgh in der Fachzeitschrift "PLoS ONE".
In vielen Filmen wie "Ocean's Eleven" oder "Verhandlungssache" wird gezeigt, wie sich Lügner mit ihren Augenbewegungen verraten. "Viele Menschen glauben, dass bestimmte Augenbewegungen ein Zeichen der Lüge sind, und diese Behauptung wird sogar in Kommunikationsschulungen gelehrt", erklärt Watt. "Unsere Forschung bestätigt dies nicht und legt nahe, dass es an der Zeit ist, diesen Ansatz aufzugeben."
Im ersten Experiment testeten die Forscher 32 Rechtshänder, bei denen Lüge und Blick nach rechts der Theorie nach besonders eng verknüpft sein sollten. Einige Probanden wurden aufgefordert, zu einem bestimmten Sachverhalt zu lügen, während andere die Wahrheit sagen sollten.
Verdrehen Lügner eher die Augen?
Die Videoauswertung der Interviews hinsichtlich kurzer und längerer Blicke nach links und rechts oben ließen keinen Zusammenhang zwischen Wahrheitsgehalt der Aussage und Blickrichtung erkennen.
Die 32 Videos aus dem ersten Studienteil wurden in einem weiteren Schritt von 50 Laien eingeschätzt. Dabei war nur ein Teil der Gruppe über die Lügen-Theorie informiert: Sie schnitt aber nicht deutlich besser oder schlechter ab als die Gruppe ohne Vorwissen.
Um das Lügen unter Realbedingungen zu untersuchen, ließen Watt und ihr Team auch Videos echter Vermisstenmeldungen analysieren. 26 von 52 Videos zeigten Lügner. Besonders oft nach rechts oben blickten diese aber nicht.
Umstrittenes neurolinguistisches Programmieren
Dieser Anzug entlarvt Lügner
Mit High-Tech auf Wahrheitsfindung: Motion-Capture-Anzüge werden in der Filmproduktion für Spezialeffekte verwendet. Doch offenbar eigenen sich die sensiblen Kleidungsstücke auch als Lügendetektoren.
Quelle: Zoomin.TV
Die These, dass sich Lügner durch ihre Augenbewegungen verraten, geht zurück auf die umstrittene Technik NLP (Neurolinguistisches Programmieren). In Kommunikationskursen lernen Teilnehmer, die Verhaltensweisen ihres Gegenübers anhand bestimmter Regeln zu analysieren. NLP zufolge lügt ein Mensch, der nach rechts oben blickt, während eine Person mit Blick nach links oben die Wahrheit spricht.
"Die Augenbewegung hat zwar zu tun mit geistiger Anstrengung, etwa dem Abrufen von Wissen oder dem Rekapitulieren einer Geschichte", sagte Michael Niedeggen, Psychologie-Professor an der FU Berlin, "sie ist aber nicht spezifisch für Lügen". Da das Abrufen wahrer Sachverhalte eigentlich keine besondere geistige Aktivität erfordern dürfe, sei die Annahme entstanden, dass vor allem Lügner die Augen verdrehten.
Kinder müssen erst lernen, bewusst zu lügen
Kinder müssen früh mit Lügen leben. Schuld daran sind ausgerechnet die Eltern – sie verheimlichen und vertuschen, etwa wenn es um die Krankheit eines Verwandten geht.
Doch auch die Kleinen lernen früh zu mogeln. Darauf deutet ein berühmtes Experiment aus den 1980er-Jahren hin: Eine US-amerikanische Forschergruppe um Michael Lewis beobachtete Dreijährige beim Lügen.
Die Kleinen hatten sich unerlaubterweise umgedreht, um ein Spielzeug anzuschauen, aber leugneten den Regelbruch im Anschluss. Offenbar fürchteten sie eine Bestrafung – und wollten dieser mit einer Notlüge entgehen.
Bei dem ehemaligen Sigmund-Freud-Schüler Viktor Tausk kam der Lüge eine Schlüsselrolle in der kindlichen Entwicklung zu: Er war überzeugt, dass Kinder erst durch die Lüge lernen, dass sie eine eigene Identität besitzen.
Die Forscherinnen Bella DePaulo und Audrey Jordan denken, dass Kinder ab einem Alter von dreieinhalb Jahren ein Gespür für das Bewusstsein anderer entwickelt haben. Ab diesem Zeitpunkt sollen sie bewusst lügen können, um sich Vorteile zu verschaffen.
Für Eltern ist diese Erkenntnis ein Schock. Sie verstehen es als Vertrauensbruch, wenn sie von ihren Kindern angelogen werden. Trost spendet da das Wissen, dass kindliche Lügen leicht zu entlarven sind.
Eine Alltags-Anekdote, die wohl allen Eltern bekannt vorkommen dürfte: Der Sohn oder die Tochter leugnet, Kekse gegessen zu haben – aber die Krümel an den Mundwinkeln erzählen eine andere Geschichte.
Mikro-Ausdrücke können Lügner verraten
Wenn Hinweise auf eine Lüge fehlen, bleibt der Blick ins Gesicht des Gegenübers. Der US-Psychologe Paul Ekman erforschte über Jahrzehnte, ob und wie ein Lügner sich anhand seiner Mimik überführen lässt.
Seine Erkenntnis: Wer lügt, lächelt häufig, um seine wahren Gefühle, wie Unbehagen oder Angst zu überspielen. Sogenannte Mikro-Ausdrücke geben Aufschluss über das echte Gefühlsleben des Schwindlers.
Diese unwillkürlichen Gesichtsausdrücke sind nur für den Bruchteil einer Sekunde auf dem Gesicht des Lügners zu sehen, zeigen aber die real empfundenen Emotionen wie Ekel, Wut oder Angst. Ein Heuchler wird versuchen, diese Emotionen mit einem künstlichen Lächeln zu verbergen: Die Mundwinkel ziehen sich nach oben, aber die Augen lachen nicht mit.
Lügner können sich auch durch Verhaltensänderungen verraten. Wer bei einem bestimmten Thema plötzlich leiser oder lauter spricht, lächelt oder sich anders hinsetzt, könnte die Unwahrheit sprechen.
Auch Stressanzeichen verraten den Schwindler: Er spricht mit Verzögerungen, wiederholt sich, legt Denkpausen ein oder blinzelt besonders oft. Der deutsche Psychologe Jack Nasher hat über die Kunst der Lügen-Entlarvung ein Buch geschrieben, er weiß: "Wenn man genau hinschaut, sind auch geübte Lügner meist keine perfekten Schauspieler."
Um Schwindler gezielt überführen zu können, erfand James Mackenzie im Jahr 1902 den Lügendetektor (Polygraph). Er erfasst körperliche Symptome, misst Atemfrequenz, Puls, Blutdruck und die Veränderung des Hautwiderstands durch Schwitzen.
Zunächst werden dem Befragten unverfängliche Fragen gestellt – so sollen seine Normwerte ermittelt werden. Treten bei kritischen Fragen Veränderungen auf, werden diese als Hinweis auf eine Lüge gedeutet.
In der Praxis konnte sich das Gerät jedoch nicht durchsetzen: Findige Lügner überlisten den Detektor, indem sie ihre Messwerte bewusst verzerren. Offenbar wird dieser Effekt schon erreicht, wenn sich Befragte auf die Zunge beißen oder die Zehen gegen den Boden drücken.