23 jahre gleiche arbeit ist das wie gelernt

Zu viel Routine, chronische Unterforderung, fehlender Sinn. Burnout ist längst in aller Munde, doch Boreout als krank machende Langeweile im Job wird häufig noch belächelt. Ich sehe in der Arbeit mit Betroffenen, was dauerhafte Unterforderung mit Menschen in Organisationen macht und wie schwer sie sich tun, selbst etwas an ihrer Situation zu verändern. Über die Ursachen und Wirkung von Langeweile im Job sowie meine Tipps aus der Coaching-Praxis, wie Sie es aus der Boreout Falle hinaus schaffen und wieder zu mehr Erfüllung im Job finden können.

23 jahre gleiche arbeit ist das wie gelernt

Langeweile im Job: Mehr als auf der Arbeit nichts zu tun

Langeweile im Job kann viele unterschiedliche Ursachen haben. Bei den meisten chronisch Gelangweilten ist es gar nicht der dauerhaft leere Schreibtisch infolge eines täglich zu geringen Arbeitsaufkommens, wie auch diese Studie 2017 gezeigt hat. Die folgenden Situationen schildern mir zunehmend viele meiner Klientinnen und Klienten im Karriere-Coaching, wenn sie aus Langeweile im Job frustriert zu mir kommen:

  • Zu hohe Monotonie und Routine der Aufgaben
  • Chronisch intellektuelle Unterforderung
  • Keine persönliche oder fachliche Weiterentwicklung
  • Fehlender Austausch mit anderen Menschen
  • Zu viele oder inhaltsleere Meetings
  • Als sinnlos empfundene Aufgaben und Tätigkeiten
  • Mangelnde Identifikation mit Arbeitgeber/Produkten

Ein sehr hoher Routine-Anteil der Aufgaben ist für viele von ihnen auf Dauer extrem frustrierend. Sie sehnen sich nach neuen Themen, mehr Abwechslung, Neuem erleben. Ihnen fehlt mit der Zeit zunehmend die intellektuelle Herausforderung und damit auch die eigene fachliche sowie persönliche Weiterentwicklung. Sie möchten als Macher und Gestalter liebend gerne deutlich mehr voranbringen, als sie in ihrer Organisation dürfen. Sie fühlen sich eingeengt, nicht ausgelastet und können ihren Job nicht wertschätzen – auch wenn am Ende des Monats das gute Gehalt als Schmerzensgeld fürs Nichtstun auf dem Konto ist.

Wenn zur fehlenden Herausforderung zudem noch die persönliche Sinn-Frage gestellt wird, dann wird aus dem täglichen Gang zur Arbeit schnell der unmotivierte Dienst nach Vorschrift. Es ist eine Kraft zehrende Abwärtsspirale aus Langeweile, Unsicherheit, Angst, Stagnation und zunehmend geringerer Selbstwirksamkeit. Je länger Betroffene diesen Zustand aushalten, umso schwerer fällt es ihnen, die Möglichkeiten einer Veränderung für sich zu sehen – geschweige denn sie auch selbstbestimmt anzugehen.


 Ich bin ein Macher, aber mein Chef hält mich klein (SPIEGEL Online)


Langeweile im Job – Wo gibt’s denn sowas?

Das Problem von zu viel Arbeit und Überstunden leuchtet uns allen sofort ein. Arbeitgeber, die Mitarbeiter abbauen, um Kosten zu senken und gleichzeitig das Geschäft ausbauen. Oder der Chef, der immer noch ein Schüppchen oben drauf legt nach dem Motto „Sie schafft das schon!“. Hierarchieebenen, die ersatzlos gestrichen und Aufgaben zur besseren Selbstverantwortung in die Teams nach unten übertragen werden. Vermutlich kennen auch Sie einige Menschen in Ihrem Umfeld, die über zu viel Arbeit, massig Überstunden und Erschöpfung klagen. Burnout ist in aller Munde, sein Pendant Boreout jedoch in meiner Wahrnehmung noch viel zu unsichtbar.

Wenn Sie aus Langeweile im Job auf diesem Beitrag gelandet und somit selbst betroffen sind, dann wissen Sie, dass sich die Menschen in Ihrem beruflichen oder privaten Umfeld schwer damit tun, Sie zu verstehen und ernst zu nehmen. „Du hast es doch gut, verdienst viel Geld und musst dafür nichtmal viel tun – jetzt stell‘ Dich nicht so an!“ Diese und andere Sprüche kennen Sie vermutlich auch. Denn zu wenig Arbeit – wo gibt’s denn schließlich sowas? Hier sind die sieben häufigsten Ursachen, die mir im Karriere-Coaching begegnen:

1. Fehlender Gestaltungs- und Handlungsspielraum

„Ich selbst kann ja nichts verändern“ höre ich von vielen Gelangweilten. Sie können für sich keine Entscheidungs- und Handlungsspielräume erkennen. Manche sagen mir, sie fühlen sich in ihren Jobs wie im Gefängnis – mit Mauern, die mit der Zeit immer enger geworden sind. Jeder Arbeitgeber wünscht sich eigenständig denkende und handelnde Mitarbeiter – so zumindest die Schönschrift auf den Karriereseiten. Doch am Ende beschleicht viele Arbeitnehmer doch wieder das Gefühl, fremdbestimmt und gefangen in Arbeitsanweisungen, täglichen Abstimmungsrunden, minutiös definierten Prozessen und IT-gestützten, starren Arbeitsabläufen einfach nur funktionieren zu sollen, statt mitdenken zu dürfen.

2. Vereinsamung im Homeoffice

Was zu Beginn der Corona-Krise für einige Angestellte entspannte Freiheit im Homeoffice bedeutete, ist für andere über die Zeit bis heute zur Einsamkeits-Falle geworden. Weniger Kontakt zu Kolleginnen und Kollegen – bis auf winzige Bild-Kacheln im täglichen Video-Call. Kein Plausch mehr zwischendurch, keine Fahrt rüber zum Kunden, keine Events oder Messebesuche. So reizvoll es ist, nicht täglich im Stau auf dem Weg zur Arbeit zu stehen und die Jogginghose zum Business-Outfit zu küren, so sehr empfinden viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Jobs im Homeoffice zunehmend als wenig erfüllend und langweilig.

3. Überqualifizierung durch zu niedrige Position

Unterforderung resultiert aus Überqualifizierung. Juristen mit Prädikatsexamen, die täglich Akten nach Schema-F abarbeiten oder Produktionsmitarbeiter mit Maschinenbau-Studium. Viele nicht Ausgelastete erzählen mir, dass ihnen im Bewerbungsgespräch noch spannende Aufgaben versprochen wurden, die es in der Realität in diesem Job jedoch niemals gegeben hat. Diese Folgen von Überqualifizierung sind nicht das Problem eines einzelnen Mitarbeiters, sie sind das Ergebnis falscher Recruiting- und später unzureichender Personalentwicklungsprozesse. Denn wer das Potenzial eines Arbeitnehmers nicht richtig erkennt und ausschöpft, schneidet sich als Organisation nicht nur ins eigene Fleisch, sondern unterfordert und hält Menschen klein.

4. Der Chef bunkert oder macht alles selbst

„Ich mache es lieber selbst, dann weiß ich, dass es gut wird.“ Diesen Satz höre ich immer wieder von Führungskräften. Dinge lieber bei sich zu behalten, als sie an die Mitarbeiter zu delegieren ist umso mehr ein Klassiker bei perfektionistisch veranlagten Chefs. Der andere Fall: Der Chef ist selbst so sehr eingespannt, dass er nicht dazu kommt, Aufgaben weiterzugeben. Bei ihm stapelt es sich, doch unter dem Flaschenhals „Chef“ herrscht Langeweile und alle warten sehnsüchtig darauf, dass wieder ein Bröckchen Arbeit für sie abfällt. Der dritte Fall: Herrscht im ganzen System ein Unterangebot von Arbeit, dann verteilen sich zu wenige Aufgaben auf zu viele Arbeitskräfte. Ein Chef ist dann in der komfortablen Situation, sich selbst auszulasten, Tätigkeiten bei sich zu bunkern und dem eigenen Boreout vorzubeugen.

5. Stellen sind geplant und müssen besetzt sein

Boreout schien zunächst vor allem ein Systemproblem zu sein. Der öffentliche Dienst wurde lange Zeit als Keimzelle der Langeweile im Job betrachtet. Das entspricht ja auch wunderbar dem Bild des faulen Beamten. Inzwischen ist klar, dass dies alles andere als ein Behörden-Thema ist. Besonders in großen Konzernen herrscht in einigen Büros und inzwischen vielen Homeoffice-Wohnzimmern gähnende Langeweile.

Je mehr Stellen im Budget, desto mächtiger als Führungskraft. Ja, das ist immer noch die beliebte alte Denke im Hierarchiegefüge. Ich kenne viele Führungskräfte, die niemals freiwillig zugeben würden, dass ihre Personaldecke viel zu dick ist. Und so resultieren aus Umstrukturierung, Umverteilung, Auslagerung und Wegfall von Aufgaben Stellen (und Menschen auf diesen Positionen) ohne wirtschaftliche Berechtigung. Aus Unternehmenssicht alles andere als ökonomisch, doch in vielen Organisationen gar nicht so leicht zu durchschauen und von oben zu korrigieren.

6. Kurzes Saisongeschäft mit langer Leerlaufzeit

Zweimal im Jahr für einen Monat reinklotzen, dazwischen jeweils 5 Monate Flaute. Dies ist wohl die schlimmste Form des Boreouts, denn die Betroffenen sehen regelmäßig, wie es anders sein kann, wenn sie gefordert  werden – oft in dieser Zeit sogar mehr als gesund – und fallen danach in ein tiefes Loch. Müssen die Mitarbeiter über spezielles Fach- oder Erfahrungswissen verfügen, dann kann es sinnvoll sein, dieses Wissen ganzjährig vorzuhalten anstatt zu den Saisonzeiten auf- und danach wieder abzubauen. Es ist der Switch von heute auf morgen von Stress durch zu viel Arbeit auf die totale Langeweile. Ein Wechselbad der Anforderungen, welches womöglich in den ersten Jahren noch angenehm erscheint, jedoch sehr schnell zur planbaren Langeweile-Routine werden kann.

7. Endstation Abstellgleis

Ja, auch das gibt’s: Gerade ältere Mitarbeiter, die den Anforderungen unserer digitalen Arbeitswelt angeblich nicht mehr gewachsen erscheinen, werden aufs Abstellgleis geschoben. Die Kündigung nach 30 Jahren Betriebszugehörigkeit ist unsozial oder kostet zu viel Geld, also werden die Altgedienten im wahrsten Sinne des Wortes ruhig gestellt. Die Versetzung in die Poststelle, ins Archiv oder in irgendein Büro am Ende des Flurs, was gerade leer steht. Hauptsache irgendwohin, wo sie nichts falsch machen können, keine nervigen Fragen stellen und den laufenden Betrieb nicht länger stören. Klingt unglaublich unmenschlich – ist aber gelebte Praxis, wo nicht teure Abfindungsprogramme oder sogar „Sprinter-Prämien“ für die freiwillig wechselbereit Langgedienten gezahlt werden.


Homeoffice extrem zwischen Burnout und Boreout (XING)


Boreout: Was Langeweile im Job mit Menschen macht

Für Außenstehende ist es oftmals unbegreifbar, wie sich dauerhafte Langeweile im Job anfühlt, auswirkt und welchen Einfluss sie auf die Psyche eines Menschen haben kann. Ich möchte hier nicht auf die gesundheitlichen Folgen von Boreout im engeren Sinne eingehen – ich bin kein Arzt – sondern vielmehr solche Aspekte betrachten, die bei den Betroffenen dazu führen, dass ihnen die Veränderung ihrer Situation oftmals derart schwerfällt.

👉 Täuschung und Selbstbetrug

Viele der im Büro Gelangweilten beginnen damit, vorzutäuschen, dass sie sich vor Arbeit nicht retten können. Eine logische Überlebensstrategie, die sie sich schnell aneignen, sobald die Langeweile im Job beginnt. Sie haben Angst um ihre Berechtigung in einem Team und damit vor Jobverlust. Also werden Aufgaben erfunden oder künstlich in die Länge gezogen. Der Blick in den Monitor täuscht die intensive Arbeit vor, dabei flimmert dort der x-te freiwillig belegte Selbstlernkurs. Das Nichtstun im Büro unter Kollegen zu verbergen wird ebenfalls zur Routine, kostet jedoch extrem viel Energie und erzeugt bei einem Boreout den gefühlt größten Dauerstress. Im Homeoffice fällt dieser Punkt naturgemäß weniger ins Gewicht, wenngleich viele Gelangweilte ein schlechtes Gewissen plagt, wenn sie während der Arbeitszeit andere Dinge zuhause erledigen.

👉 Gefühl von Verdummung

Dauerhafte Unterforderung ohne intellektuelle Herausforderungen verändert unser Denken und Handeln. Wer nicht gefordert wird, baut ab. Auch die Fähigkeit, flexibel auf Unvorhergesehenes zu reagieren, geht mit der Zeit verloren. Die eigene Welt wird immer kleiner. Stress in bestimmten Grenzen tut uns gut, denn wir mögen es, gefordert zu werden und streben nach Weiterentwicklung. Wer über Jahre im Beruf auf der Stelle tritt, bemerkt nicht mehr, dass er tatsächlich sogar längst geistig und oft auch körperlich den Rückwärtsgang eingelegt hat.

👉 Ängste und Unsicherheit

Wie sollte ich mich als Betroffener verhalten? Dem Chef sagen, dass mir langweilig ist und ich mich unterfordert fühle? Ja, darf man denn das sagen? Was wird sie oder er von mir denken? Muss ich nicht froh sein, überhaupt einen Job zu haben und müsste ich nicht auch froh sein, nicht zu viel zu tun zu haben? Stelle ich mich an und ist das nicht eigentlich ein lächerliches Luxusproblem? Sollte ich meine Einstellung zum Beruf ändern und kann ich es dann weiter aushalten? Diese sowie viele andere verunsichernd belastende Fragen stellen sich Betroffene häufig – und müssen infolge von Unverständnis ihres Umfelds meist für sich selbst Antworten hierauf finden.

👉 Schwindendes Selbstvertrauen

Mit der fehlenden Herausforderung und ausbleibenden Erfolgserlebnissen schwindet auch das Selbstvertrauen in uns. Wer auf diese Weise einige Zeit vor sich hindümpelt, fragt sich irgendwann: Was kann ich denn überhaupt noch? Wie konnte ich nur diesen Job annehmen? Habe ich das Falsche studiert? Bin ich schuld daran, dass mir keine spannenden Aufgaben mehr übertragen werden? Bin ich zu schlecht? Logisch, dass besonders solchen Arbeitnehmern auf dem oben beschriebenen Abstellgleis derartige Gedanken durch den Kopf schwirren – ich erlebe dies jedoch auch bei jüngeren Angestellten, die mit ihrer beruflichen Situation unzufrieden sind. Sie verlieren das Gespür für sich selbst, ihre Stärken und ihre Wirksamkeit. Alle Erfahrungen, die sie in den letzten Jahren gesammelt haben sowie sämtliche Ausbildungen und Studienabschlüsse sind plötzlich in ihrer Wahrnehmung nichts mehr wert.

👉 Passivität und Opfer-Haltung

Alles dies führt dazu, in eine dermaßen passive Rolle zu verfallen, dass jegliche Veränderung aus eigenem Antrieb nahezu unmöglich erscheint. Wenn Sie selbst gerade nicht in dieser Situation stecken, so kennen Sie bestimmt Freunde oder Bekannte, bei denen Sie sich wundern, warum sie nicht längst aus dem Quark gekommen sind. Die Strategie „Abwarten und auf die erlösende Rettung hoffen“ ist für sie zur einzig realistischen Alternative geworden, denn das Bewusstsein für die Möglichkeit, selbst etwas an der eigenen Situation zu verändern, existiert in ihren Köpfen nicht mehr.

23 jahre gleiche arbeit ist das wie gelernt

Tschüss Langeweile im Job: So entkommen Sie der Boreout-Falle

Was können Sie als chronisch in Ihrem Beruf Gelangweilte/r tun, um an Ihrer Situation etwas zu verändern? Hier habe ich für Sie einige Fragen und Handlungsimpulse zusammengestellt, die sich in den Karriere-Coachings mit meinen Klienten als nützlich erwiesen haben:

❓ Was raubt und was gibt Ihnen täglich Energie?

Manchmal unterscheidet sich die ebenfalls zur Routine gewordene Wahrnehmung von der Realität. Schaffen Sie ein eigenes Bewusstsein dafür, was Sie am Tag (nicht) getan haben. Analysieren Sie, woher Aufgaben gekommen sind und wie Sie sie erledigt haben. Was hat Ihnen an diesem Tag Kraft gegeben und was hat besonders viel Energie geraubt? Hätten Sie gerne stattdessen etwas anderes getan und wer hat Sie daran gehindert? Gibt es etwas, das Sie heute selbst unternommen haben, um nach interessanten Tätigkeiten Ausschau zu halten? Erstellen Sie jeden Tag Ihr persönliches Energie-Tagebuch und probieren Sie, sukzessive mehr von dem zu tun, was Ihnen Kraft gibt. Es geht hierbei (noch) nicht darum, dass Sie sich im Job neu erfinden, sondern zunächst wieder zu alter Stärke zurück zu finden, um die nächsten Schritte überhaupt konsequent gehen zu können.

❓ Lohnt sich eine Veränderung für Sie?

Veränderung benötigt innere Motivation. Was können Sie ganz konkret gewinnen, wenn Sie etwas an Ihrer momentanen Situation verändern? Was versprechen Sie sich davon, etwa das Gespräch mit dem Chef oder Ihren Kollegen zu suchen, den Job zu wechseln, sich beruflich neu zu orientieren oder im Privaten etwas zu verändern? Jede Veränderung bedeutet die Aufgabe von etwas Altem. Sind Sie selbst bereit hierfür und was erhoffen Sie sich, im Ausgleich für die heutige Langeweile im Job zu gewinnen? Versuchen Sie so, sich bewusst weniger auf die Vergangenheit und das belastende Heute zu fokussieren, sondern nehmen Sie eine Haltung ein, in der Sie neugierig in die Zukunft blicken.

❓ Hat die Langeweile womöglich auch etwas Gutes?

Vermutlich kommt Ihnen diese Frage recht absurd vor. Doch wer ständig unter Strom steht, hat keinen freien Kopf. Für Kreative, Entwickler und Denker kann ein bestimmtes Maß an Routine im Job auch gut sein. Zeit, um das Oberstübchen zu entspannen, die Gedanken schweifen zu lassen, den Blick zu weiten und so neue Ideen zu entwickeln. Viele großartige Erfindungen sind aus Routine entstanden. Machen Sie sich bewusst, ob die als Langeweile empfundenen Zeiten für Ihre Aufgaben vielleicht auch nützlich sein können. Womöglich hat Ihre Langeweile im Job auch noch etwas anderes Gutes, das Sie bisher so nicht gesehen haben?

✅ Entdecken Sie den Wert Ihrer Stärken & Erfahrungen neu

Dies ist der wohl schwierigste, aber wie ich finde auch wichtigste Schritt. Sie müssen es raus aus diesem „Ich kann ja nichts!“ und „Ich bin nichts wert!“ Gefühl schaffen. Schauen Sie zurück auf Ihre Ausbildungen, die letzten Stellen und auch den aktuellen Job. Blicken Sie auch auf Ihr Privatleben. Welche Aufgaben oder Tätigkeiten fallen Ihnen leicht, machen Freude und geben Ihnen etwas? Werfen Sie den Blick für diese Fragen nicht nur auf Ihren aktuellen Job, sondern betrachten Sie sich als Menschen. Gibt es etwas, auf das Sie stolz sind? Was sagen Sie, haben Sie in den letzten Jahren auch erreicht? Ich bin mir sicher, da fällt Ihnen etwas ein ;-)

✅ Übernehmen Sie Selbstverantwortung und treffen Sie Entscheidungen

Im Gegensatz zum Burnout macht Ihr Körper Ihnen den Handlungsdruck bei Langeweile nicht ganz so deutlich bewusst bzw. es dauert länger, bis uns zu viel Routine oder Unterforderung spürbar krank macht. Was bei Überforderung zu Beginn als Erfolg und Entwicklung noch positiv stimmt, fühlt sich bei Unterforderung als Entspannung in der Komfortzone an. Umso schwieriger fällt es Betroffenen, aktiv diesen zunächst auch angenehmen Zustand zu beenden. Sie werden jedoch aus eigenen Stücken die Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen müssen. Entscheiden muss nicht bedeuten, sofort den Job hinzuschmeißen und etwas vollkommen anderes zu machen. Warten Sie nicht darauf, dass Ihr Chef endlich erkennt, was Ihnen fehlt und hoffen Sie auch nicht darauf, dass Ihre Kollegen Sie irgendwann retten werden. Es geht um Ihre Verantwortung für sich selbst und damit die Motivation, Ihr Leben wieder aktiv in die Hand zu nehmen.

✅ Reaktivieren Sie Ihre Kontakte zu anderen Menschen

Mit dem Büro-Schlaf schlafen regelmäßig auch die sozialen Beziehungen ein. Der Kontakt zu den Kolleginnen und Kollegen wird immer oberflächlicher, denn wer möchte schon auffliegen oder qualvoll miterleben, was die lieben Kollegen alles zu tun haben? Und außerdem, wer zu oft durch die Flure wandelt, der könnte ja gleich das Mir-ist-langweilig-Schild umhängen. Je mehr Sie den Kontakt zu Ihren Kollegen verlieren und sich in Ihr Schneckenhaus zurückziehen, desto mehr rutschen Sie in die Passivität und desto geringer ist auch die Chance, in Arbeitsprozesse integriert zu werden. Gehen Sie wieder bewusst auf Ihre Kolleginnen und Kollegen zu und bieten Sie ihnen auch Ihre Unterstützung an. Womöglich gibt es ebenso außerhalb des Jobs Menschen, die Sie in den letzten Monaten oder Jahren aus den Augen verloren haben, die Ihnen jetzt in dieser Situation guttun können?

✅ Suchen Sie nach interessanten neuen Aufgaben

Die meisten Gelangweilten sagen mir „Es gibt einfach nicht mehr Arbeit dort!“ Analysieren wir dann gemeinsam ihre Tätigkeiten und das Arbeitsumfeld, so zeigen sich häufig etliche spannende Möglichkeiten. Begeben Sie sich auf die Pirsch! Halten Sie Augen und Ohren offen und suchen Sie nach Chancen, interessante Aufgaben oder Projekte zu übernehmen. Jobs sind nie in Stein gemeißelt! Wenn Sie eine Erweiterung Ihres Aufgabenspektrums als sinnvoll ansehen, dann machen Sie Ihrer Chefin oder Ihrem Chef diesen Vorschlag. Suchen Sie Antworten auf die Fragen „Was fehlt uns hier noch?“ oder „Es wäre gut, wenn wir als Unternehmen mehr … hätten oder mehr von … täten.“ Setzen Sie die mit der Zeit angewachsenen Scheuklappen ab und entdecken Sie Ihre Arbeit neu. Als Angestellte/r besitzen Sie viel mehr an Gestaltungsspielraum, als Sie denken.

✅ Beleben Sie auch Ihr Privatleben wieder neu

Meist schläft mit dem Job auch das Privatleben ein. Die Passivität im Büro überträgt sich auf die Familie und Freunde. Vor lauter Erschöpfung und Frust vom Nichtstun fehlt die Kraft für Schönes im Privaten. Versuchen Sie, an beiden Fronten wieder aktiver zu werden: Stellen Sie sich auch im Privatleben die Frage „Was wollte ich immer schonmal machen und was hindert mich eigentlich daran, es genau jetzt zu tun?“ – Zeit genug haben Sie ja schließlich dafür, oder? ;-)

✅  Suchen Sie das Gespräch mit Ihrer Führungskraft

Weiß und sieht Ihr Chef, dass Sie unzufrieden im Job sind? Wenn er oder sie nicht zu den bewusst Bunkernden und ebenso Boreout Gefährdeten gehört und Sie damit absichtlich kurz hält, dann kann ein klärendes Gespräch zielführend sein. Vielleicht denkt Ihr Chef auch, dass er Ihnen nicht zu viel zumuten kann und der Grund für Ihre Langeweile ist am Ende nur ein großes Missverständnis? Vielleicht ist sie oder er auch selbst so sehr in den eigenen Themen verhaftet, dass der Blick ins Team versperrt ist. Sofern Sie die Entscheidung getroffen haben, an Ihrer belastenden Situation aktiv etwas zu verändern, gehört hierzu unbedingt auch Klarheit in der Chef-Mitarbeiter-Beziehung.


Nein, wir müssen uns nicht alle selbstverwirklichen (NWX-Magazin)


Interne Veränderung, Jobwechsel oder Auszeit?

Unser Leben ist zu wertvoll, um chronische Langeweile im Job und dauerhafte Unterforderung auszuhalten. Ich finde es in den Coaching immer wieder erschreckend, in welch kurzer Zeit dies bereits etwas mit den Menschen in Organisationen macht. Es geht mir nicht um Phasen mit zu wenig Arbeit, mal ein paar Tage nichts zu tun oder jeden Freitag Flaute. Nein, es sind Monate und für manche meiner Klientinnen und Klienten mitunter auch bereits Jahre, die sie unterfordert – und meist sehr gut bezahlt – aushalten. Als Chef/in Ihres eigenen Lebens haben Sie drei Handlungsoptionen, um an dieser Situation etwas zu verändern:

Option 1: Veränderung innerhalb des Unternehmens

Sofern für Sie nicht eh schon klar ist, dass Sie diesen Arbeitgeber verlassen müssen, lohnt es sich, über eine interne Veränderung nachzudenken. Wird sich Ihr momentaner Arbeitsbereich oder das Team in den nächsten Monaten verändern und – größer gedacht – vor welchen Herausforderungen steht auch Ihr Arbeitgeber als Organisation aktuell? Gibt es andere Teams oder Bereiche, in denen Ihr Fach- und Erfahrungswissen einen Wert haben und Sie wieder stärker gefordert (und gefördert) werden? Was wäre für Sie in diesem Unternehmen ein konsequenter nächster Karriere-Schritt – und was ist hierfür erforderlich? Verändert es etwas an Ihrer Situation, wenn Sie innerhalb des Unternehmens wechseln?

Schauen Sie nach intern ausgeschriebenen Stellen und sprechen Sie auch mit Kollegen oder Führungskräften anderer Bereiche. Entscheiden Sie für sich, wie offen Sie mit wem über Ihre Veränderungsgedanken sprechen. Machen Sie sich  bewusst, was die Vor- und Nachteile eines internen Wechsels im Vergleich zu einer Kündigung und dem Wechsel zu einem neuen Arbeitgeber sind.

Option 2: Kündigung und Jobwechsel

Für viele Klienten, die zu mir kommen, kristallisiert sich im Laufe des Coachings heraus, den aktuellen Arbeitgeber verlassen und gezielt etwas Neues suchen zu wollen. Zu groß sind der Frust und die schlechten Erinnerungen, die mit diesem Job und dem Arbeitgeber verbunden sind. Häufig sind es auch nicht die Aufgaben in einer Position, sondern die Organisation als Gesamtsystem, in der sie keine Zukunft mehr für sich sehen.

Ist die Entscheidung für den Wechsel getroffen, geht es um die nächsten sinnvollen Karriereschritte und Antworten auf die Fragen: Was ist ein guter Kündigungszeitpunkt? Was ist für Sie in Zukunft besonders wichtig im Beruf und welcher Arbeitgeber bietet Ihnen ein gutes Umfeld für Entwicklung? Welche Positionen passen, wie verläuft die Jobsuche und welche Bewerbungsstrategie ist besonders Erfolg versprechend? I

ch sehe im Karriere-Coaching, dass sich viele der in ihren Jobs Gelangweilten schwer damit tun, den eigenen Blick in die Zukunft zu richten – geschweige denn im Bewerbungsprozess Stärke und Wechselmotivation zu zeigen. Daher kann auch Option 3 eine gute Wahl sein und am Ende sogar besser und schneller zum erfüllend neuen Job führen:

Option 3: Persönliche Auszeit und Jobwechsel später

Manchmal ist es eine Auszeit von einigen Wochen oder gar Monaten, die sich Langeweile-Gefrustete bewusst gönnen. Wie bei der Überforderung kann es hilfreich sein, vor dem nächsten beruflichen Schritt wieder neue Kraft zu tanken und sich zu sammeln – schließlich kostet ein Bewerbungsprozess auch enorm viel Kraft. Denken Sie jetzt weniger über Lebenslauf-Hygiene nach, sondern erlauben Sie sich, den Weg zu gehen, von dem Sie glauben, dass er Ihnen jetzt guttut und Sie einen Schritt weiter bringen wird.

Manche meiner Klientinnen und Klienten entscheiden sich für die Kündigung und eine Zeit zum bewussten Aufladen ihrer Akkus, anderen ist es wichtig, möglichst schnell Job-Alternativen zu entdecken und im Beruf endlich wieder gefordert zu werden. Was tut Ihnen gut, um wieder mehr Erfüllung, Freude und Sinn im Beruf und Leben zu empfinden?

Ich wünsche Ihnen viel Erfolg auf dem Weg aus der Langeweile heraus und hinein in einen Job, in dem Sie mit Ihren Stärken und Erfahrungen wieder richtige wirksam sein können.

Ihr & Euer

Bernd Slaghuis

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Kennen Sie Kollegen oder Freunde, die die Langeweile in ihrem Beruf belastet? Oder sind Sie selbst betroffen und würden gerne etwas verändern? Teilen Sie Ihre Erfahrungen gerne unten als Kommentar.

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(Titelbild: 123rf.com #161718048 andreypopov)


Dieser Artikel ist eine aktualisierte und erweiterte Version eines Beitrags aus 2015.