Der hat schon einmal gelebt wer früher stirbt ist länger

Reisen ins Landesinnere (1988)

Matthias Von Gunten

Schweiz

99′

Szenen aus dem Alltag von sechs Personen, einfühlsam beobachtet, raffiniert montiert und jetzt endlich in restaurierter Fassung wieder zu entdecken. Der Filmemacher Matthias von Gunten war in den 1980er Jahren nach einem längeren Auslandaufenthalt in seine Schweizer Heimat zurückgekehrt und hatte sich vorgenommen, das Land gewissermassen von aussen nach innen zu erforschen. «Reisen ins Landesinnere» hat er den Film betitelt, der aus dem Wunsch heraus entstanden ist, und der so schön aussagekräftige Titel steht voll und ganz für seinen Film. Die Reise zurück als Triebfeder ist in eine Reise hinein gemündet, in eine stille Betrachtung von dem, was ist, von dem, was einzelne Leute bewegt, und von dem, was sie stillhält. Von Gunten hat sich auf sechs BewohnerInnen beschränkt, damals war das ein Millionstel Schweiz. Die sechs Menschen hat er aber mit solchem Geschick ausgewählt, dass sie für vieles stehen, was die Schweiz da ausgemacht hat und noch immer ausmacht. Durch die ausgetüftelte Montage, die der Filmemacher in zehnmonatiger Arbeit mit Cutter Bernhard Lehner bewältigte, ergibt sich aus den sechs Personenfäden ein Netz. Die Reise ins Innere vollzieht der Film selber in einer konstanten Suche nach Bewegung und Ruhe. Von Gunten und sein Kameramann Pio Corradi betrachten die sechs Personen von allem Anfang an aus betonter Nähe, und weil sie ihnen in Beschäftigungen vertieft zuschauen, wirkt das nie aufdringlich, kommt eine teilhabende Nähe zustande, die besticht. Im Kleinen blüht, was wirken soll ... da ist der Grenzgänger Giovanni Simonetto, der als Italiener in Melide mit Hingabe am Miniatur-Erscheinungsbild der Schweiz bastelt und mauert, ab einem Bild, das Schweizer Fremden später stolz präsentieren. Da ist Hans Stierli, der aus der Stadt abgehauene Couturier, der im Onsernonetal an einem Reservoir für seinen Rückzugsort mauert, um etwas anzufangen mit der vielen Zeit, die sich ihm in der Abgeschiedenheit aufdrängt. Weit entfernt von ihm sitzt Catherine Schenker im Zürcher Fernsehstudio und versucht, aus der Bilderflut, die täglich an der weltweiten Bilderbörse angeboten wird, jene Bilder auszuwählen, die ein bisschen weite Welt in die Schweizer Stuben bringen. Es sind Bilder von Tragödien vor allem, das steigert das eigene Wohlbefinden, die Selbstzufriedenheit. Die Weite möchte wohl auch der Freizeit-Flugzeug-Spotter Hanspeter Sigrist spüren, der den Drang nach Ferne indirekt in Griff zu bekommen versucht indem er die landenden Flugzeuge nach Herkunft zuordnen kann - in Zeiten der Flugscham muss man anmerken, ist das fast schon vorbildlich, denn fliegen muss der Spotter nicht. Er wollte «teilhaben an der Zeit» von seinen Personen, sagte Matthias von Gunten beim Erscheinen seines Films. Die Zeit scheint bei Fräulein Bertha Massmünster aus Münchenstein fast stillzustehen. Die alte Frau hat sich eingerichtet im Leben, bis ins letzte Detail, bis zur letzten Falte der Bettdecke hat alles seinen festen Platz und seine Richtigkeit. In der Montage, die sich von Person zu Person bewegt, hin und her, die verweilen lässt, Akzente setzt, mal etwas beschleunigt, dann wieder ruht, begegnen sich im Fluss des Films sechs Personen, die eigentlich gar nichts miteinander zu tun haben, ausser dass sie zur selben Zeit in derselben Geografie leben. Und irgendwie scheinen alle gemeinsam einsam. Das Leben der Vereinzelung, wo jeder und jede eigenen Beflissenheiten nacheifert und wo man sich mit grossem Aufwand aufs Ausleben im Bunker vorbereitet, dem Ort, der zuinnerst drin scheint, im Landesinnern. Ist es möglich, dass der Dran nach Innen inzwischen noch zugenommen hat? © Walter Ruggle

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Schätzungen gehen von rund 100 Milliarden Menschen aus

Genau weiß man das nicht, aber Schätzungen gehen von 90 bis 110 Milliarden Menschen aus. Mitunter stößt man auf das Gerücht, dass wegen der Bevölkerungsexplosion mehr als die Hälfte aller Menschen, die jemals gelebt haben, heute leben. Das stimmt so aber nicht. Wenn man davon ausgeht, dass ungefähr 100 Milliarden Menschen bisher gelebt haben, dann sind die 7 Milliarden heute 7 Prozent davon.

Geeigneter Startpunkt für die Zählung: vor 50.000 oder 6 Millionen Jahren?

Wann aber fängt man an zu zählen bzw. setzt den Beginn der Menschheit an? Rechnen wir z.B. ab dem Zeitpunkt, wo sich die Evolution von Mensch und Affe entwickelt hat? Oder erst später, in dem Stadium, in dem die Forscher von der Gattung Homo sprechen? Oder erst beim modernen Homo sapiens? Je nachdem redet man über die letzten 6 Millionen Jahre oder nur über die letzten 50.000 Jahre. Da die Evolution ein kontinuierlicher Prozess ist, ist jeder Zeitpunkt, an dem man den Beginn der Menschheit ansetzt, willkürlich gesetzt.

Das Interessante ist: Dadurch, dass damals nur sehr wenige menschliche Wesen die Erde bevölkert haben, spielt das in der Gesamtbetrachtung keine allzu große Rolle. Natürlich wären es im einen Fall ein paar Milliarden mehr als im anderen, aber da wir über etwa 100 Milliarden reden, und selbst diese Schätzung sehr grob ist, macht das in der Größenordnung keinen Unterschied.

Beginn der Landwirtschaft löst erstes großes Bevölkerungswachstum aus

Entscheidend sind vor allem die letzten 10.000 Jahre – nämlich die Zeit nach dem Beginn der Landwirtschaft. Denn die hat zum ersten Mal ein großes Bevölkerungswachstum ausgelöst. Damals lebten um die 5 Millionen Menschen – heute sind es mehr als tausendmal so viele. Das macht deutlich: Die allermeisten Menschen, die jemals gelebt haben, haben in den letzten 10.000 Jahren gelebt.

Wie kann man die Zahlen von früher überhaupt ermitteln?

Grundlage der Berechnungen sind vor allem die Zahlen, die zur Verfügung stehen – bereits im Altertum gab es ja schon Volkszählungen; die Bibel berichtet davon. – Und dann rechnet man zurück.

Wir wissen, dass heute auf der Erde über sieben Milliarden Menschen leben. Vor 100 Jahren waren es noch keine zwei Milliarden. Bevölkerungswissenschaftler können ungefähr ermitteln, wie groß jeweils das Bevölkerungswachstum war, wie schnell sich die Generationen fortgepflanzt haben, aber sie kennen auch die großen Einbrüche – wie in den Zeiten der Pest – als die Bevölkerungszahlen vorübergehend dramatisch geschrumpft sind. Und so kann man abschätzen, dass in der Zeit von Christi Geburt etwa 300 Millionen Menschen lebten.

Wenn man diese Zahlen zusammenrechnet, kommt man auf rund 100 Milliarden Menschen. Richtig ist: Heute leben mehr Menschen auf der Erde als jemals zu einem früheren Zeitpunkt.

Generationszeit verändert sich

Wenn man nur auf die nackten Zahlen guckt, muss man trotzdem sagen: Der „Umsatz“ an Menschen war früher viel höher. Die Lebenserwartung war kürzer, damit auch die Dauer einer Generation. Die Frauen haben früher Kinder bekommen, sie haben mehr Kinder zur Welt gebracht – schon allein deshalb, weil die Kindersterblichkeit sehr hoch war. Aber all diese früh verstorbenen Kinder muss man ja auch mitzählen, wenn man bestimmen will, wie viele Menschen jemals geboren worden sind. Deshalb fallen auch frühere Jahrtausende ins Gewicht und nicht erst die letzten 200 Jahre, in der die Weltbevölkerung von einer Milliarde auf sieben Milliarden Menschen angewachsen ist.