Fremde Menschen verlieben sich innerhalb von 45 Minuten, wenn sie einander diese 36 Fragen beantworten. Ein Experiment aus den 80ern – in Zeiten des Internet-Datings besonders interessant, sagt eine Basler Paar-Therapeutin. Eine Frage beschäftigt viele Menschen: Wie verliebt man sich eigentlich? Ein Experiment soll dabei Abhilfe schaffen. Die Idee ist: Zwei Menschen sitzen sich gegenüber. Sie lesen sich abwechselnd eine Frage vor. Sie beantworten diese erst selbst, dann übergeben sie dem gegenüber das Wort. Insgesamt stellen sie sich 36 Fragen, einplanen sollen sie dafür 45 Minuten. Sind die beiden sich bis dato auch völlig fremd, sie verlieben sich ineinander. Das besagt die Studie «Die experimentelle Erzeugung zwischenmenschlicher Nähe», Link öffnet in einem neuen Fensterim Browser öffnen des US-amerikanischen Psychologen Arthur Arons aus den 1980er-Jahren. Oder genauer gesagt: Der Fragebogen soll zumindest dazu führen, dass schnell eine intensive Beziehung hergestellt werden kann, die Gefühle von Verliebtheit hervorrufen kann. Legende: Judith Oehler ist Paar-Therapeutin in Basel. ZVG SRF: Haben Sie den Fragebogen selbst ausprobiert? Judith Oehler: Nein, das Risiko sich zu verlieben scheint ja gross zu sein. Dafür hätte ich gerade keine Kapazitäten. (lacht) Dann sprechen Sie den 36 Fragen eine grosse Wirkung zu? Die Fragen sind intim, sie sind persönlich. Sie sind ein Mittel, Nähe zu schaffen. Wir öffnen uns und dadurch entsteht Intimität: Ich weiss etwas vom anderen, das vielleicht niemand anders weiss. Ich habe etwas gespürt, ich habe etwas gesehen von ihm, was er sonst in der Öffentlichkeit oder in freundschaftlichen Beziehungen aussen vor lässt. Diese Intimität kann dann allenfalls in Verliebtheit münden. Das heisst, man kann damit den Prozess des sich Verliebens beschleunigen? Da würde ich diesen Fragen dann doch nicht so viel Bedeutung beimessen. Man kann auf jede Frage eine Antwort geben, ohne sich zu öffnen. Dann passiert wahrscheinlich auch nicht so viel. Und wenn ich aber die Bereitschaft habe, mich zu öffnen, dann hätte ich die wohl auch ohne diese Fragen.
Im Internet lernen sich viele Menschen über ein Spiel aus Fragen und Antworten kennen. Ist das vergleichbar mit diesem Fragebogen? Auch im Internet geben Menschen auch Dinge preis, die sie sonst eher zurückhalten würden – aus Scham. Das Gegenüber sieht nicht, wie lange wir nachdenken, ob wir erröten, keine Gestik. Da kann es sein, dass man sich mehr öffnet. Das ist vergleichbar mit dem Fragebogen. Aber wenn sich die beiden Menschen, die sich übers Internet kennengelernt haben, treffen, dann passiert vielleicht etwas, das nicht zu ihrer Vorstellung des anderen passt. Bei dem Fragebogen haben die Menschen eine direktere Rückmeldung.
Nach den 36 Fragen sollen sich die beiden Menschen vier Minuten lang in die Augen schauen. Denken Sie, das ist entscheidend? Haben sie mal jemandem vier Minuten in die Augen geschaut? Versuchen sie es mal. Vier Minuten, das ist sehr lange. Normalerweise schauen wir weg, sobald es uns zu nahe wird. Verliebte gucken sich aber endlos lang an. Dieser Blick scheint uns etwas sehen oder spüren zu lassen, was eine grosse Nähe bewirkt – auch auf der physischen Ebene. Der physische Aspekt der Liebe und Sexualität sind in dem Fragebogen kein Thema. Warum? Hier geht es um die Persönlichkeit, darum, wer man ist. Aber ja, der Zugang über die Sexualität – über sexuelle Wünsche und Fantasien – könnte ebenso funktionieren. Der FragebogenTeil 1
Teil 2
Teil 3
«Filosofix» zum Thema Liebe
Das Gespräch führte Nadja Röll. Sendung: Radio SRF 2, Kultur kompakt, 14.02.2017, 17.22 Uhr. |