Was bedeuten die gelben punkte beim kitaportal

Science Slam

Moderation Johannes Büchs: Der erste Science Slammer ist Theo Koppe. Theo Koppe studierte von 2016 bis 2020 an der Universität Leipzig und am Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie. Er arbeitet gerade in den letzten Zügen an der Doktorarbeit. Ich glaube, sie soll dieses Jahr noch fertig werden. Und mittlerweile ist es so, dass er schon einen Job angefangen hat. Nämlich seit Juli arbeitet er im Familienministerium und seine Forschung geht um das Thema prosoziales Verhalten von Kindern. Also die Frage: Wie verhalten sich Kinder? Wann helfen sie?  Teilen sie? Und ich möchte Sie jetzt herzlich dazu auffordern, einen digitalen imaginären Applaus für Theo Koppe zu geben. Lieber Theo, the stage is yours.

Theo Toppe: Ja, hallo guten Morgen. Ich bin Theo Toppe. Kein Problem. Ja, genau. Wie gesagt, ich arbeite seit Juli am Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Und es ist so, das möchte ich am Anfang einmal klarstellen, die Forschung, die ich präsentiere und die ich gemacht habe, die ist unabhängig von meiner Anstellung jetzt. Und ich glaube auch ehrlich gesagt, dass keiner meiner Kolleginnen und Kollegen jemals eine Studie von mir gelesen hat im Bundesministerium.

Genau in meiner Forschung, da hab ich mich mit Spielen beschäftigt, zum Beispiel Menschärgere dich nicht. Also Brettspiele, Gesellschaftsspiele, alles, was irgendwie Regeln hat. Und das ist schon irgendwie komisch, weil wir Menschen, wir sind eigentlich die einzige Spezies auf diesem Planeten, die Spielespielt. Kein anderes Tier bastelt irgendwie so Spielfiguren, nimmt ein Würfel, denkt sich Regeln aus und hat dann irgendwie auch noch Spaß dabei. Das machen nur Menschen. Das ist schon mal komisch erst einmal. Und das andere ist, wir spielen Spiele auf ganz unterschiedliche Art und Weise auf dieser Welt. Sie kennen Mensch ärgere dich nicht wahrscheinlich so, dass jeder gegen jeden spielt und am Ende gibt es eine Gewinnerin und einen Gewinner. Und es gibt das Spiel aber auch ganz anders, zum Beispiel in Südkorea.

Und da heißt das Yutnori. Und bei Yutnori spielen immer zwei Gruppen gegeneinander. Aber eigentlich ist dieses gegeneinander spielen gar nicht so wichtig, sondern man spiel das vor allem an Feiertagen. Und es geht so darum, als Gruppe gemeinschaftlich zusammenzukommen, obwohl das Spiel eben an sich von den Regeln ganz, ganz ähnlich ist. Und es gibt das Spiel auch in Uganda. Da heißt es Ludo. Und ich war vor zwei Jahren in Uganda und habe diese Männer da das Spiel spielen sehen und dachte ja super, da kann ich jetzt mal mitmachen, kann ich ein Spiel spielen. Und ich habe eine Minute zugeguckt und ich habe nichts verstanden. Ich hatte keine Ahnung, wie dieses Spiel funktioniert. Einer würfelt alle anderen bewegen irgendwie ihre Figuren. Es war einfach nicht ganz klar, wie das irgendwie läuft und ich hab dann im Nachhinein erst erfahren, wie es funktioniert. Und zwar, wenn eine Person
würfelt, darf die, die gegenübersitzt, auch ihre Spielfiguren mit bewegen. Man muss dann so ein bisschen aushandeln, wie man diese Augenzahl aufteilt. Also es ist schon ein gegeneinander spielen, aber irgendwie sitzt man dann doch im gleichen Boot.

Und die Frage ist: Warum ist das alles so? Warum spielen Menschen Spiele und ist das irgendwie alles nur Zufall, dass wir unterschiedlich spielen?

Und wir an der Uni Leipzig haben gedacht: Nein, das ist eigentlich kein Zufall. Da gibt es irgendwie ein System dahinter. Und wir glauben, dass Spiele unser kulturelles Gedächtnis sind, also dass durch Spiele kulturelle Werte über Generationen hinweg weitergetragen werden.

Das klingt super abstrakt. Ich mache mal ein ganz konkretes Beispiel. Wir nehmen jetzt einfach mal irgendeine amerikanische Familie. Und diese amerikanische Familie, die hat bestimmte Werte. Die denken, man muss sich gegenseitig behaupten, man muss sich durchsetzen, man sollte wenig teilen. Und diese Werte wollen sie natürlich ihren Kindern weitergeben, damit die dann kompetent in der Gesellschaft ankommen. Und wie machen die Eltern das? Na klar, die geben dem Kind Spiele, die gegeneinander gespielt werden. So kann das Kind nämlich schon sehr früh lernen, dass es sich behaupten muss und wenig teilen sollte. Wenn es dann erwachsen ist, kann es diese Kompetenzen anwenden.

Jetzt nehmen wir mal eine andere Familie. Diese Familie, die wohnt im Norden Namibias, in einer ehemaligen Jäger-Sammler-Kultur. Bei den Haikom. Und bei den Haikom ist es so, dass die Gemeinschaft im Mittelpunkt steht. Da wird geteilt, ohne dass groß gefragt wird. Und es ist auch nicht so cool, wenn man sich über andere drüber stellt, sondern man soll nicht so angeben, sondern man soll eher bescheiden, sich irgendwie gleich mit allen orientieren. Und spannend ist, in diesem kulturellen Kontext gibt es kein Wort für gegeneinander. Wenn die Fußball spielen, muss es am Ende unentschieden ausgehen. Es gibt kein Gegeneinander und diese Werte wollen sie natürlich auch ihren Kindern weitervermitteln.

Und wie machen sie das? Mit anderen Spielen und zwar mit kooperativen Spielen.

Also Spiele, in denen alle Spielerinnen und Spieler in einem Boot sitzen und gemeinsam gewinnen und verlieren. Und wenn unsere Theorie jetzt irgendwie stimmt, dann müssten wir eigentlich beobachten, dass Kinder sich anders verhalten, wenn sie miteinander und gegeneinander spielen und dass das irgendwie Konsequenzen hat auf deren prosozialen Verhalten.

Und wir haben das untersucht in der Studie. Und zwar haben wir geguckt, wie sich dieses miteinander und gegeneinander spielen auf das Teilen von Kindern auswirkt. Mit der Idee, dass Kinder mehr teilen, wenn sie miteinander spielen als gegeneinander. Und für diese Studie haben wir ein Spiel entwickelt mit einer Spieledesignerin. Und dieses Spiel, sehen Sie da. Und es war so in der Studie. Es kamen immer zwei Kinder ins Labor und die Kinder kannten sich gar nicht. Und die waren immer so zwischen vier und sechs Jahren alt. Und dann haben wir ihnen dieses Spiel gegeben und die konnten das gegeneinander spielen.

Und da ging das so, dass die das an den Seilen festgehalten haben, also einer an den roten und einer an den blauen. Und dann sollte einer die Murmel in das blaue Loch balancieren und die andere in das rote. Und wer das schafft, bekommt ein Punkt und dann wird am Ende ausgezählt und es gibt eine Gewinnerin.

Man kann das Ganze aber auch kooperativ spielen und das ist so, dass dann eine rote Murmel zum Beispiel in die Mitte gelegt wird und dann beide Spielerinnen gemeinsam die rote Murmel in das rote Loch balancieren müssen. Und es klingt jetzt erst mal trivial, aber für einen Experimental-Psychologen ist es einfach unglaublich toll, wenn man das gleiche Spiel hat und man das auf ganz unterschiedliche Arten spielen kann, weil es so richtig experimentell kontrolliert ist.

Und Sie denken jetzt wahrscheinlich - na ja, irgendwie rote Murmel da rein balancieren - das macht alles keinen Unterschied.

Ich habe mal ein Video mitgebracht von zwei Kindern, die das gegeneinander spielen. Ja ich habe gewonnen. Wir sehen das Wort "ich" kommt sehr häufig. Und es ist aus meiner Sicht irgendwie eine sehr angespannte Stimmung zwischen den Beiden.

Und mal zum Vergleich zwei Kinder, die das miteinander spielen. Genau. Wir haben gewonnen. Wir sehen das Wort "wir" kommt sehr häufig und da ist einfach eine ganz andere Grundstimmung. Und unsere Idee ist, dass Kinder, wenn sie diese Spiele spielen, den Kontext irgendwie aufnehmen und das ist dann ihr Teilverhalten beeinflusst und dass sie eben mehr teilen, wenn sie miteinander spielen als gegeneinander.

Und die Frage ist: Wie kann man eigentlich messen, wie Kinder teilen? Da gibt es ein Verfahren und es sieht so aus: Bei dem Verfahren ist es so, man gibt Kindern eine sehr, sehr wertvolle Ressource und zwar Sticker. Wir haben Kindern zehn Sticker gegeben und diese Sticker konnten sie aufteilen zwischen sich und einem anderen Kind. Und das konnten sie, das sehen Sie auf dem Bildschirm, in den Umschlägen aufteilen.

Und den Kindern wird gesagt, sie können es einfach machen, die Sticker in die Umschläge tun und das können sie einem Kind geben, das morgen in das Labor kommt und die dann abholt. Und wichtig ist hierbei, wir haben A den Kindern nicht zugeguckt und B das Kind ist nicht die Mitspielerin oder der Mitspieler, sondern ein fremdes Kind. Und dadurch wollten wir die allgemeine Bereitschaft zum Teilen messen.

Und was die Kinder nicht gemerkt haben, ist, dass während sie geteilt haben, einfach daneben direkt so eine Kamera war und einfach gefilmt hat, wie viele Sticker sie abgegeben haben. Und wir konnten dann zählen, wie viele Sticker die Kinder abgegeben haben. Und die Ergebnisse sehen Sie hier. Die y-Achse - das ist die, die von unten nach oben geht - die zeigt die Anzahl der geteilten Sticker. Und grün sind die Kinder, die miteinander gespielt haben vorher und rot gegeneinander.

Und was wir gefunden haben, ist genau das, was wir vermutet haben, nämlich dass Kinder mehr teilen, wenn sie miteinander gespielt haben im Vergleich zum gegeneinander spielen. Das heißt irgendwie ein bisschen was scheint an unserer Theorie dran zu sein. Und vielleicht sind Spiele unser kulturelles Gedächtnis. Aber wir dürfen eins nicht vergessen.

Wir haben diese Studie in Leipzig gemacht mit 100 Kindern und Leipziger Kinder sind unglaublich toll, aber die sind auch unglaublich unrepräsentativ für den Homo sapiens. Also wenn man Aussagen treffen möchte über die Menschheit an sich und wie wir uns entwickeln und was irgendwie in uns vorgeht und so weiter, dann müssen wir unsere Forschung in verschiedenen kulturellen Kontexten durchführen. Denn nur wenn wir Kultur mitberücksichtigen, können wir tatsächlich menschliche Entwicklung verstehen.

Und das ist auch der nächste Schritt bei diesen Studien, dass die eben in verschiedenen Kontexten durchgeführt werden.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

Moderation Johannes Büchs: Theo. Vielen, vielen Dank. Wir haben Fragen. Also tolles, ganz spannendes Forschungsprojekt. Ich kam gleich auf die Frage: Gibt es vielleicht Unterschiede zwischen Mädchen und Jungen was dieses Verhalten angeht? Habt ihr euch das auch angeschaut?

Theo Toppe: Also wir haben das, das deutete sich ja vielleicht in den Videos an, aber das war nicht so. Sondern wir haben keinen Unterschied zwischen Jungs und Mädchen gefunden. Die Effekte, also dieses auf das Teilen bezogene, war bei beiden Geschlechtern gleich.

Und wir hatten das auch nicht vermutet. Warum ich die Videos ausgewählt habe ist, dass Eltern Einwilligung geben müssen und nicht jedes Elternteil damit einverstanden ist, dass Videos gezeigt werden öffentlich. Deswegen vieles darauf und das ist eine exemplarische Darstellung, soll aber nichts über Geschlechtereffekte sagen.

Moderation Johannes Büchs: Ich dachte, wir haben ja heute noch einen Science Slam zu Hormonen und dann hat man vielleicht bei so Jungs ein bisschen mehr Testosteron und die vergleichen sich eher. Und aber da gab es keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern?

Theo Toppe: Nein. Also es ist mir auch, ich habe ja die Studien durchgeführt und es ist mir nicht aufgefallen. Also ich halte es auch für Quatsch zu sagen, Mädchen können nicht irgendwie kompetitiv sein oder so. Da wurden sich genauso, ich sage mal sehr harsche Worte an den Kopf geworfen und sich geärgert. Ich denke, dass es ganz normal ist, dass der Kontext da stärker ist.

Moderation Johannes Büchs: Wenn Sie sagen, ich habe auch noch eine
Frage - Benutzen Sie das Chatfenster und schreiben Sie Ihre Frage an alle. Dann leite ich die weiter an Theo Toppe. Theo, was ich mir auch überlegt habe: Du hast ja gezeigt, neun Punkte später, die haben sich gefreut, die Mädchen und dann wollten sie gleich die nächste Runde spielen. Bei dem Gegeneinander war es so, dass dann vielleicht die Ausdauer desjenigen, der verloren hat oder derjenige nicht mehr so groß war, dass man noch eine Runde spielen konnte?

Theo Toppe: Genau. Also wir haben in diesem experimentellen Design die Spielzeit kontrolliert. Also es waren immer exakt fünf Minuten und wenn halt eine Runde schneller ging, wurde halt noch eine gespielt. Aber was eine interessante Nebenbeobachtung war in diesem Experiment ist, dass Kinder beim Gegeneinander spielen auch tendenziell häufiger nicht mehr teilnehmen wollten, also irgendwann gesagt haben, ich möchte jetzt nicht mehr spielen. Und dann wird natürlich das Experiment sofort unterbrochen und das Kind kann zum Elternteil gehen. Und das war schon auch eine spannende Nebenbeobachtung, dass dieser Wettkampf schon auch eine sehr stressige Situation für Kinder ist. Es war ja auch ein sehr unmittelbarer Wettkampf, also ein Eins gegen Eins. Ich habe auch ganz wenig nur gesagt. Also da ist kein Erwachsener, der das irgendwie auffängt oder so. Genau deswegen kann es nicht an der Spieldauer liegen. Aber ja, das war eine interessante Nebenbeobachtung, die wir hatten.

Moderation Johannes Büchs: Es gibt jetzt auch Fragen von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern. Da gibt es zum Beispiel: "Wo ist die Studie veröffentlicht?"

Theo Toppe: Die Studie ist veröffentlicht in PLOS ONE. Das ist ein Open Access Journal. Das kann jeder sehen. Ich hatte unten glaube ich auch die Namen drin. Also Toppe, Hardecker, Haun 2019. Und wenn man glaube ich "Corporative Game" noch dazu eingibt, dann findet man es wahrscheinlich über Google sogar.

Moderation Johannes Büchs: Und das wird auch vorkommen in deiner Doktorarbeit denke ich, die ja dann bald veröffentlicht wird.

Theo Toppe: Ja, hoffentlich. Also die Verteidigung steht bald an.

Moderation Johannes Büchs: Sehr gut. Wir drücken die Daumen. Dann gibt es nochmal den Hinweis: "Aber ist Geschlecht nicht auch kulturell vermittelt?" Das ist schwierig zu beantworten, aber da gibt es sicher auch Einflüsse, richtig?

Theo Toppe: Ja klar. Also es ist vollkommen logisch, dass Geschlecht eine Sozialisation ist. Aber ich glaube, dass diese Situation, die wir in dem Experiment hatten, über das können wir ja Aussagen treffen jetzt erstmal, dass da der Kontext, also dieses Miteinander und Gegeneinander unglaublich stark war und dass man da quasi das letzte kooperative oder kompetitive Gefühl in den Kindern rauslocken konnte. Und das wollten wir ja auch.

Wir wollten diesen Kontext sehr bewusst stark machen und das dann wiederum die Geschlechtereffekte, die vielleicht da sind, nicht präsent waren. Also die haben wir nicht beobachtet. Also vielleicht sind sie auch da und wir haben sie nicht gefunden.

Moderation Johannes Büchs: Ja, aber das ist doch eine total spannende Beobachtung, dass die anscheinend dann im Hintergrund sind, weil sie nicht so einen starken Einfluss hatten. Du hast gesagt, ihr habt 100 Kinder untersucht. Immer in Zweiergruppen, das heißt 50 Spielrunden. Über welchen Zeitraum ging das denn?

Theo Toppe: Es ging sehr lange, weil es ging, glaube ich, ein halbes / dreiviertel Jahr. Weil natürlich steckt da eine wahnsinnige Organisation dahinter. Also Forschung mit Kindern ist nicht einfach mal so gemacht. Also da hängen natürlich Eltern mit dran, wenn die ins Labor kommen müssen, dann ist ein Kind krank, dann ist das eine Kind alleine im Labor, dann kann die Studie nicht stattfindet et cetera. Es gibt wahnsinnig viel Organisation dahinter. Und da haben wir in Leipzig wahnsinnig Glück. Wir haben da eine ganz, ganz tolle Infrastruktur, die wir nutzen können und ganz viele Eltern sind sehr motiviert teilzunehmen. Und wir kooperieren ja auch mit Kindertagesstätten, die auch immer aus meiner Sicht ein ganz hohes Interesse daran haben, da mitzumachen. Und genau, also es dauert schon eine Weile.

Moderation Johannes Büchs: Habt ihr einen Unterschied bei dem Alter festgestellt? In meiner Familie habe ich gemerkt, dass meine Kinder, wenn die relativ jung noch waren, dass sie da so ein Spiel mit Obstgarten - da spielt man gegen den Raben, alle zusammen gegen einen - das haben sie super hinbekommen. Aber wenn es dann im Gegeneinander war, ist auch dieses Verlierenlernen total schwierig, damit eben nicht sofort die Steine vom Tisch geworfen werden, "und jetzt spiele ich nicht mehr mit", wenn man eben einmal so eine negative Erfahrung gemacht hat oder mal verloren hat.

Theo Toppe: Also wir haben auch jetzt nicht ohne Grund uns vier- bis sechsjährige Kinder angeguckt. Das ist eine sehr, sehr spannende Altersphase was Kooperation und Wettkampf angeht, weil Kinder da wie so ein Verständnis auch aufbauen. Also wenn wir kooperieren, dann hab ich vielleicht auch Verpflichtungen einer anderen Person gegenüber und kann nicht einfach weggehen. Oder wenn wir im Wettkampf sind, dass es trotzdem Regeln gibt, an die wir uns erstmal alle halten. Also wie so ein Grundverständnis über den Wettkampf entwickelt sich in dieser Zeit und deswegen haben wir auch gedacht, vielleicht finden wir diese Effekte bei den jüngeren Kindern nicht, aber bei den älteren. Aber das war auch nicht der Fall, sondern wir haben das ab dem vierten Lebensjahr beobachtet. Aber es ist ja auch eine sehr enge Altersspanne. Also am liebsten hätten wir das auch noch mit Dreijährigen und Siebenjährigen und noch weiter gemacht. Klar, dann kann man auch noch ein bisschen mehr Aussagen treffen über Entwicklungsverläufe.

Moderation Johannes Büchs: Und wenn man es jetzt ganz genau nimmt, ist es aber doch auch ein Gegeneinander, wenn sie zusammen spielen, weil sie spielen ja gegen den Spielleiter oder demjenigen, der ihnen die Aufgabe gestellt hat.

Theo Toppe: Ja, das stimmt schon. Wobei man auch sagen muss, ich glaube nicht, dass die Kinder dachten, sie spielen gegen mich. Also ich habe mich sehr stark zurückgehalten. Das haben wir nicht gefragt, aber das war eigentlich selten oder eigentlich gar nicht, dass jemand dann mir gegenüber Wettkampfverhalten gezeigt hat.

Moderation Johannes Büchs: Es war dann eher eine abstrakte Aufgabe. Wir müssen das schaffen.

Theo Toppe: Genau, wir müssen das schaffen. Das kam ja auch, fande ich, in dem Video ganz gut deutlich, sodass das jetzt eigentlich nicht mir gehässig gegenüber war, "wir haben gewonnen und du nicht", sondern dass das eigentlich der Kontext in sich entsteht und dass diese Kooperation einfach ein ganz, ganz toller Raum ist für Kinder, sich auszuprobieren und dass sie da halt wirklich nochmal vielleicht auch Verhaltensweisen üben können, die sie sonst eigentlich nicht zeigen, weil sie nicht so hart fallen, weil nicht direkt ein Spiel verloren wird alleine, sondern weil man noch eine Gruppe, in diesem Fall jetzt eine Partnerin oder ein Partner, die einen auffängt in der Spielgemeinschaft.

Moderation Johannes Büchs: Und das habt ihr vielleicht auch so gelöst, weil mir ist schon aufgefallen, es gab keinen Blickkontakt zwischen Spielleiter und Spielenden, sodass ihr versucht, da nicht eine persönliche Situation zu schaffen. Das es wieder ein soziales Gegeneinander gegen den Spielleiter geben könnte.

Theo Toppe: Also man muss natürlich schon sagen, es läuft nicht so, dass die Kinder ins Labor kommen und ich verziehe keine Miene. Ja, klar. Aber während des Spielens gab es ja keinen Kontakt. Während des Spielens habe ich mich schon bemüht, mich zurückzuhalten. Klar, wenn Kinder Fragen stellen oder ich hab ja auch die Murmeln jetzt in dem Fall da weiter gegeben oder in den Apparat getan. Genau. Natürlich findet da Interaktion statt und teilweise, das war auch rückblickend jetzt, ist es auch eine nicht natürliche Situation für ein Kind, an einem Experiment teilzunehmen. Wir von Forscherseite wollen die Situation maximal standardisieren. Wir wollen alles genau gleich haben. Immer fünf Minuten Spielzeit und so weiter. Und das ist für Kinder eigentlich nicht machbar oder mit Kindern nicht so leicht machbar. Und deswegen versucht man da immer so eine gewisse Beziehung aufzubauen, aber gleichzeitig nicht zu sehr sich zu engagieren, während die Kinder dann spielen. Also das ich zum Beispiel Partei ergreife für ein Kind, wenn sie gegeneinander spielen und ich mich mitfreue. Das wäre zum Beispiel auch eine Verzerrung der Situation gewesen.

Moderation Johannes Büchs: Eine letzte Frage zum Abschluss Theo. Gibt es eine Empfehlung für zum Beispiel Kindertagesstätten von Spielen? Also ich hatte jetzt im Kopf dieses Obstgartenspiel, da weiß ich zufällig, da spielt man gegen einen, gegen den Raben. Aber gibt es noch ein anderes Spiel, was du empfiehlst?

Theo Toppe: Also ich würde natürlich unser Spiel sehr empfehlen. Nein, ich würde nicht sagen, es geht jetzt genau um dieses eine Spiel und das irgendwie machen. Ich glaube einfach das Verständnis, dass man auch kooperative Spiele auf dem Schirm hat und die mal einbringt. Ich sage auch gar nicht, dass kompetitiv gegeneinander spielen immer schlecht ist. Da lernt man auch viel mit dem Verlieren umgehen et cetera. Das sind auch Situationen, die ein Lernwert haben. Aber dass man versucht, irgendwie die ganze Gruppe im besten Fall gemeinschaftlichen in eine Aktivität einzubinden und eben Raum zu schaffen, der für Kinder sicher ist, wo sie ohne eine Angst zu scheitern, neue Verhaltensweisen ausprobieren können.

Moderation Johannes Büchs: Theo, herzlichen Dank. Vielen Dank für das wirklich sehr lebendige Vorstellen deiner Forschungsergebnisse. Und für Sie heißt das jetzt, wenn Sie sagen, ach der ist jetzt schon mal ein Kandidat für mich, für nachher und meine Stimme, haben Sie das im Hinterkopf. Es kommen aber noch zwei weitere Slammerinnen und deswegen bitte ich dich jetzt einmal, die Bühne freizumachen und ich stelle Ihnen die nächste im Wettbewerb vor. Vielen Dank, Theo.

Wir sehen gleich Franca Parianen. Sie hat an einer Hochschule ihre Doktorarbeit gemacht und am Helmholtz Institut der Universität Utrecht studiert und ist zu ihrem Thema gekommen eigentlich durch Oliver Sacks. Sie hat nämlich als Neurowissenschaftlerin Sacks gelesen und da ist was hängengeblieben. Deswegen ist ihr Thema eben auch Hormone. Und wir freuen uns jetzt auf Franca Parianen. Franca, ich bitte dich zu uns.

Franca Parianen: Hallo. Freue mich, hier zu sein.Es geht um Hormone. Auch das Thema passt eigentlich gut in unseren Kontext, besser als man vielleicht auf den ersten Blick glauben würde. Also Hormone. Wir kennen die vielleicht als die kleinen Teilchen, die das Leben managen, das Universum und den ganzen Rest. Oder wie wir sagen würden: Stimmungsschwankungen. Das ist natürlich längst nicht alles, was Hormone tun oder was ich mache.

Aber bleiben wir erst einmal dabei: Was tun Hormone eigentlich? Da ist unsere Vorstellung so ein bisschen in den fünfziger Jahren hängengeblieben. Das heißt, wir denken an Hitzewallungen, an Totalausfälle – kurz zusammengefasst alles, was Elon Musk gerade so macht. Und dann kann man sich natürlich schon hin und wieder fragen: Why thow? Also was soll das Ganze und muss das sein? Und auch da sind unsere Antwortmöglichkeiten so ein bisschen fünfziger Jahre lastig.

Wir denken an Hormone als nervige Nebeneffekte von irgendeiner Körperfunktion oder auch als evolutionäres Überbleibsel von einer Zeit, als Brusttrommeln noch als Flirtstrategie durchging. Im schlimmsten Fall nutzlos, im schlimmsten Fall schädlich. Auf jeden Fall was, was man als rationaler Mensch eher ignorieren sollte. Dabei tun wir ihnen damit in mehrerlei Hinsicht Unrecht, also den Hormonen, Sie wissen schon.

Was machen also Hormone? Hormone sind Botenstoffe. Sie kommen von den Drüsen und sie gehen über die Blutbahn quasi überall hin und überbringen Nachrichten. Zum Beispiel sagt uns Cortisol, wann die Sonne aufgeht. Melatonin sagt uns, wann sie untergeht. Und wie gut das funktioniert, das macht unter anderem den Unterschied zwischen Morgenmenschen und Morgenmuffeln. Jetzt könnte man natürlich sagen: Aber brauche ich dafür noch dieses System? Ich hab doch schon das Nervensystem mit dem Gehirn und das ist mir weniger suspekt, das finde ich beruhigend. Können die nicht die Nachrichten überbringen? Das Problem damit ist so ein bisschen - Das Nervensystem funktioniert so ähnlich wie Brieftauben. Es gibt ein klares Ziel. Dann macht es sich auf den Weg, folgt einer vorgefertigten Bahn und kommt dann als einmaliges Signal bei uns an.

Das ist praktisch und schnell, aber im Vergleich haben Hormone den Vorteil, dass sie ganz viele Teile unseres Körpers gleichzeitig erreichen können, so ähnlich wie Twitter. Und sie können auch eine längere Diskussion auslösen. Das ist praktisch, denn in den meisten Zeiten wollen wir ja, dass alle Teile unseres Körpers, einschließlich unseres Gehirns, zusammenarbeiten und sich nicht gegenseitig unterminieren. Anders gesagt: Was bringt es uns, wenn die Beine rennen und der Kopf macht noch Sudoku? Gerade in Paniksituationen ist das nicht hilfreich.

In diesen Zeiten wollen wir ja das Ganze, wir wollen die Gänsehaut, die geweiteten Pupillen, das rasende Herz und das ratternde Gehirn. Anders gesagt - Wir wollen, dass unser Salience System mit dabei ist, das sind so ein bisschen diese tieferliegenden Gehirn Areale, die wichtig sind zur Verarbeitung von Aufmerksamkeit und Gefahr. Auch für Motivation ist das wichtig. Wir wissen zum Beispiel, entspannt können wir eine ganze Menge tolle Sachen machen. Aber viele Höchstleistungen vollbringen wir eben mit Anreizen. Am besten mit positiven, versteht sich.
Und im schlimmsten Fall tut es auch Kaffee.

Das heißt aber nicht, dass Hormone uns jetzt nur aufgeregt machen können, im Gegenteil. Manche können uns auch beruhigen und entspannen. Serotonin hat zum Beispiel so einen Effekt. Da verbindet es aber weniger an die Hirnareale, von denen wir gerade gehört haben, also dieses Salience-Netzwerk sondern eher so an den präfrontalen Bereich, die Exekutive. Der Teil unseres Gehirns, der dem Rest sagen kann, dass er mal die Klappe halten soll. Wie machen Hormone das? Sie können zum Beispiel direkt an Zellen andocken nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip. Und wenn so ein Hormon da angedockt hat, kann es zum Beispiel dafür sorgen, dass eine Zelle nicht mehr reagiert. Ganz egal,wie oft sie aktiviert wird. Oder auch, dass die gleiche Zelle überreagiert.

Eine andere Möglichkeit ist, Hormone können über sogenannte Transportproteine in den Zellkern vordringen und dann dafür sorgen, dass die Gene das umsetzen, was in ihnen geschrieben steht, also zum Beispiel Proteine bauen und Rezeptoren. Das ist ein ganz wichtiges Mittel, weil damit können sie so ein bisschen an unserem Gehirn rummodeln. Hormone spielen zum Beispiel eine wichtige Rolle dabei, wie diese Teile unseres Gehirns miteinander vernetzt sind, das Denkende und das Fühlende. Und das ist wichtig. In vielen Situationen brauchen wir die gut gekoppelt, gerade soziale Situationen. Denn wenn wir uns emotional abschotten, werden wir nicht unbedingt hilfsbereiter. Das gilt übrigens auch, wenn wir emotional überfordert sind und der Kortex kein Wort dazwischen bringt. Auch in solchen Situationen sind wir nicht immer die sozialste Variante unserer selbst.

Damit kommen wir so ein bisschen zu dem, was ich mache. Ich gucke mir Hormone an und frage: Wie wirken die jetzt in sozialen Situationen? Sind die da hilfreich? Sind die kontraproduktiv? Angefangen so ein bisschen mit einem der Klassiker.

Wir haben es gerade schon gehört. Testosteron, immer so ein bisschen bekannt als Aggressionsmolekül. Das ist eigentlich unfair. Es ist wichtig für Status und natürlich auch für Sex, weswegen Gorillas immer so ein bisschen so aussehen, als würden sie für Tinder posieren. Wie wirkt das jetzt auf dieses Gehirngefüge? Naja, es verlagert so ein bisschen das Gewicht in Richtung dieser Salience-Ebene, aber da weg von den Gefahren hin zum Gewinn, hin zur möglichen Belohnung. Und im Kopf wird das ganze gleichzeitig ein bisschen von dieser mahnenden Stimme des Kortex. Das heißt im Endergebnis sind wir zwar emotional, aber dabei durchaus vorwärts gewandt. Und so sehen auch unsere Problemlösungsstrategien unter Testosteron aus, die hin und wieder sogar gut ausgehen. Manchmal auch nicht.

Aber was bedeutet sowas jetzt für den sozialen Kontext? Wir können uns vorstellen, dass es uns nicht unbedingt sozial sensibler macht. Wir treffen manchmal Entscheidungen, die andere gefährden oder im Bestfall wenigstens nur uns selbst. Und wie soll so sowas jetzt in der Familie funktionieren, wenn noch andere Kinder anwesend sind? Naja, man kann sich denken, dass das gar nicht so einfach ist und die ersten Studien schienen in diese Richtung zu gehen. Das heißt, wir können sehen, dass beim Menschen und auch bei anderen Spezies Testosteron, gerade im Familienkontext mit dem Vater werden, stark runtergeht. Und daraus hat sich so ein bisschen diese Idee ergeben - Aha, das heißt doch bestimmt, also Kinder sind der Feind von Männlichkeit beziehungsweise man muss seine Männlichkeit aufgeben, um ein guter Vater zu sein.

Aber dieses wunderschöne Bild so zu interpretieren, wäre natürlich sexistische Kackscheiße. Eigentlich sieht es nämlich ganz anders aus und das sind so Sachen, die man gerade erst aufdeckt in der Forschung. Zum Beispiel wissen wir heute, dass Testosteron eigentlich rauf geht, wenn wir Kinder schreien hören und das Testosteron unser Gehirn stärker auf das Kinderschreien reagieren lässt.

Was was wir im Labor noch gefunden haben, gerade eingereicht die Studie, ist zum Beispiel, dass wir auch stärker auf Kinder in Not reagieren unter Testosteron, nämlich mit stärkerem Stirnrunzeln. Das heißt, es spielt eigentlich wahrscheinlich doch eine Rolle. Nicht nur unbedingt bei Fürsorge und Liebe, die Kinder brauchen, sondern manchmal brauchen sie auch schnelles Handeln. Das ist im Moment die Arbeitshypothese. Testosteron ist durchaus wichtig im Familienkontext. Aber wahrscheinlich ist die Frage wann und wie und zu viel ist wahrscheinlich auch nicht gut. Wir brauchen es vor allen Dingen in den Situationen, schnelle Testosteron Pieks, wo es um Schutz geht.

Anderes Beispiel, Oxytocin. Auch so ein Klassiker. Kennen Sie vielleicht als Kuschelhormon. Es macht tatsächlich Soziales für uns belohnend. Sorgt dafür, dass wir uns in sozialen Kontexten wohlfühlen. Und tatsächlich sorgt es eher für eine stärkere Kopplung zwischen Denken und Fühlen. Und das ist das richtige Mindset für das Soziale.

Jetzt muss man allerdings auch sagen, dass es da Unterschiede gibt, individuelle. Manche Leute fühlen sich in solchen Fürsorgekontexten total wohl, andere Leute finden das eher überschätzt. Das ist beides völlig okay. Unsere Frage war mehr: Wie kommt es zu solchen individuellen Unterschieden? Und wenn man sich angucken möchte, individuelle Unterschiede im Sozialleben, in der Emotionsverarbeitung macht es immer Sinn sich die Kindheit anzugucken. Denn Kinder sind ziemlich schnell emotional überfordert. Das hat damit zu tun, dass diese Verbindung, über die wir die ganze Zeit reden, eigentlich am Anfang unseres Lebens nicht wirklich ausgeprägt ist.

Am Anfang können wir vor allen Dingen sehr gut den Verstand ausschalten, wenn wir mal in Panik geraten. Das ist gut und wichtig. Aber alles andere müssen wir mit viel Geduld und Liebe lernen. Was passiert jetzt aber in Situationen, wenn wir unter verhärteten Bedingungen aufwachsen? Um das zu verstehen, können wir uns die Epigenetik angucken. Epigenetik, das sind Veränderungen, die nicht direkt unsere DNA beeinflussen. Die bleibt ziemlich stabil. Das kennen wir noch aus dem Biologieunterricht. Aber indirekt, zum Beispiel über sogenannte Methyl-Ketten, die sich an die DANN anlagern können. Das heißt, dieser Teil des Codes kann nicht mehr abgelesen werden. Und wir wissen alle, manchmal braucht man an einem Gesamtbild gar nicht so viel zu verändern, damit eine ganz andere Nachricht dabei rauskommt.

Auf biologisch gesagt, diese beiden Mäuse sind genetisch gesehen Zwillinge. Der einzige Unterschied liegt in der Epigenetik. Wir können uns das beim Oxytocin- und Cortisol-System zum Beispiel angucken, indem man Mäuse als Kinder sehr oft hoch nimmt. Das stresst die immer so ein bisschen. Und der Effekt davon ist, dass man eben an den Genen vom Stress-System oder vom Oxytocin-System diese Anlagerungen sehen kann. Wenn man dagegen den Stress wieder wegnimmt, na und dann können sie natürlich ein bisschen aufgeregter aufwachsen im Endergebnis.

Wenn man dagegen den Stress wieder wegnimmt und gleichzeitig die Mutter durch Bürsten ersetzt, bei Mäusen funktioniert das top, dann sehen wir diese Anlagerungen verschwinden. Und das ist tatsächlich etwas, was wir jetzt auch gerade im Kindheitskontext probieren beziehungsweise schon längst bevor wir die Mechanismen verstanden haben, probiert haben. Sogenannte Kangaroo Care, kennen die Eltern bestimmt. Und ich kann es gar nicht oft genug sagen. Natürlich funktioniert das auch mit Vätern. Was soll denn das Baby sagen - Da sind Haare dran, da kann ich nicht arbeiten? Haare greifen sind seit ziemlich vielen Evolutionsjahren unsere Spezialität.

Letztes Stück noch - Die Studie, die wir gemacht haben. Wir haben uns eben angeguckt bei aversiven Kindheitserfahrungen, wie wirkt das zusammen mit dem Oxytocin-System darauf, wie wir auf erwachsene Gesichter und Kindergesichter reagieren. Und was wir dabei gefunden haben, ist eben, dass das Oxytocin-System eine Rolle spielt damit, ob wir auf Trauma so reagieren, dass wir vielleicht zu schwach auf andere Leute reagieren und Schwierigkeiten haben, sozial sensibel zu sein, die Emotionsausdrücke zu verarbeiten oder ob wir vielleicht zu stark auf andere Leute reagieren und dadurch eher Ängste bekommen. Und das zeigt uns auch diese Maus. Es gibt eben zwei Arten, wie wir auf schwierige Erfahrungen reagieren können. Einmal mit zu vielen Ängsten, aber auch, indem wir manchmal zu entspannt sind und vielleicht nicht damit klarkommen, wenn wir dann in einer Gefahrensituation sind, auszuweichen. Das sind beides verschiedene Reaktionen und wir entdecken gerade erst beides.

Zusammengefasst: Es gibt also ganz viel, was es noch zu lernen gibt. Und solange wir das alles noch herausfinden, diese langfristigen Konsequenzen, ist für uns das sinnvollste, gut auf unsere soziale Kompetenz aufzupassen. Gerade jetzt in den Zeiten mit der Pandemie. Das Wichtigste ist: Bindung, Bindung, Bindung und dass wir alle zusammen gut durchkommen. Der Mensch hat so schöne soziale Fähigkeiten. Gewusst ist nur - wie. Vielen Dank.

Moderation Johannes Büchs: Liebe Franca, vielen, vielen Dank. An dieser Stelle darf ich vielleicht einen kleinen Werbeblock machen. Wir haben es eben gerade gesehen. Es gibt ein Buch, "Hormongesteuert ist immerhin selbst gesteuert" - Wer sagt ja, da muss ich jetzt noch mehr wissen, dann kaufen Sie sich das gerne. Wenn Sie aber auch sagen, ich will sofort mehr wissen, dann nutzen Sie die Chatfunktion und schreiben Sie Fragen an Franca, die ich dann sehr gerne weitergebe an sie. Ich habe auch schon einige. Die erste: Wie viele Stunden YouTube musstest du gucken, um all die Videos zusammen zu bekommen, Franca?

Franca Parianen: Das dauert schon eine Weile, aber ich gehöre zu den glücklichen Menschen, die im Internet browsen können und sagen können: "Das ist hier Arbeit". Und kriegst du dann auch manchmal welche geschickt und sie sagen Franca, das wäre -was für dich? -Ja, hin und wieder oder beziehungsweise Freunde schicken mir irgendwas mit dem "Hier, das ist doch was". Also einfach nur zum Lachen und man sieht es sofort und denkt: Aha, das sagt mir doch. Also das sind eigentlich schöne Momente, wenn man so ein Video sieht und merkt - Oh, -das passt ja eigentlich genau.

Moderation Johannes Büchs: Du hattest ganz oft diese eine Folie, wo zwei Areale im Gehirn quasi miteinander kommunizieren.

Franca Parianen: Zwei Netzwerke.

Moderation Johannes Büchs: Ja, zwei Netzwerke. Ist es in der einfacheren Vorstellung das Großhirn und das Kleinhirn oder ist das was komplett anderes?

Franca Parianen: Also weniger das Kleinhirn. Eher Vorderhirn, also der Neocortex ist dieser neue Teil, der präfrontale Teil.

Moderation Johannes Büchs: Zeigt mal an deinem Kopf - Wo ist das?

Franca Parianen: Vorne. Vorderhirn genau. Und das andere ist mehr so das limbische System.

Moderation Johannes Büchs: Und das ist evolutionär älter und das sind eher die starken Gefühle. Und hier vorne kann ich eher kontrollieren.

Franca Parianen: Also vorne ist wirklich der Teil, den wir uns so in den letzten Evolutionsjahren und auch so im Laufe der Kindheit anarbeiten. Und der ist schon zum Beispiel bei Schimpansen auch größer, aber bei Menschen ist er eben noch ein Stück größer. Und interessanterweise korreliert die Größe gerade des Vorderhirns sehr stark mit der Gruppengröße von einer Spezies. Das heißt, wenn wir eben in einer sehr komplexen Gesellschaft aufwachsen, brauchen wir diese kognitiven Ressourcen, eben die Emotionskontrolle und die Möglichkeit, uns in andere hineinzuversetzen, verstehen, was die von uns wollen, zu verstehen, dass das nicht unbedingt das gleiche ist wie das, was sie sagen und so weiter und so fort. Es gibt Theorien und zwar sehr überzeugende eigentlich, die zeigen, dass das Soziale eigentlich einer der Gründe war, warum wir dieses massive Gehirn brauchten. Weil es ist nicht so, dass wir mit wahnsinnig tollen Mathekenntnissen geboren werden.

Moderation Johannes Büchs: Aber das heißt dann auch, dass ist evolutionär jünger und braucht in der zum Beispiel Kindheitsentwicklung auch länger, bis es dann so arbeitet, wie vielleicht irgendwann mal bei einem aufgeräumten Erwachsenen. Es gibt auch andere. Und dann ist vielleicht ja gerade die Phase – über die wir eigentlich hier uns ganz viel Gedanken machen, nämlich die Phase, wo Kinder in eine Tageseinrichtung gehen oder wo sie eben betreut werden - eine ganz wichtige, um diesen Bereich weiterzuentwickeln.

Franca Parianen: Absolut genau. Man braucht eben sozialen Kontext, um das auszuarbeiten und so. Und überhaupt, was eine sehr spannende Erfahrung ist, was man sagen kann - dieser Sozialkontext. Wir tendieren ja immer dazu zu denken: Kita, das ist jetzt etwas ganz neues oder liegt das in unserer Natur? Aber eigentlich, wenn wir uns diese Zeit angucken - Einer der Hauptgründe, warum sich Menschen in Gruppen damals zusammengeschlossen haben, war die Idee, dass wir die Kinderversorgung allein nicht geschmissen bekommen, weil unsere Kinder eben so klein und hilflos sind, auch im Vergleich zu allen anderen Spezies. Und das heißt eigentlich die Grundidee, dass wir mit vielen Menschen aufwachsen, ist ein ganz großer Vorteil in unserer Evolution. Und das sieht man auch zum Beispiel, wenn man sich anguckt, Kinder, die eine große Risikoprognose haben, weil zum Beispiel die Eltern sehr ängstlich sind, also eine Angststörung schon haben, die haben eine relativ große Chance, dann selber später ängstlich zu werden, wenn sie aufwachsen. Denn die Eltern machen sich Sorgen. Das Kind macht sich Sorgen über das, was die Eltern gerade gedacht haben und so weiter.
Das ist immer so ein Teufelskreis. Und bei solchen Sachen ist es immer, dass man gucken kann, wer ist denn außerhalb in der Erziehung noch beteiligt gewesen? Also wie viel Unterstützung haben die Eltern bekommen? Gab es andere Personen, die wichtig waren in der Erziehung? Und das ist die beste Prognose, die wir haben dafür, dass wir es eben schaffen, nicht jeden Knacks mitzunehmen, den uns unsere Eltern mitbringen. Mein Supervisor hat es mal so formuliert: "Die Kernfamilie ist die radikale Idee."

Moderation Johannes Büchs: Die Kernfamilie wäre die radikale Idee. Weil evolutionär es eher zu uns Menschen passen würde, in einer größeren Gemeinschaft Kinder zu betreuen und eine Familie, eine Gemeinschaft zu bilden. Das ist irgendwie ganz logisch, wenn man das jetzt so hört. Wenn wir jetzt mal in den Alltag gucken, in Kindertageseinrichtungen, dann ist es doch manchmal ein sehr, sehr schmerzhafter und anstrengender Prozess, diesen vorderen Bereich weiter zu trainieren, dass Ängste oder Wut und so was besser kontrolliert werden können. Gibt es irgendetwas, was du vielleicht einem Erzieher oder einer Erzieherin mitgeben kannst, außer haben Sie Geduld? Immer wieder in den Arm nehmen damit die richtigen Hormone ausgeschüttet werden. Aber gibt es noch etwas, was du sagen würdest, das ist zentral für den Kindergarten, für die Kindertageseinrichtung, für die Kita?

Franca Parianen: Also grundsätzlich ist es in den Arm nehmen eben. Bindung ist das Wichtigste. Und wir tendieren immer mal wieder dazu, alte Erziehungsansätze aufzuwärmen und sowas zu sagen, wie "schreien lassen" und "sie müssen das lernen." Die Kinder können sich in der Zeit nicht selbst beruhigen. Die brauchen eben diese Unterstützung dabei, die Ruhe wieder zu finden und ansonsten steigern sie sich immer weiter rein und weiter rein. Ich verstehe natürlich, wenn man jetzt eine Kita betreibt, dass es dann eine schwierige Situation sein kann und man ist manchmal überfordert. Ich finde es nur einfach wichtig, dass wir uns verabschieden von diesen Ideen, dass man Kinder schreien lassen sollte und einfach sie begleiten auf dem Weg, sich selbst zu beruhigen. Das ist eigentlich das, was wir am wichtigsten hinkriegen können in dieser ganzen Zeit.

Moderation Johannes Büchs: Wir haben auch noch eine Frage von einer Zuschauerin oder einem Zuschauer: "Kann Kita gerade für sehr junge Kinder nicht auch Stressauslöser oder Stresspräger sein, wenn die Bedingungen eher schlecht sind?

Franca Parianen: Ja, absolut genau. Also auch was ich gerade gesagt habe mit der Evolution, das war natürlich eine andere Situation. Da hat man nicht wenige Leute mit einem ganzen Heer von Kindern allein gelassen, sondern hat eben Großeltern und Eltern und Tanten und große Geschwister und so. Das war eine viel stärkere Durchmischung. Wir tendieren ja immer so ein bisschen dazu, alles in kleine Kategorien einzuordnen - altersgerecht.

Moderation Johannes Büchs: Also der Betreuungsschlüssel in der Steinzeithöhle war nicht eins zu zehn.

Franca Parianen: Genau.

Moderation Johannes Büchs: Gut, das halten wir schon mal fest.

Franca Parianen: Und es gibt tatsächlich auch Zeichen, die sagen, dass es gerade eben wenn die Bedingungen schlecht sind, für das Kind sehr, sehr stressig sein kann. Und natürlich ist das etwas, worauf wir achten sollten. Deswegen gibt es ja auch diese wunderschönen Studien. Es hat mal ein Wirtschaftsnobelpreisträger ausgerechnet, dass so jeder Euro, den wir in die Frühförderung investieren, nicht nur Förderung, sondern auch einfach Frühfürsorge investieren, mindestens das Zwanzigfache wieder auswirft. Also das ist eigentlich die Zeit, wo wir viel Geld und Ressourcen investieren sollten als Gesellschaft und es merkwürdig, dass wir uns nicht darauf einigen können.

Moderation Johannes Büchs: Das ist vielleicht der perfekte Teaser für den ersten Vortrag um 12 Uhr. Wenn Sie heute nicht in den Workshops sind, da werden wir jemanden vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung haben und da geht es genau in die Richtung. Ich hab noch eine Frage. Die kommt hier aus dem Teilnehmerkreis: "Wie heißt das Buch?" Die kann ich beantworten, nämlich: "Hormongesteuert ist ja immerhin selbstbestimmt, Hormon gesteuert ist immerhin selbstbestimmt". Und Franca Parianen, ich weiß aber auch, ich habe das mal von einer Forscherin erklärt bekommen, dass Menschen durch ihre Genetik ganz unterschiedlich mit Stress umgehen. Es gibt Forschungsergebnisse, dass der eine auf den Stress anders reagiert als jemand anderes. Man kann das in der Genetik wohl feststellen, weil vielleicht ein Hormon weniger stark ausgeschüttet wird. Bedeutet das, manche Kinder brauchen mehr Kontakt, Schmusen, in den Arm nehmen, um eine gleich stressige Situation zu verarbeiten, als andere Kinder?

Franca Parianen: Ja, absolut genau. Also man kann schon sagen, dass wir viel von den Erfahrungen auch unserer Eltern und Großeltern mitbekommen haben. Und wir fangen gerade erst an das zu entdecken, diese ganzen Zusammenhänge, wie vielleicht ein Trauma unserer Großeltern uns noch zwei Generationen später beeinflussen kann. Und natürlich das was unsere Großeltern weitergegeben haben, haben sie an unsere Eltern weitergegeben. Und denen fällt es dann auch vielleicht ein bisschen schwierig, mit dem Kind eine Bindung aufzubauen. Und dann sitzen wir als Kind da und bekommen Dinge von allen Seiten. Einmal haben wir eben genetischen Veranlagungen, die wir noch nicht ganz durchblickt haben, die aber auch durchaus auch reflektiert, was wir an Erfahrungen gemacht haben. Und gleichzeitig haben wir die Eltern, die vielleicht auch von der Situation überfordert sind und überfordern uns dann gegenseitig. Und natürlich, wenn ich dann in eine Kita komme, habe ich andere Bedürfnisse als ein Kind, das vielleicht schon ganz ruhig ist und schon Selbstwirksamkeit erfahren hat und grundsätzlich dieses Urvertrauen hat von: wenn ich schreie, kommt irgendwann jemand und ich werde nicht einfach im Wald ausgesetzt.

Moderation Johannes Büchs: Ist das nicht auch eine total schwierige Voraussetzung für Kindertageseinrichtungen? Ich merke das, weil ich Vater von Zwillingen bin. Die sind ganz unterschiedlich. Und die kommen in dieselbe Situation. Die eine genießt es, feiert es, findet es großartig, will da sofort wieder hin und die andere sagt: "Fand ich blöd, mag nach Hause, mag was anderes machen." Und wirklich, sie haben das gleiche Essen bekommen, haben gleich viel Muttermilch bekommen. Also es sind Zwillinge und sie reagieren so unterschiedlich. Und ich habe immer das Gefühl - Persönlichkeit. Und da hast du gar keinen Einfluss drauf.

Franca Parianen: Nein, das ist tatsächlich was ganz Schönes, was man eigentlich Leuten mitgeben kann. Und zwar haben wir früher immer von Anfälligkeit geredet. Also wir haben gesagt, dieses Kind ist anfällig dafür, in einer schlechten Situation besonders zu leiden und Anfälligkeit gegenüber Resilienz. Aber dann klingt Anfälligkeit immer wie so was Blödes. Diese Leute haben die Gene mitbekommen, wo sie, wenn sie in einer schwierigen Situation aufwachsen, sich danach blöder benehmen. Was soll sowas? Und erst später haben wir drüber nachgedacht - das wäre ja eigentlich doof. Warum sollte es so etwas geben in der Evolution, dass die einfach manchen Leuten Gene mitbringen, wo sie viel eher einen Schaden erleiden? Und heute weiß man, dass man viel eher von Adaptivität reden sollte. Das heißt, es gibt manche Kinder, die sind eher ein bisschen plastischer aufgelegt, auch von den Genen des Hormonsystems her. Und andere sind weniger beeinflusst von dem, was um sie herum passiert. Das kennen Sie vielleicht aus der Pädagogik. Die haben sich das ausgedacht, bevor wir das bestätigen konnten. Da geht es um die Orchideenkinder und Löwenzahnkinder. Löwenzahnkinder sind eben diese Kinder, die egal wo, wachsen können, auch auf Beton oder einem wunderschönen Beet. Das ist eigentlich egal. Sie wachsen ganz wunderbar und man kann sie jetzt düngen oder irgendwelche tollen Halterungen kaufen, aber das ist eigentlich egal, weil ein Löwenzahn bleibt ein Löwenzahn. Und das sind eben so genetische Veranlagungen, wo wir weniger so darauf reagieren, was in unserer Umwelt passiert und stärker einfach das Programm leben, was in unserer DNA geschrieben steht. Und andere sind eben diese Orchideenkinder. Die bringen mehr plastische Veranlagung mit. Und das bedeutet einerseits, dass sie schlechter auf ein schlechtes Umfeld reagieren, aber auch mehr aufblühen in einem guten Umfeld.
Und ich finde es eigentlich sehr schön, sich das zu sagen. Gerade in so einem Bildungs-Erziehungs-Zusammenhang, dass gerade die Kinder, wo man sich am meisten Sorgen macht, vielleicht diejenigen sind, die am meisten davon profitieren, wenn sie Nähe erfahren und wenn man es versucht.

Moderation Johannes Büchs: Dann bleibt als letzte Frage nur noch: Franca, bist du Orchidee oder Löwenzahn?

Franca Parianen: Schwer zu sagen. Mir fehlt ein Kontroll-Kind.

Moderation Johannes Büchs: Nun, Sie können das ja auch für sich oder für die Kinder in Ihrer Einrichtung mal durchgehen, wer eine besondere Aufmerksamkeit braucht. Und das ist auch gleich wieder an Fairness- und Gerechtigkeitsdiskurs, der da entstehen kann. Weil wenn man die Löwenzahnkinder dann vielleicht ein bisschen links liegen lässt - sie brauchen ja nicht so viel Aufmerksamkeit und entwickeln sich ja so oder so - dann ist das ja nicht unbedingt gerecht oder passt zu unserem Gerechtigkeitsverständnis. Oh man Franca, so spannend. Ich könnte noch eine halbe Stunde mit dir reden. Aber die Zeit ist vorbei. Vielen vielen Dank. Und wir haben ja noch eine dritte in der Runde, bevor wir dann zum großen Finale kommen.
Also nochmal Dankeschön und ein drittes Mal: Das Buch "Hormongesteuert ist immerhin selbstbestimmt".

Die letzte Slammerin, die wir hier begrüßen, ist Diana Marossek. Sie hat ihre Doktorarbeit an der Technischen Universität Berlin geschrieben und auch den Deutschen Studienpreis gewonnen. Sie ist zu ihrem Thema gekommen, obwohl sie nichts mit Linguistik zu tun hatte, weil plötzlich alle, von denen sie es erwartet hatte, so gesprochen haben, wie sie es jetzt gleich erklären wird. Und niemand konnte dazu wissenschaftlich etwas sagen. Das hat sie also zu ihrem Thema gemacht. Auch sie hat ein Buch geschrieben, sage ich später. Aber jetzt freuen Sie sich erst einmal auf Diana Marossek. Bitteschön, Diana.

Diana Marossek: Hallo. Schön, dass ich heute bei Ihnen sein darf. Meine Forschung heißt: "Ist das Deutsch oder kann das weg?" Das ist eine neue Alltagssprache für den Kita-Alltag. Wie schon vorgestellt wurde, ich bin Soziolinguistin. Und Soziolinguistin heißt: Wer sagt was, wann, wie, in welchem Kontext. Also sagt zum Beispiel jemand: "Crem" oder "Creme"? Und was macht das mit ihm? Also wer ist der bessere Mensch, der der "Kaffe" sagt oder der der "Café" sagt? Wir Soziolinguisten dürfen die Leute in kleine Schubladen tun. Also das ist sozusagen unser Beruf. Wo habe ich angefangen zu forschen? Es war so, dass ich auf einmal Sätze hörte wie: "Wir gehen Spielplatz, ich komme Kino, kommst du Bahnhof?" Und ich dachte, das kann ja wohl nicht wahr sein. Wo kommt denn das her? Und habe überlegt - Gut, wenn ich mich diesem Thema widme und Google dazu nichts weiß, muss ich ja irgendwie die Leute zum Sprechen bringen. Und ich kann sie ja nicht einladen und sagen: "Hallo, ich möchte gerne mal hören, wie blöd du sprichst." Das funktioniert nicht.

Also habe ich mich in Bahnen begeben, in Schulen. Ich habe viel an Schulen geforscht. Mittlerweile und es passt ganz gut, dass ich heute hier bin, forsche ich auch viel in Kitas, also bei jüngeren Kindern und natürlich auf der Straße. Also ich laufe rum und höre den Leuten zu. Oder ich fahre hier in Berlin mit der Ringbahn, die fährt eine Stunde in die eine Runde und eine Stunde in die andere Runde und dann steigen die Leute ein und aus. Und ich habe die soziale Durchmischung, die ich eigentlich brauche, um zu gucke: Wer spricht denn eigentlich so?

Aber was ist denn so? Bevor wir wissen, was so ist, müssen wir erst erst einmal, wie immer in der Wissenschaft, uns Zahlen angucken. Ich hatte 5.580 anonyme Probanden in letzter Zeit. Das sind diejenigen, die in den Bahnen waren. Dann hatte ich 1.395 namentliche Probanden. Das sind diejenigen, die ich in den Schulen beobachten konnte, also die Schülerinnen und Schüler. Ich habe 1.230 Gespräche aufgenommen, davon konnte ich 900 Dialoge verwenden. Die Doktorarbeit hat 399 Seiten, dann hatte ich keine Lust mehr. Das Buch ist auf 156 Seiten reduziert und ich habe seit zehn Jahren mich mit dem Thema auseinandergesetzt. Und das ist das Ergebnis. Super oder? Gut, dass ich die Forschung selber finanziert habe.

Nein, jetzt mal im Ernst. Ich hatte ein Problem, weil ich wusste nicht, wie ich das nennen sollte, was ich untersucht habe. "Hast du Auto? Ich gehe mal Bäcker." Da gibt es dann so Begriffe wie "Türkendeutsch, Dönerdeutsch, Assisprech, Kanackensprache". Das sind alles Begriffe, mit denen ich nicht wirklich etwas zu tun haben wollte, weil sie nicht das treffen, was ich aussagen möchte. Ich möchte ja keinen diskriminieren. Also kam dann "Kiezdeutsch". Aber Kiezdeutsch war so "mh", weil die einen wissen nicht, was sie mit Kiez anfangen sollen. Also habe ich mich für "Kurzdeutsch" entschieden und "Kurzdeutsch" fässt es sehr, sehr gut zusammen, was es eigentlich ist. Da haben wir zum Beispiel die Artikelvermeidung.

Die Artikelvermeidung wäre dann sowas wie: "Guck dir Ball an". Weil wir haben in Deutschland sowieso so ein kleines Problem mit den Artikeln. Tagsüber ist es "der Weizen, das Korn". Abends ist es "das Weizen und der Korn". Also wer sieht denn da noch durch? Genau. Außerdem gibt es die Kontraktionsvermeidung. Das ist so was wie: "Ich gehe Frühschicht. Ich komme Elternversammlung." Dann die Artikelvermeidung "Guck dir Ball an", wie wir sie gerade besprochen haben. Code-Switching bedeutet, ich benutze Elemente aus verschiedenen Sprachen, zum Beispiel "Käsebrötchen Yalla" oder "I love you mein Schatz" oder "ich bin im Meeting", ist auch so was Schönes. Code-Switching hat nicht nur mit Kurzdeutsch zu tun, ist aber ein wichtiges Element davon. Das kennen Sie wahrscheinlich aus Ihrem Kita-Alltag, wenn Kinder mit verschiedenen Muttersprachen kommen, dass sie Sie ansprechen und der eine halbe Satz ist deutsch und der andere halbe Satz ist dann türkisch und es einfach so gemischt wird.

Dann gibt es das Phänomen "ich schwöre", mit dem Mustersatz "Ich schwöre." Das gibt es dann mehr bei älteren Kindern. Dann die "Isch-Laute", "Isch bin Kita." Den Kurzartikel "de Beutel, de Integration, de Tag" und die rituelle Beschimpfung, die habe ich Gott sei Dank auch noch nicht bei kleineren Kindern erlebt. Sowas wie "Du Knecht, du Opfer, du Missgeburt". Das heißt aber nicht, dass wir Knechte, Opfer und Missgeburten sind, sondern die rituelle Beschimpfung heißt, wir haben uns lieb. Das heißt, wenn man sich gegenseitig opfert oder sagt "Du Opfer, du Missgeburt", dann heißt es eigentlich "Ich habe dich lieb".

Also das ist auch sehr wichtig für Eltern zu wissen, wenn das dann immer heißt "Reich mal Butter, du Opfer", heißt das "Papa, gib mir bitte mal die Butter."

Gut, ich gehe nochmal ein bisschen in die Tiefe, weil das Weglassen von Artikel und Präposition habe ich tatsächlich auch sehr oft bei jüngeren Kindern erlebt. Eigentlich sollte es ja heißen: "Wir gehen zum Spielplatz." Also eigentlich heißt das: "Wir gehen zu dem Spielplatz." Das sagt aber keiner, weil sich das viel zu geschwollen anhört. Und im Kurzdeutsch heißt es dann: "Wir gehen Spielplatz." Und das eigentliche Problem ist, dass es sozusagen keine Jugendsprache mehr ist, sondern mittlerweile eine Erwachsenensprache geworden ist. Dazu gehe ich auch gleich noch ein. Die Erwachsenensprache führt dazu, dass keiner mehr berichtigt. Wenn die Erwachsenen sagen "Wir gehen Spielplatz", dann lernen die Kinder das auch nicht. Und das ist eine Sache, die ich zum Beispiel in meinem Schulstudium beobachtet habe. Kein Lehrer hat irgendjemanden korrigiert.

Und darum würde ich Sie bitten, wenn ich Ihnen das jetzt so als kleine wissenschaftliche Aufgabe mitgeben kann: bitte, bitte korrigieren Sie Ihre Kinder, wenn Sie keine Artikel benutzen, keine Präpositionen. Sagen Sie es einfach. Und das Kind merkt das schon. Das Kind hört es schon. Weil dadurch, dass es auch auditiv aufgenommen wird, bleibt es viel einfacher hängen, als wenn Sie einfach drüber weggehen. Sprache ist nämlich unser wichtigstes Erkennungsmerkmal. Und wenn wir das verlieren, dann geht auch die Sprachtiefe weg.

Weglassen von Artikeln - von "Sobald kommt der Weihnachtsmann" zu "Bald kommt Weihnachtsmann." Diese klassische Artikelvermeidung, die sehe ich zum Beispiel auch bei meinem Sohn. Der ist mittlerweile sieben. Das macht er auch gerne. Und Sie können darauf schwören, dass ich wirklich immer
die Artikel benutze.

Hier gibt es auch immer so ein bisschen die Diskrepanz, wenn ich mit den Erzieherinnen und Erziehern spreche, dass sie sagen "Ja, das ist die normale Sprachentwicklung, dass sie die ganzen Artikel nicht können, die Kinder." Ja aber trotzdem müssen Sie aufpassen, dass wir hier kein Kurzdeutsch legen. Denn Kurzdeutsch ist, wie ich gesagt habe, keine Jugendsprache mehr und sie geht immer mehr in die Alltagssprache, in unsere Umgangssprache über. Und da zeige ich Ihnen gleich nochmal sehr, sehr viele Beispiele, die ich gefunden habe, die ich immer von Leserinnen und Lesern zugeschickt bekomme oder selber entdecke auf meinen Reisen durch Deutschland.

Um das ein bisschen zu verdeutlichen, habe ich Ihnen einen Baum gemalt. Sie müssen sich das vorstellen: Unten haben wir die zwei Wurzeln. Das eine sind das multiethnische Zusammenleben in Städten und Gemeinden, also Einflüsse aus dem Türkischen, Arabischen, Bosnischen, unsere deutsche Sprache und dann die bestehenden Dialekte, die wir haben. Zum Beispiel wir Berliner sagen ja auch gerne mal: "Ich bin auf Arbeit." Na, da rollen sich bei Ihnen in Hannover die Fußnägel hoch. Würden Sie nie sagen. Für mich hört sich das ganz normal an. Und das alles fließt zusammen und geht nach oben in den Stamm. Und da haben wir sowas wie Jugendsprache als Katalysator. Das heißt, die ziehen sich raus, was sie gerade gut finden, womit sie spielen möchten, was sie verfremden möchten. Und wir Erwachsenen schauen natürlich da hin zu den Jugendlichen und sagen: "Ach so ein bisschen jugendlich sein, noch so ein bisschen Jugendkultur, das hätte ich auch gerne" und übernehmen das in unsere Gesellschaft.

Und so bleiben Sachen hängen, die wir eigentlich vielleicht gar nicht haben wollen. Ich hab ein paar Beweise, zum Beispiel steht ganz unten: "Wir sind Rechtsstaat" oder "Mach kein Auge, mach Ausbildung", "Wir können Hauptstadt." Dann gibt es natürlich die Graffiti-Sprüher, die auch ein bisschen genervt sind davon und einfach mal die ganzen Deklinationen von männlich und weiblich und Genitiv und Dativ an die Wand gesprüht haben. Dann gibt es sowas wie: "Wir backen, du König"; "Deutschland hat Reizdarm"; "Keine Lust mehr auf Pille?". Das muss man sich mal überlegen, da ist ein Medikament, das als DIE Pille bekannt ist. Alle wissen, worum es geht. Unter Hunderttausenden. Und die lassen einfach den Artikel weg. Dann "Wir sind Fisch", haben sie bestimmt auch schon mal gesehen. "Wunstorfer Bauverein, weil besser." -

Sie sehen, wir haben es hier mit einer Sprache zu tun, die in der Gesellschaft drin ist. "Abitur 2015 -hab ich nicht gerafft, aber doch geschafft." Das war mal zu schnell. "Bionade, weil ehrlich gut"; "Ich mach dich Tofu"; "Ich hab' Knie"; "Euch zeig' ichs"; "Alda, wo is Internet schon wieder?"; "Wir sind Schule". Und hier ist auch ganz toll: "Bitte nutzen Sie zweite Treppe der Bahnsteige 3 bis 10" – Ist ja nicht so, dass das "die" nicht noch dahin gepasst hätte, hinter dem Sie. So und das ist jetzt sozusagen die Kernbotschaft, die ich Ihnen mitgeben möchte für Ihren Alltag. Ich will Zukunft. Also geben Sie gerne unseren Kindern auch eine Zukunft, indem Sie schön mit Artikeln sprechen, Präpositionen und immer wieder korrigieren, auch wenn es vielleicht lästig ist. Danke, Ihr Opfer.

Moderation Johannes Büchs: Liebe Diana, vielen, vielen Dank für deinen Beitrag. An Sie nochmal den Hinweis jetzt: Fragen sind möglich über das Chatfenster. Und ich habe gleich ganz viele. Ich bin wirklich so ein bisschen hin und hergerissen, weil ich liebe zum Beispiel den Genitiv. Ja und wer war das? Ich glaube der Dativ ist dem Genitiv sein Tod. Also das wurde auch schon mal vor zehn bis fünfzehn Jahren lang diskutiert. Aber ich habe das Gefühl, es ist im Fernsehen, es in der Werbung. Eigentlich hat der Genitiv schon verloren, den gibt es gar nicht mehr. Und jetzt fühle ich mich manchmal altmodisch, wenn ich sage "Das ist dessen Auto" und nicht "dem sein Auto". Muss man nicht vielleicht dann auch irgendwann akzeptieren, dass eine Sprache sich verändert, weil sie das ja auch über Jahrhunderte getan hat? Oder sollte ich deiner Meinung nach kämpfen für den Genitiv?

Diana Marossek: Ich möchte den Genitiv draußen lassen. Also ich finde es richtig, dass sich die Sprache verändert. Das ist völlig in Ordnung. Ich mag auch den Sprachwandel. Und mich interessiert auch, wie die Leute damit spielen und das alles verkürzen. Und zum Beispiel das Wort "geil", das sagt heute jeder. Die Hochzeit war richtig geil, der Urlaub war geil. Vor 50 Jahren war das so "Huch, er hat geil gesagt. Ich wasche ihm mal mit Seife den Mund aus". Nein, mir ist es nur wichtig, dass so ein bisschen die Grammatikstrukturen erhalten bleiben. Also dass wir wirklich mit der, die, das sprechen; zum und zur, weil wir sonst ein bisschen die Sprachtiefe verlieren. Weil ich finde es schon wichtig, wenn wir uns sagen "Wir treffen uns Bahnhof", ob wir uns auf, am, neben, vor, hinterm Bahnhof treffen. Das ist einfach so ein bisschen auch für die Gehirnstruktur, für das Lernen, sehr wichtig, dass wir die komplexe Sprache annehmen.

Moderation Johannes Büchs: Es gibt so eine tolle Aktion, die heißt glaub ich "Kommata können Leben retten. Komm, wir essen Opa". Komm, wir essen, Opa. Oder?

Diana Marossek: Komm, wir essen Opa. Genau.

Moderation Johannes Büchs: Oh und wir haben auch schon Fragen. "Korrigieren - Was ist mit Familien, die nicht der deutschen Sprache mächtig sind? Reicht die Korrigierung in den Einrichtungen?"

Diana Marossek: Ja, das reicht vollkommen. Das reicht vollkommen, weil kleine Kinder sind sehr, sehr intelligent, sehr flexibel, sehr vielseitig. Und man kennt ja auch Kinder, die drei oder vier Sprachen parallel lernen. Das ist sehr, sehr gut. Also wenn zuhause kein Deutsch gesprochen wird, sprechen Sie sehr, sehr gutes Deutsch in der Einrichtung und Sie geben dem Kind sehr, sehr viel mit.

Moderation Johannes Büchs: Also ich kenne das auch so von Pädagoginnen und Pädagogen, die sagen: Wenn ich etwas falsches höre, dann gehe ich nicht in diesen Korrekturmodus, du hast das falsch gesagt, sondern ich wiederhole es korrekt, sodass das Kind keine negative Reaktion bekommt und ermuntert wird weiter zu sprechen, aber es einmal richtig hört. Und das wäre dann auch deine Empfehlung, wenn du von Korrigieren sprichst?

Diana Marossek: Das kommt darauf an. Also wir haben gerade von Löwenzahn- und Orchideen-Kindern gehört und so ähnlich ist es auch. Manchen Kindern muss man das dann richtig sagen. Also ich muss zu meinem Sohn auch sagen "Du, das heißt richtig so." Und er war dann auch dankbar für die Korrektur. Aber natürlich gibt es auch Kinder, die dann zurückschrecken und sich negativ gedemütigt fühlen. Da macht man das, dass man das einfach nochmal nach spricht.

Moderation Johannes Büchs: Das passt vielleicht auch zu der Frage: "Gehen Sie bitte nochmal auf die Art des Korrigierens ein." Also ich habe jetzt verstanden, es gibt zwei Möglichkeiten. Einmal ich höre es falsch, dann habe ich es aber verstanden, wiederhole es richtig, damit es zurück gespiegelt wird. Man sagt es anders. Es bleibt vielleicht hängen. Aber für die Kinder, die resistenter sind, für die würdest du dann auch empfehlen zu sagen: "Hör nochmal genau hin." Und das hat dann vielleicht auch was mit dem Alter zu tun, oder?

Diana Marossek: Das hat sich auch sehr bewährt, hat mir auch eine Pädagogin gesagt, dass man so Alternativbeispiele macht. Also wenn "Gib mir mal Apfel. Gib mir mal DEN Apfel" - Was ist denn, wenn ich jetzt eine Banane haben wöllte? Wie würde das dann heißen? Also wenn man das Kind richtig einbezieht und fragt und dann sagt es "Oh, ich hätte gern DIE Banane." Also das ist einfach, dass es noch Alternativbeispiele gibt. Aber ich bin mir ganz sicher, dass Sie da in Ihrem Alltag ganz spielerisch Möglichkeiten finden, dass Ihren Schützlingen beizubringen.

Moderation Johannes Büchs: Jetzt hast du ja auch ein Buch geschrieben. Es heißt: "Kommst du Bahnhof oder hast du Auto?" - Ist das dann eine Sammlung von den schönsten Stilblüten, die dir in der Bahn und auf der Straße begegnet sind?

Diana Marossek: Nein, das ist es nicht. Das Buch, das ist populärwissenschaftlich geschrieben. Ich hab es auch selber nochmal gelesen. Es liest sich sehr leicht, aber da sind die ganzen Phänomene nochmal en détail erklärt. Also was ist denn das mit dem Code-Switching? Warum sagt sich "I love you" viel einfacher als "ich liebe dich"?Und wie können wir da gegen? Also es ist so eine Mischung aus Unterhaltung und wissenschaftlicher Literatur.

Moderation Johannes Büchs: Jetzt müssen wir gerade den Kartoffelsack über unseren Kopf ziehen und Diana bitten dich, nicht hierhin zu gucken, weil hier steht "Gut ist Kita".

Diana Marossek: Ja, ich weiß. Ich habe auch schon überlegt, ob ich mir mal ein Foto mache.

Moderation Johannes Büchs: Ja. Also gut ist die Kita, wenn sie großartige Fachkräfte hat. Wir können uns jetzt auch nicht rausreden, wie bei der Bahn, dass ...

Diana Marossek: Das ist wieder die Werbung. Also ich hoffe natürlich, dass das dann so hängenbleibt. Also der Sinn dieser Kampagne ist ja, dass es dann im Kopf bleibt. Aber die Werbung geht schon in die Richtung des verkürzten Sprechens und wir dürfen uns davon eigentlich nicht überlisten lassen.

Moderation Johannes Büchs: Aber ich weiß, als Journalist, es ist einfach eine ganz große Verlockung, etwas kleiner, kürzer, kürzer zu machen, weil es prägnanter ist. Also die größte, vielleicht die stärkste Überschrift der letzten 20 Jahre in der Bild-Zeitung: "Wir sind Papst" - Die wäre nicht so stark, wenn sie grammatikalisch korrekt gewesen wäre.

Diana Marossek: Richtig. Ich habe auch mit Journalisten gesprochen und habe gesagt: "Warum schreibt ihr so?" Na, weil unser Gehirn nicht daran gewöhnt ist. Wir stocken kurz, wir lesen: "Hä steht da wirklich gutes Kita" und dann lesen wir wahrscheinlich den Rest. Also es macht schon eine Aufmerksamkeit im Gehirn.

Moderation Johannes Büchs: Gut, das wäre die eine Sache, Aufmerksamkeit. Ich kann auch bewusst die Eltern ärgern, auch Aufmerksamkeit. Und das Zweite ist aber vielleicht schon auch die Kürze. Twitter, eine Kurznachricht. Dann lasse ich vielleicht auch Dinge weg, die nicht unbedingt notwendig sind zum Verständnis.

Diana Marossek: Chatten ist ein ganz großer Faktor und gerade noch die Zeit, wo SMS Geld gekostet haben. Ich weiß nicht, ob Sie sich noch daran erinnern. Wir mussten mal bezahlen, für jede Textnachricht, die wir verschickt haben.

Moderation Johannes Büchs: Und da war es noch schlimmer. Hier kommen gute Fragen.

Diana Marossek: -Ja, sehe ich schon. Super.

Moderation Johannes Büchs: Wie sieht es denn mit dem Dialekt aus? Sollen wir in der Kita den regionalen Dialekt sprechen oder nicht? Was meinst du?

Diana Marossek: Ich finde Dialekte ganz toll. Ich finde das sagt viel über die Identität der Kinder. Natürlich wird es auch in Schulen unterrichtet. Und die kriegen das super hin, dass sie auch das Hochdeutsch in der Schule lernen.

Moderation Johannes Büchs: Aber ich kenne das so in Einrichtungen, dass zum Beispiel wenn es eine Erzieherin oder einen Erzieher gibt, der dauernd Englisch spricht mit den Kindern, es klar nach Personen getrennt wird. Würdest du das dann auch empfehlen?

Diana Marossek: Ja, also wenn man den Dialekt nicht spricht, wenn ein Berliner nach Bayern geht oder andersherum, dann ist das künstlich. Das ist nicht authentisch, das merken die Kinder auch.

Moderation Johannes Büchs: Ja, wobei das Bayrisch das lernt man schnell. Aber das heißt, du würdest es dann auch Personen zuordnen. So wie wir den englischen oder den spanischen Erzieher haben, so haben wir auch den bayerischen oder den pfälzischen oder den Berliner Erzieher, der berlinert.

Diana Marossek: Genau. Das kennt man ja aus der Zweisprachigkeit. Übrigens wenn Mama Italienerin ist und Papa Engländer - Das Kind kriegt es mit den zwei Sprachen erst richtig hin, wenn beide ausschließlich ihre Sprache sprechen. Wenn die untereinander anfangen, irgendwie zu mischen, dann gibt es für das Kind Probleme.

Moderation Johannes Büchs: Und kannst du gut berlinern?

Diana Marossek: Nein, ich komme aus der Mitte Berlins. Da wird nicht berlinert.

Moderation Johannes Büchs: Aber so ein bisschen was kannst du. So ein J statt einem G.

Diana Marossek: Ja, aber nein.

Moderation Johannes Büchs: Hattest du denn das Gefühl, dass bei deiner Forschung - du warst ja wahrscheinlich dann auch schon viel in Berlin unterwegs - dass dieser regionale Einfluss noch eine größere Rolle spielt, weil zum Beispiel im Süden mehr Dialekt gesprochen wird auch in anderen sozialen Schichten, als im Norden Deutschlands?

Diana Marossek: Ja, also das ist mir sehr aufgefallen. Mir ist übrigens auch aufgefallen, dass wir Berliner viel empfänglicher sind für diese tückischen Strukturen. Zum Beispiel für dieses "Kommst du Bahnhof?", Oder sowas ähnliches - "Ich bin mit Fahrrad oder "ich bin mit Auto", sagen wir in Berlin. Das ist ja genau das Gleiche wie "ich bin Kino". Und darum, wenn das Gehirn schon dran gewöhnt ist, ist man viel, viel anfälliger. Den Kölnern geht es ähnlich.

Moderation Johannes Büchs: Und dann gibt es vielleicht auch ein paar Multiplikatoren oder Trendsetter. Ich meine, "ich hab Knie" oder sowas, kommt doch aus dem Ruhrpott. Da gab es einmal "Ich hab Rücken" oder es war glaube ich Nordrhein-Westfalen, Genau.

Diana Marossek: Das setzt sich dann einfach durch. Es ist ja auch schön und lustig, wenn man das alles kann. Aber es gibt halt auch die Leute, die das nicht können. Und das hab ich gerade bei Schülerinnen und Schülern gesehen aus eher schwierigen sozialen Verhältnissen, dass die das dann einfach nicht mehr können.

Moderation Johannes Büchs: Okay. Hier gibt es nochmal die Bitte, deinen Namen zu nennen und das Buch. Also Diana Marossek. Und das Buch ist "Kommst du Bahnhof oder hast du Auto?", Hanser-Verlag. Für?

Diana Marossek: 16,90 Euro.

Moderation Johannes Büchs: Gut investiertes Geld.

Diana Marossek: Oder 15,90 Euro sogar.

Moderation Johannes Büchs: 15,90 Euro. Ja, warum nicht? Vielleicht eine gute Idee für ein Geschenk oder für die Kita-Bibliothek.

Diana Marossek: Ja, und wenn ich noch was sagen darf, wenn Sie Beispiele aus Ihrem Alltag haben für mich, schicken Sie mir die gerne zu. Einfach eine E-Mail schreiben. Also man kann mich ganz gut googeln. Schreiben Sie mir eine E-Mail. Schreiben Sie mir Beispiele. Schreiben Sie mir auch gerne noch Fragen, weil ich forsche in einem Gebiet, was davon lebt, dass man zugearbeitet kriegt und dass man sich mit dem Alltag der Menschen auseinandersetzt.

Moderation Johannes Büchs: Diana hab vielen, vielen Dank. Dankeschön. Ich würde jetzt, wenn es geht, alle alle drei Slammer hier nach vorne bitten. Der Theo, der musste glaube ich schon in den nächsten Termin. Vielleicht, wenn ihr euch mit 1,50 Meter Abstand stellt - Geht das? Da haben wir aber keine Kamera - Also einfach 1,50 Meter Abstand, ich weiß nicht, kriegen wir das hin? Nickt einmal. Ihr seid so gut. Theo denken wir uns jetzt noch mit. Eigentlich war ja die Idee, Sie dürfen abstimmen: Wer war die oder der Beste. Jetzt haben wir aber nach dem Slam von Theo gedacht, dieses Gegeneinander ist total doof. Und wir haben auch tatsächlich drei Preise. Deswegen sagen wir, Sie können gerne im Kopf abstimmen, wen Sie gut fanden. Kaufen Sie das entsprechende Buch oder schreiben Sie eine nette E-Mail. Aber wir haben Preise für alle, damit es hier ein Zusammen und nicht ein Gegeneinander ist. Darf ich vielleicht die Preise? Also ihr guckt jetzt glücklich in die Kamera und ich bin sofort wieder da. Dankeschön. Die Preise, das ist ein Sammelsurium. Es gibt zum Beispiel ein Frühstücksbrett für euch. Es gibt eine aus recycelten Plastik Frühstücksdose für euch. Es gibt ein sehr schönes, hochwertiges Buch, wo man sich zum Beispiel schöne Formulierungen aus der U-Bahn reinschreiben kann. Und noch ein paar andere schöne Kleinigkeiten. Alles möglichst nachhaltig und ökologisch hergestellt. Und weil ich jetzt angefasst habe, kann ich es nicht überreichen, sondern werde es desinfizieren und dann später überreichen, nämlich in der Pause, die Sie sich wohl verdient haben. Nochmal an alle Slammerinnen und Slammer. Vielen, vielen Dank. Digitaler Applaus.

Wann Zusage Kita Platz Düsseldorf?

Wann eine Einrichtung mit Ihnen in Kontakt tritt, entscheidet die jeweilige Kita-Leitung selbst. Generell erfolgt die Platzvergabe ab 01.Februar und dauert bis spätestens Mitte März an.

Wann Kita Zusage Krefeld?

- Zeitschiene für ein Kindergartenjahr:.

Wie bekomme ich schnell einen Kindergartenplatz?

Sie können sich zunächst beim für Sie zuständigen Jugendamt melden und dort schildern, dass kein Kita-Platz zu finden war. Das Amt hat nun 2 bis 3 Monate Zeit, um für Sie zu suchen und Ihnen einen Kindergartenplatz vorzuschlagen. Im Idealfall erhalten Sie doch noch eine Zusage.

Wann werden Kita Plätze vergeben Schleswig

Bewerbungen für einen Betreuungsplatz können im KitaPortal Schleswig-Holstein ab der Geburt des Kindes bzw. nach Geburt bis zu 36 Monate vor Betreuungsbeginn im Voraus eingebracht werden.