Was ist aus Ulla Meinecke geworden?

Bloßer „Bühnenglitter“ war noch nie Ulla Meineckes Sache, und so verzeiht man ihr sofort, dass sie statt in solchem im herbstlichen Mantel auftritt.

© Quelle: Björn Schaller

Sie ist gerade 65 geworden, aber denkt nicht an Rente, denn mit Ulla Meinecke „könnt ihr nicht gemütlich vor euch hin altern“, wie sie den Zuhörern am Bootshafen zuruft. Beim Duckstein Festivals blickt sie mit den Trio-Partnern Ingo York und Reinmar Henschke auf gut 40 Jahre Songpoesie zurück.

Jörg Meyer

31.08.2018, 10:16 Uhr

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Der erste Eindruck

Kiel. Bloßer „Bühnenglitter“ war noch nie Ulla Meineckes Sache, und so verzeiht man ihr sofort, dass sie statt in solchem im herbstlichen Mantel auftritt. Mit den ersten Tönen vom Opener „Geh’ mir aus dem Licht“ verzieht sich dann auch der Regen, und „Schlendern ist Luxus“ an diesem „Abend wie Seide“.

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Das Programm:

So seidig samten ist auch Meineckes Stimme. Man könnte auch sagen, erotisch, wenn sie die „Süßen Sünden“ vom vor 35 Jahren erschienenen Erfolgsalbum „Wenn schon nicht für immer, dann wenigstens für ewig“ zitiert. Darin geht’s um den ewigen (Liebes-) Kampf zwischen Macho-Mann und emanzipierter starker Frau, ein Thema so zeitlos wie Meineckes Faible für Mark Twains Helden Tom Sawyer und Huck Finn. Flugs sitzen wir mit Ingos Bluesharp und Reinmars Country-Piano am Mississippi statt am Bootshafen, und fragen uns mit Ulla „Wer will schon Becky Thatcher sein?“. Nein, Prinzessin wollte sie nie sein, „eher der staubige Reiter“. Der ist sie auch, wenn sie Tom Petty huldigt. Manches ist eben ewig, obwohl es das nicht bleiben muss. Mit „Das war schon immer so, doch wer will, dass das wahr bleibt?“ nimmt Meinecke die die Ewiggestrigen von AfD & Co. auf’s Korn. Sie ist eben immer noch die „Tänzerin im Sturm“ – der Hit kommt als reich beklatschte Zugabe.

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Was in Erinnerung bleibt:

Was möglich ist, „wenn zwei zueinander passen“, besingt Ulla Meinecke im gleichnamigen Song. Hier sind es drei hervorragende Musiker, und wenn Ingo York mit Gitarre in der zweiten Zugabe vor Meinecke kniet, dann wird nicht nur das Liebeslied, mit dem sie einst ihren Mentor Udo Lindenberg betörte, zur Erinnerung, die „wenn schon nicht für immer, dann wenigstens für ewig“ bleibt.

Statt als Tänzerin im Sturm – im Schlüppi zuhause auf dem Sofa: So verbrachte Ulla Meinecke die bleierne Zeit der Corona-Pandemie. Keine Auftritte, kein Kontakt zum Publikum. Einem großen Teil des Kultur- und Veranstaltungsbereichs brach der Boden unter den Füßen weg. 

  • Von
  • Martin Borck

Sonntag, 09.10.2022, 18:09 Uhr

Datum, Zeit

Reinmar Henschke und Ulla Meinecke traten am Samstagabend in der Turbine im Rock‘n‘Popmuseum Gronau auf. Foto: Martin Borck

Diese Erfahrung hat die Sängerin doch ein Stück weit verbittert. „Einige wegen Corona abgesagte Konzerte kann ich gar nicht mehr nachholen, weil es die Veranstaltungsorte gar nicht mehr gibt! Die haben dichtmachen müssen“, sagt sie am Rande des Konzerts am Samstagabend im Rock‘n‘Popmuseum.

Sie ist immer noch da: Ulla Meinecke, deren rauchige Stimme und ironischen Texte seit 40 Jahren fester Bestandteil der deutschen Popmusikszene sind. Im Gespräch erzählt sie, warum sie sich für ihre neue Tour von Douglas Adams inspirieren ließ.

Sie packte ihren gusseisernen Topf ein, die Parmesanreibe, einen Schleifblock für die beiden guten Messer. Klamotten und ihren ganzen Bürokratiescheiß, wie sie sagt. Sängerin Ulla Meinecke (69, „Tänzerin“) verließ ihre Altbauwohnung an der Kreuzbergstraße. Fluchtartig. Das Amt hatte ihr Zuhause für unbewohnbar erklärt.

Nach den Regengüssen der letzten Tagen mailte ihre Nachbarin Gudrun (47) frische Fotos von Pfützen auf Planen, vollen Wasser-Schalen neben der Mineraliensammlung auf dem weißen Schreibtisch, an dem Meinecke ihre Songs und drei Bücher geschrieben hat. „In deiner Küche ist ein weiteres Stück Decke runtergekommen, es riecht überall nach nassem Hund“, schreibt die Leidensgenossin, die ihre Wohnung auch räumen musste.

Nach den jüngsten Regengüssen steht wieder Wasser in der Wohnung – vorsorglich haben die Mieterinnen Folie ausgelegt Foto: privat
Nachbarin Gudrun P. (47) ist ebenfalls von Wassereinbrüchen betroffen, hatte ihre Wohnung gerade renoviert Foto: Ralf Günther

Der Strom ist ausgefallen. Meinecke muss seit November immer wieder Freunde anbetteln, hatte schon fünf Übergangsquartiere. „Mit 28 Jahren ist das abenteuerlich, mit Ende 60 allerdings überhaupt nicht mehr witzig.“

Seit 1982, also seit fast 40 Jahren, wohnt Meinecke gegenüber einer Tanke in der dritten Etage des Mietshauses (Baujahr 1905), das immer noch einen Kriegsbrandschaden hat. Denn das oberste Geschoss fehlt, es gab Jahrzehnte nur ein provisorisches Dach. Projektentwickler Bilal Akyol kaufte dieses Dachgeschoss direkt über ihrer Wohnung, will es aufstocken, stellte schon vorab eine Animation mit Penthouse-Wohnungen in Immobilienportale.

Der Ausblick aufs grüne Kreuzberg ist grandios, der Anblick erschütternd. An dem weißen Schreibtisch schrieb die Sängerin ihre Songtexte und drei Bücher Foto: Ralf Günther

Aber die Arbeiten auf der Baustelle müssen ruhen. Sie wurde vom Bezirk aus Sicherheitsgründen stillgelegt, weil gefährlich mit Stahlträgern hantiert wurde, Teile der Decke runterkamen.

„Diese Missstände wären nie aufgetreten, wenn die betroffenen Mieterinnen auf die von der Hausverwaltung, dem Verkäufer und uns vorgeschlagene Vorgehensweise eingegangen wären“, erklärte Dach-Investor Akyol gegenüber der B.Z. „Es war von Anfang an geplant, dass wir einen Umzug sowie die anfallende Ausgleichsmiete genauso wie den Rück-Umzug in die Ursprungswohnung zahlen.“

Im Schlafzimmer herrscht Lebensgefahr. Die Decke ist mit Metallstützen abgesichert Foto: Ralf Günther

Meinecke und ihre Nachbarin sagen, dass Anwälte mehr als ein Jahr mit ihnen verhandelt haben. Als der Vertrag unterschriftsreif gewesen sei, hätte Akyol nicht unterschrieben, stattdessen unangekündigt mit den Bauarbeiten begonnen. Für den Schaden will seine Versicherung nicht aufkommen, sagte er den Mieterinnen. Damit war die Sache für ihn offenbar erledigt. Und die Hausverwaltung reagierte nicht auf die BZ-Anfrage.

Im Bad hat die Sängerin Bilder und Fotos von Jim Rakete in Sicherheit gebracht Foto: Ralf Günther

Seit über einem Jahr wehren sich die Frauen. Sie haben die Polizei gerufen („nicht zuständig“), Anwälte eingeschaltet, Anzeige bei der Staatsanwaltschaft gestellt. Der ohnehin umstrittene Kreuzberger Baustadtrat Florian Schmidt (47, Grüne) habe sich bei einem Gespräch gleichgültig gezeigt und nach Auskunft der Sängerin angeboten – bei einem TV-Termin – aber gerne dazuzukommen.

Das Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg hat die Hausverwaltung verdonnert, dafür zu sorgen „dass kein Wasser, insbesondere kein Regenwasser, mehr eindringen kann“. Der Gerichts-Beschluss ist bereits vom Juli 2021. Passiert ist nichts!

Platin hängt noch an der Wand. Meinecke heimste die Ehrung als Texterin für Sängerin Annett Louisan ein Foto: Ralf Günther

Meineckes Wohnung gehört einer jungen Israelin, die ihrer Nachbarin einer Chinesin. Die Vermieterinnen kümmern sich aber nicht um die Probleme, überlassen alles der Hausverwaltung.

„Das Recht ist auf unserer Seite, aber es hilft uns nicht“, sagt Sängerin Meinecke. Sie ist überzeugt: „In Berlin werden Gangstermethoden angewandt, weil sie in 95 Prozent der Fälle funktionieren. Niemand ist zuständig oder die Zuständigen sind qua Amt zahnlos.“ In Gesprächen sagen ihr Leute oft: „Das kann doch nicht sein.“ Meinecke: „Man kann es keinem vermitteln.“

Beide Frauen haben inzwischen ihre Mietzahlungen gestoppt.

Meinecke will ihr Zuhause aber unbedingt zurück: „Wenn man seine Höhle nicht mehr verteidigt, verteidigt man gar nichts mehr.“ Ihre gerahmte Goldene Platte und die aus Platin für den Song „Wenn nicht schon für immer, dann wenigstens für ewig“ hängen noch in der Kreuzberger Wohnung, die Fotos von Jim Rakete stehen in Folie verhüllt im Bad.

2002: Sängerin Ulla Meinecke brachte in dem Jahr ihr Studioalbum „Die Luft ist rein“ heraus. Sie hatte zuvor großen Erfolg mit „Tänzerin“ und „Wenn schon nicht für immer, dann wenigstens für ewig“ Foto: picture alliance / United Archiv

Eine andere Bleibe ist keine Alternative. „Suchen Sie mal aktuell eine Wohnung in Berlin, die man bezahlen kann. Ich würde ja auch was Kleineres nehmen. Aber wo ich geguckt habe, wollen die für 60 Quadratmeter 1800 Euro. Das muss man erst mal verdienen. Ich muss von meinen Konzerten leben, Musiker bezahlen. Und wir haben immer noch Corona!“

Wann wieder Ulla Meinecke?

26. August 2022 @ 19:00.

Wo lebt Ulla Meinecke?

Eine weitere LP Meinecke Fuchs 1978 machte sie dann einem größeren Publikum bekannt und führte auch überregional zu einer wachsenden Zahl von Auftritten – teils gemeinsam mit Udo Lindenberg. 1979 zog Ulla Meinecke nach West-Berlin.

Wer sang das Lied die Tänzerin?

Ulla Meinecke

Was hat Ulla Meinecke gesungen?

7" Single.

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