Welches Ohr hat van Gogh sich abgeschnitten

Hans Kaufmann gehört dem Vorstand des Kunstvereins Quickborn an. Dieses Bild von ihm malte Carina Hammer. Foto: qt (2) up-downup-down

Kunstgeschichte Wer schnitt van Goghs Ohr ab?

Von JanHendrik Frank | 07.03.2017, 11:00 Uhr

Vortrag Historiker Hans Kaufmann widerspricht Legende der Selbstverstümmelung und stellt in Quickborn umstrittene These vor.

Einen kunsthistorischen Kriminalfall will der Hamburger Historiker und Romanist Hans Kaufmann am Sonntag, 12. März, in Quickborn aufrollen. Der 75-Jährige ist überzeugt: Der niederländische Maler Vincent van Gogh (1853-1890) schnitt sich im Dezember 1888 sein linkes Ohr nicht etwa selbst ab. Stattdessen habe sein WG-Mitbewohner Paul Gauguin (1848-1903) diese Legende in die Welt gesetzt, um zu verschleiern, dass er den Hieb vollzog. „Es lässt sich mit an Sicherheit grenzender Plausibilität sagen: Paul Gauguin war der Täter“, fasste Kaufmann das Ergebnis einer zehn Jahre langen Recherche gegenüber unserer Zeitung zusammen.

Bei einem Besuch in St. Petersburg stutzten die Kunsthistorikerin Rita Wildegans und er angesichts von Gauguins Gemälde „Sonnenblumen auf einem Sessel“. Auf einer vertrockneten Blüte prangt ein Auge – Hinweis auf ein belastetes Gewissen, das sich vom Auge Gottes verfolgt fühlt? „Das gab uns den Anlass, uns mit der Künstlergemeinschaft auseinander zu setzen“, so Kaufmann.

Polizeibericht wird ausgewertet

Wildegans und er werteten Briefe van Goghs und Gauguins, einen Polizeibericht, Skizzen und Gemälde der beiden Künstler aus. In der Legende der Selbstverstümmelung entdeckten sie Widersprüche, die sie zur These der Täterschaft Gauguins führten. 2008 veröffentlichten sie ihre Ergebnisse in einem etwa 300 Seiten starken Buch unter dem Titel „Van Goghs Ohr. Paul Gauguin und der Pakt des Schweigens“. Es stieß vor allem im Van-Gogh-Museum Amsterdam auf Widerstand. „Sie haben uns den Zugang zu ihren Quellen versagt und eine französische Übersetzung unseres Buches verhindert“, so Kaufmann. Er will in Quickborn neuere Erkenntnisse darlegen, die seine These stützen.

Die Lokalzeitung „Le Forum Républicain“ in Arles, Südfrankreich, berichtete am 30. Dezember 1888: Van Gogh habe an einem Sonntag um 23.30 Uhr ein Bordell aufgesucht und sein Ohr einer gewissen Rachel übergeben. Am nächsten Morgen habe die Polizei ihn halbtot im Bett gefunden. Kaufmann zufolge verdächtigten die Beamten Gauguin, der mit van Gogh in einer Künstler-WG lebte, und nahmen ihn fest. Doch der behauptete, in einem Hotel übernachtet und den Vorfall selbst nicht miterlebt zu haben. Als die Polizei Gauguin daraufhin ziehen ließ, reiste er umgehend nach Paris ab, ohne seine persönliche Habe mitzunehmen.

Tatwaffe Rasiermesser hätte andere Spuren hinterlassen

Kaufmann und Wildegans halten dieses Benehmen für verdächtig. Zudem zweifeln sie an der Überlieferung, dass sich van Gogh das Ohr mit einem Rasiermesser abgeschnitten habe. Diese Version gehe auf eine Darstellung Gauguins zurück, der die Tat aber gar nicht miterlebt haben will. Van Gogh habe diesen Hergang auch nie bestätigt. Eine Analyse vorliegender Texte zeige aber: „Das Ohr muss glatt abgeschnitten worden sein“, so Kaufmann. Mit einem Rasiermesser hätte van Gogh das kaum bewerkstelligen können. Gauguin aber habe als guter Fechter gegolten und sei im Besitz scharfer Waffen wie eines Säbels gewesen.

Eine Skizze bestätigt diese Vermutung. Die Hobby-Forscherin Bernadette Murphy entdeckte sie 2016 im Archiv der Universität Berkeley (USA). Auf Bitten des Schriftstellers Irving Stone hatte van Goghs Arzt Felix Rey sie 1930 angefertigt. Die Zeichnung zeigt: „Das Ohr war glatt abgeschnitten, nur ein Stummel vom Ohrläppchen war übrig“, so Kaufmann. Das Van-Gogh-Museum führe die Skizze als Beleg für den Wahnsinn des Künstlers an, der sich verstümmelte. Kaufmann und Wildegans dagegen sehen sie als Bestätigung dafür, dass eine scharfe Waffe zum Einsatz gekommen sein muss. Sie glauben nicht, dass van Gogh sie führte. Er hatte betont, dass allein Pinsel und Farben seine Waffen seien.

Kaufmann wird seine Erkenntnisse im Haus des Kunstvereins Quickborn, Kieler Straße 149, erläutern. Sein Vortrag mit dem Titel „Van Goghs Ohr“ beginnt um 12 Uhr. Der Eintritt ist frei. Um Spenden wird gebeten.

Hans Kaufmann und Rita Wildegans veröffentlichten 2008 den Titel „Van Goghs Ohr. Paul Gauguin und der Pakt des Schweigens“.

Die Mythen, die sich um Vincent van Gogh ranken, sind zahlreich, wobei der bekannteste sicherlich der seiner Selbstverstümmelung ist, und die Meisten, die den Namen van Gogh hören, denken wahrscheinlich zuerst an genau diesen Vorfall: Der Maler wird eines morgens blutüberströmt und mit einer Wunde am linken Ohr aufgefunden. Er selbst kann sich an nichts erinnern.

Obwohl heute noch nicht einmal klar ist, ob van Gogh in jener Nacht sein ganzes oder nur einen Teil seines linken Ohres verlor, ist van Gogh von nun an als der Künstler bekannt, der sich selbst ein Ohr abgeschnitten hat. Über den genauen Hergang sowie über Motive und Beweggründe wurde viel spekuliert, aber nur wenig Sicheres herausgefunden.

Welches Ohr hat van Gogh sich abgeschnitten
Selbstporträt mit abgeschnittenem Ohr, 1889. Öl auf Leinwand, 51 x 45 cm.
Sammlung Mr. und Mrs. Leigh B. Block.

Die üblichen Erklärungen reichen von einem Absinthrausch bis zu psychischen Problemen und Wahnvorstellungen, die für van Gogh schließlich mehrere Aufenthalte in einer Nervenheilanstalt nahe Arles zur Folge hatten. Doch es gibt auch noch eine andere Möglichkeit, wie dem Maler sein Ohr abhanden gekommen sein könnte: Bereits am darauffolgenden Tag wurde vermutet, dass sein Freund Paul Gauguin ihm in einem nächtlichen Streit das Ohr abgeschnitten haben könnte.

Welches Ohr hat van Gogh sich abgeschnitten
Cafétisch mit Absinth, 1887. Öl auf Leinwand, 46,5 x 33 cm.
Van Gogh Museum, Amsterdam.

Diese Unklarheiten, schließlich ist bis heute nicht klar, wie Vincent van Gogh sein Ohr verloren hat, befeuern bis heute den Mythos, der vermutlich in gleichem Maße zur Berühmtheit des Malers beigetragen hat wie seine wunderbaren Gemälde.

Die Ausstellung From van Gogh and Gauguin to Kirchner and Kandinsky – German Expressionism and France im Musée des Beaux-Arts in Montreal zeigt vom 11. Oktober 2014 bis zum 25. Januar 2015 eine breite Auswahl an expressionistischen Werken. Sie gibt einen Einblick in die Beziehung zwischen dem deutschen Expressionismus und Frankreich.

http://www.mbam.qc.ca/en/expositions/a-venir/expressionnisme-allemand

Für alle, die sich schon im Vorfeld mit dem Werk van Goghs beschäftigen wollen, eignet sich außerdem der im Verlag Parkstone-International in der Reihe Perfect Square erschienene Titel Vincent van Gogh von Jp. A. Calosse.

Wem schenkte van Gogh sein Ohr?

130 Jahre lang glaubten die Geschichtsschreiber, der Künstler hätte es einer Prostituierten namens Rachel geschenkt. Vor wenigen Tagen jedoch hat die Kunstzeitschrift «The Art Newspaper» das Rätsel gelöst: Van Gogh vermachte sein Ohr einer französischen Bauerstochter namens Gabrielle Berlatier.

Was hat Vincent van Gogh mit seinem Ohr gemacht?

Die Nacht, in der Vincent van Gogh sein Ohr abschnitt Dezember 1888 zur berüchtigten Auseinandersetzung. Van Gogh und Gauguin stritten sich, Gauguin verließ das Gelbe Haus, woraufhin Van Gogh ein Stück seines linken Ohrläppchens mit einem Rasiermesser abschnitt und es einer Prostituierten schenkte.

Was hat van Gogh immer getrunken?

Der Geist des Absinths soll schon viele in den Wahnsinn getrieben haben: Der Künstler Vincent van Gogh schnitt sich angeblich im Rausch ein Ohr ab. Im französischen Pontarlier wird der Branntwein noch immer geschätzt – und einmal jährlich gefeiert.

Wie viel kostet ein Bild von van Gogh?

Auktionsrekord Aquarell von van Gogh erzielte Rekordpreis von 35,9 Millionen Dollar. Große Impressionisten-Auktion in New York bringt insgesamt 332 Millionen Dollar. Vincent van Goghs "Meules de blé" erzielte Rekordergebnisse bei New Yorker Kunstauktion.