Wird man nach einem Herzinfarkt wieder ganz gesund?

Pascale Huber hat Tiermedizin an der Freien Universität Berlin studiert. Sie arbeitete mehrere Jahre als praktizierende Tierärztin, bis sie im Jahr 2009 in den Medizinjournalismus wechselte. Aktuell ist sie Chefredakteurin von tiermedizinischen Fachkreise- und Laienportalen. Ihr Schwerpunkt ist die Erstellung von human- und tiermedizinischem Content für Fachkreise und Patienten.

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Dr. Monique Amey-Özel

Dr. Monique Amey-Özel hat Biologie an der Universität Bonn studiert und in den Neurowissenschaften promoviert. Sie war mehrere Jahre in der Forschung und als Lehrbeauftragte u.a. im Fach Anatomie an medizinischen Ausbildungseinrichtungen tätig. Sie beriet als Pharmareferentin Ärzte in verschiedenen Indikationen und ist nun als Medizinredakteurin verantwortlich für die Erstellung medizinischer Texte sowohl für Fachkreise als auch interessierte Laien.

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Martina Feichter

Martina Feichter hat in Innsbruck Biologie mit Wahlfach Pharmazie studiert und sich dabei auch in die Welt der Heilpflanzen vertieft. Von dort war es nicht weit zu anderen medizinischen Themen, die sie bis heute fesseln. Sie ließ sich an der Axel Springer Akademie in Hamburg zur Journalistin ausbilden und arbeitet seit 2007 für NetDoktor - zuerst als Redakteurin und seit 2012 als freie Autorin.

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Oft hat ein Herzinfarkt Folgen, die das weitere Leben des Betroffenen verändern. Dazu zählen zum Beispiel eine chronische Herzschwäche oder Depressionen. Die richtige Nachsorge nach einem Herzinfarkt hilft, solche Folgen vorzubeugen. Entscheidend ist auch die Mitarbeit des Betroffenen: Mit einem gesunden Lebensstil lassen sich Herzinfarkt-Folgen oftmals abmildern oder verhindern. Lesen Sie mehr über die möglichen Folgen eines Herzinfarkts und ihre Vorbeugung.

ICD-Codes für diese Krankheit: ICD-Codes sind international gültige Verschlüsselungen für medizinische Diagnosen. Sie finden sich z.B. in Arztbriefen oder auf Arbeitsunfähigkeits­bescheinigungen.

Die Rate an isch�mischen Ereignissen nach einem �berstandenen Herzinfarkt ist auch in den Jahren danach relativ hoch. Um die Prognose zu verbessern, besteht die Notwendigkeit einer langfristigen und intensiven Sekund�rpr�vention.

Wird man nach einem Herzinfarkt wieder ganz gesund?

Foto: Panithan stock.adobe.com

Der akute Herzinfarkt wird in den ST-Streckenhebungsinfarkt (STEMI) und den Nicht-ST-Streckenhebungsinfarkt (NSTEMI) unterteilt (1�2). Die Krankenhaussterblichkeit hat insbesondere auch durch den Einsatz der fr�hen Revaskularisationstherapie und die verbesserte medikament�se Therapie �ber die letzten Jahrzehnte abgenommen (3). W�hrend die Sterblichkeit in der Akutphase beim STEMI mit 6�9 % h�her als beim NSTEMI mit 3�5 % ist, bestehen in der Sterblichkeit nach 1�2 Jahren keine wesentlichen Unterschiede. Dies ist durch das h�here Alter und die gr��ere Anzahl von Begleiterkrankungen der Patienten mit NSTEMI zu erkl�ren (4).

In einer prospektiven Registerstudie (4) zeigte sich eine hohe Rate von invasiver Diagnostik, Revaskularizationstherapien und leitliniengerechter medikament�ser Therapie von Patienten mit STEMI und NSTEMI in Deutschland (Tabelle 1). Trotzdem war die Rate von isch�mischen Ereignissen (Tod, erneuter Herzinfarkt und Schlaganfall) in den n�chsten 2 Jahren nach Entlassung mit �ber 10 % relativ hoch, obwohl hierin die Krankenhaussterblichkeit nicht enthalten ist. Auch Patienten, die im ersten Jahr nach Herzinfarkt ohne weiteres Ereignis �berlebt haben, erleiden in den n�chsten 2�3 Jahren in einem hohen Prozentsatz einen erneuten Herzinfarkt (5) oder sterben (Grafik 1). Auch in einer Analyse des gro�en schwedischen SWEDEHEART-Registers zeigte sich im Langzeitverlauf eine kontinuierliche Rate isch�mischer Ereignisse nach Herzinfarkt (6). Interessanterweise waren diese Ereignisse im Wesentlichen durch neue L�sionen der Herzkranzgef��e und nicht durch erneute Isch�mien an der initialen Infarktl�sion bedingt (Grafik 2). Die koronare Herzkrankheit ist also eine chronische Erkrankung, die einer kontinuierlichen Therapie bedarf und nicht durch die Implantation eines oder mehrerer Stents geheilt ist. All diese Ergebnisse belegen die Notwendigkeit der langfristigen intensiven Sekund�rpr�vention, um die Prognose der Patienten mit Herzinfarkt langfristig zu verbessern.

Einfluss der Anzahl der Risikofaktoren auf das ereignisfreie Überleben mehr als 12 Monate nach Entlassung bei Patienten, die bis zu 12 Monate nach Herzinfarkt ereignisfrei geblieben waren (5)

Einfluss der Anzahl der Risikofaktoren auf das ereignisfreie �berleben mehr als 12 Monate nach Entlassung bei Patienten, die bis zu 12 Monate nach Herzinfarkt ereignisfrei geblieben waren (5)

Kumulative Inzidenz für den ersten Reinfarkt innerhalb von 8 Jahren in Abhängigkeit von der ursprünglichen Läsion in der SWEDEHEART-Registerstudie (n = 2 361) (6)

Kumulative Inzidenz f�r den ersten Reinfarkt innerhalb von 8 Jahren in Abh�ngigkeit von der urspr�nglichen L�sion in der SWEDEHEART-Registerstudie (n = 2 361) (6)

Basischarakteristika, invasive und revaskularisierende Maßnahmen sowie medikamentöse Sekundärprävention bei Patienten mit STEMI und NSTEMI in 30 Kliniken in Deutschland im EPICOR-Register (4)

Basischarakteristika, invasive und revaskularisierende Ma�nahmen sowie medikament�se Sekund�rpr�vention bei Patienten mit STEMI und NSTEMI in 30 Kliniken in Deutschland im EPICOR-Register (4)

Risikostratifikation

Eine gro�e Bedeutung in der Betreuung von Patienten nach akutem Herzinfarkt nimmt die Risikostratifikation ein. Insbesondere bei folgenden Befunden oder Begleiterkrankungen besteht ein erh�htes Risiko f�r erneute isch�mische Ereignisse:

  • klinische Zeichen der Herzinsuffizienz und/oder eingeschr�nkte linksventrikul�re Funktion (EF < 45 %),
  • Diabetes mellitus,
  • eingeschr�nkte Niereninsuffizienz (GFR < 60 ml/min),
  • polyvaskul�re Erkrankung (KHK + PAVK),
  • rezidivierende Herzinfarkte,
  • diffuse koronare Mehrgef��erkrankung,
  • andauernder Nikotinkonsum,
  • h�heres Lebensalter,
  • persistierende hs-Troponin-Erh�hung.

Bei Patienten mit mehreren dieser Risikofaktoren erh�ht sich die Ereignisrate nochmals.

Kontrolluntersuchungen nach Herzinfarkt

W�hrend im ersten Jahr nach Herzinfarkt halbj�hrliche Vorstellungen beim Kardiologen sinnvoll sind, sind bei stabilem klinischen Verlauf danach j�hrliche Kontrollen empfehlenswert. Die Abfrage beziehungsweise Evaluation der Gef��risikofaktoren und oben erw�hnten Risikoindikatoren f�r erneute Herzinfarkte und Sterblichkeit sollte mindestens einmal im Jahr vorgenommen werden. Neben der Anamnese und der klinischen Untersuchung empfiehlt sich eine Echokardiografie zur Bestimmung der linksventrikul�ren Funktion, eine ABI-Untersuchung und ein Doppler der Karotiden zur Entdeckung von arteriosklerotischen Erkrankungen der peripheren Gef��e. An Laboruntersuchungen sind die Bestimmung des H�moglobins, des Kreatinins, des LDL-Cholesterins, des Blutzuckers, des HbA1c und des hs-Troponins sinnvoll. Eine Ergometrie ist zur Kontrolle der k�rperlichen Belastbarkeit geeignet. Bei wiederauftretender Angina oder deutlich nachlassender Belastbarkeit sollte eine regionale Isch�miediagnostik mittels Stressechokardiografie, Myokardszintigrafie oder Stress-MRT und gegebenenfalls direkt eine Koronarangiografie erfolgen.

Sekund�rpr�vention

Die derzeitigen Leitlinien empfehlen eine Reihe nichtmedikament�ser und medikament�ser Ma�nahmen nach akutem Herzinfarkt, die in der Tabelle 2 aufgef�hrt sind. Ein wesentlicher Bestandteil ist die antithrombotische Therapie. Hier ist die lebenslange Gabe von Acetylsalicyls�ure (ASS) immer noch der Standard. Gut belegt ist die duale Thrombozytenhemmung mit ASS und einen P2Y12-Rezeptorinhibitor (Clopidogrel, Prasugrel oder Ticagrelor) in den ersten 12 Monaten nach Infarkt. Bei Patienten mit erh�htem Risiko (siehe oben) stehen nach 12 Monaten alternativ die Gabe von Ticagrelor 2 � 60 mg (belegt durch die PEGASUS-Studie [7]) oder Rivaroxabab 2 � 2,5 mg (COMPASS-Studie [8]) zur Verf�gung. Die Dauer dieser Therapien ist nicht genau definiert. Da in beiden Studien die Ereigniskurven immer weiter auseinandergingen, ist eine halbj�hrliche oder j�hrliche Besprechung der Therapie mit den Patienten und bei guter Vertr�glichkeit eine Fortf�hrung sinnvoll. W�hrend in der COMPASS-Studie sowohl die kardiale als auch die nichtkardiale Sterblichkeit reduziert werden konnte (Tabelle 3), war dies im Gesamtkollektiv in der PEGASUS-Studie nicht der Fall. Hier ergab sich lediglich in einer retrospektiven Analyse der sogenannten Label-Population (Einschluss < 2 Jahre nach Infarkt mit initial positivem Troponin) eine Senkung der Gesamt-sterblichkeit.

Empfehlungen zur Sekundärprävention nach Herzinfarkt in den derzeitigen Leitlinien der ESC (1, 2 )

Empfehlungen zur Sekund�rpr�vention nach Herzinfarkt in den derzeitigen Leitlinien der ESC (1, 2 )

Sterblichkeit in der COMPASS-Studie bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit

Sterblichkeit in der COMPASS-Studie bei Patienten mit koronarer Herzkrankheit

Zur Senkung des LDL auf einen Wert unter 70 mg/dl ist in aller Regel die Gabe eines Statins notwendig. Nach den Ergebnissen des IMPROVE-IT-Studie kann die zus�tzliche Gabe von Ezitimibe zur Erreichung des Zielwerts die Infarktrate weiter senken (9). Eine Reduktion der Sterblichkeit wurde in dieser Studie nicht beobachtet. �hnliche Ergebnisse zeigten sich f�r die Gabe eines PCSK9-Inhibitors nach akutem Koronarsyndrom in der ODYSSEE-Outcome-Studie (10). Nur bei einem initialem LDL �ber 100 mg/dl wurde eine Senkung der kardiovaskul�ren Sterblichkeit berichtet.

Die Verordnung eines ACE-Inhibitors oder eines ARBs ist nach Herzinfarkt bei allen Patienten mit arterieller Hypertonie indiziert. W�hrend die Langzeittherapie mit diesen Medikamenten bei Patienten mit eingeschr�nkter LV-Funktion eindeutig belegt ist, ist die Prognoseverbesserung bei Patienten mit erhaltener linksventrikul�rer Funktion und ohne Hochdruck nicht eindeutig belegt. Gleiches gilt f�r die Gabe von Betablockern, die bei Patienten mit guter Ventrikelfunktion sp�testens 1 Jahr nach dem Infarkt abgesetzt werden k�nnen (11).

Probleme der Sekund�rpr�vention

Wie oben erl�utert, sind zur optimalen Sekund�rpr�vention eine Reihe von Ma�nahmen notwendig. Die Lebenstil�nderung mit regelm��iger k�rperlicher Aktivit�t, Nikotinkarenz und auch di�tetischen Ma�nahmen werden leider selten konsequent dauerhaft umgesetzt (12). Zur medikament�sen Sekund�rprophylaxe sind in der Regel mehrere Medikamente notwendig. Allerdings sinkt die Adh�renz der Patienten parallel zur Anzahl der Medikamente und zur Komplexit�t der Verordnung (13).

Dies impliziert, dass zur langfristigen optimalen Sekund�rpr�vention eine gute Aufkl�rung des Patienten �ber sein zuk�nftiges Infarktrisiko und die Notwendigkeit der kontinuierlichen Medikamenteneinnahme notwendig ist. Dazu ist der Einsatz von Patientenp�ssen wie in der ProAcor-Studie sicherlich sinnvoll (15). Eine andere M�glichkeit ist der Einsatz der Polypill zur Verringerung der Anzahl der einzunehmenden Medikamente (16). Au�erdem sollte die Medikation regelm��ig �berpr�ft werden und prognostisch nicht wirksame Medikamente gestrichen werden.

Zusammenfassung

Patienten mit Herzinfarkt sind eine Risikogruppe innerhalb der Patienten mit koronarer Herzkrankheit und haben eine schlechtere Prognose als Patienten mit chronischer KHK ohne Infarktanamnese. Trotz der bisher zur Verf�gung stehenden Therapien haben diese Patienten in den Jahren nach dem Infarkt weiterhin ein erh�htes Risiko f�r isch�mische Ereignisse, insbesondere bei zus�tzlichen Risikomerkmalen. Neue Ans�tze wie die intensivierte antithrombotische Therapie mit Ticagrelor oder Rivaroxaban und die intensivisierte LDL-Senkung mit Ezitimibe und PCSK-9-Inhibitoren sind in der Lage, die Prognose dieser Risikopatienten zu verbessern. ▄

DOI: 10.3238/PersKardio.2019.10.04.05

Interessenkonflikt: Der Autor erhielt Vortrags- und Beraterhonorare von den Firmen Amgen, Bayer, Boehringer Ingelheim, Daiichi Sankyo, Novartis, BMS, Pfizer, Sanofi, Ferrer und Medicine Company sowie Reise- und Kongressgeb�hrenerstattungen von Bayer und Daiichi Sankyo.

Kann man nach einem Herzinfarkt wieder gesund werden?

Der erste wichtige Schritt nach einem überstandenen Herzinfarkt ist für Sie eine Kur, die sowohl stationär als auch ambulant erfolgen kann. Diese sogenannte Anschlussheilbehandlung verbessert Ihre Prognose laut aktuellen Studien deutlich.

Wie lange braucht der Körper um sich von einem Herzinfarkt zu erholen?

Wie lange dauert die Erholung nach einem Herzinfarkt? Manche Patienten erholen sich bereits wenige Wochen nach dem Herzinfarkt, bei anderen bleibt eine dauerhafte Leistungsschwäche zurück.

Kann man nach einem Herzinfarkt normal Leben?

Heute sind Ihre Überlebenschancen nach einem Herzinfarkt deutlich besser als noch vor Jahren. Dennoch sollten Sie nach einem derart einschneidenden Ereignis nicht weiterleben wie zuvor. Entscheiden Sie sich lieber ganz bewusst für einen gesunden Lebensstil.

Wie verändert sich das Leben nach einem Herzinfarkt?

Langfristige Folgen eines Herzinfarkts Daraus kann sich eine dauerhafte Herzschwäche (chronische Herzinsuffizienz) entwickeln. Dabei wird das abgestorbene Muskelgewebe durch Narbengewebe ersetzt, das die Herzfunktion nicht mehr unterstützen kann. Je mehr Vernarbungen, desto schlechter pumpt das Herz.