Zu gut für die Tonne gründung

Sieben Berliner wollen einen Ort schaffen, an dem das Thema Lebensmittelverschwendung auf den Tisch kommt. Ein Restaurant, das seine Menüs aus Produkten zubereitet, die vor der Tonne gerettet wurden. Das Projekt soll mit Hilfe einer Crowdfunding-Kampagne realisiert werden. Menschen davon überzeugen, dass wir viel zu viele Lebensmittel verschwenden, mit viel Geschmack und ohne erhobenen Zeigefinger: Das ist die Idee hinter „Restlos Glücklich“. Das Berliner Startup plant das erste Restaurant Deutschlands, in dem überwiegend mit Lebensmitteln gekocht wird, die vor der Tonne gerettet wurden. Wechselnde „Reste à la Carte“-Menüs sollen nicht nur ein Geschmacksvergnügen der anderen Art sein, sondern die Gäste auch zum Umdenken bewegen. „Wir müssen Lebensmittel endlich wieder mehr wertschätzen und verantwortungsvoller mit ihnen umgehen“, so Anette Keuchel, Gründungsmitglied von „Restlos Glücklich“. Um das zu erreichen, soll es nicht beim normalen Tagesgeschäft bleiben. Das Restaurant soll ein Non-Profit-Projekt werden, die Gewinne in ein Bildungsprogramm mit Kochkursen und Workshops fließen. „Wenn das Projekt erst einmal läuft, hoffen wir mit ein bis zwei bezahlten Köchen und ein bis zwei bezahlten Arbeitskräften, die Vollzeit für das Management verantwortlich sind, durchzukommen. Der Service soll vollständig von Freiwilligen übernommen werden“, so Stefan Wingendorf von „Restlos Glücklich“.

50.000 Euro in vierzig Tagen

Noch in diesem Herbst soll das Restaurant seine Türen öffnen. Die Gründungskosten sollen durch eine Crowdfunding-Kampagne gedeckt werden, die am 18. August 2015 startet. Das Ziel: 50.000 Euro in vierzig Tagen. Hinter der Initiative „Restlos Glücklich“ stehen sieben junge Berliner, die allesamt ehrenamtlich für das Projekt arbeiten. Ein Restaurant eröffnet hat bisher keiner von ihnen. „Natürlich war es am Anfang nicht einfach, weil wir erst einmal lernen mussten, was alles zu einer Gründung dazu gehört“, erinnert sich Stefan Wingendorf. „Aber wir sind ein intelligentes, engagiertes und vielseitiges Team.“ So konnte die Initiative bereits Erfolge verbuchen und einige Cateringaufträge an Land ziehen, unter anderem für den Essensretterbrunch in Berlin. „Alles in allem bin ich mir aufgrund des bisher Erreichten, des guten Konzepts, besonders aber wegen unseres einzigartigen Teams und unseres Netzwerks aus ehrenamtlichen Helfern sicher, dass uns die Gründung zuzutrauen ist!“

Gesucht: Weitere Partner

Auch erste Lebensmittellieferanten, wie einen Bio-Großhändler, konnte die Initiative bereits akquirieren. Weitere Gespräche mit Bauern aus der Region laufen bereits. „Wir können aber noch weitere Partner gebrauchen“, so Stefan Wingendorf. Landwirte können in Deutschland häufig bis zu einem Drittel ihrer Ernte nicht an den Handel verkaufen, weil die Lebensmittel in Form, Farbe oder Größe nicht der Norm entsprechen. Supermärkte entsorgen Produkte zudem vorzeitig, weil die Verpackungen beschädigt oder falsch etikettiert sind oder sie aus lagertechnischen Gründen nicht länger behalten können.

Europäische Vorreiter

Das Berliner Restaurant soll nach dem Vorbild anderer Gastro-Modelle im europäischen Ausland eröffnet werden. Wie das Rub & Stub, das 2013 in Kopenhagen Eröffnung feierte und seitdem erfolgreich Essen aus Lebensmitteln auf den Teller bringt, die eigentlich in der Tonne gelandet wären. „Restlos Glücklich“ ist ein großartiges Projekt“, so Søren Grimstrup, Koch im Rub & Stub. „Wir hätten es gerne als Verbündeten im Kampf gegen die Lebensmittelverschwendung.“

Zu gut für die Tonne gründung
Foto: RR
Die Sieger der ersten Bundespreise „Zu gut für die Tonne!“

Am 13. April 2016 verlieh der Bundesernährungsminister Christian Schmidt im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Berlin die ersten Bundespreise „Zu gut für die Tonne!“. Seit 2012 hat sich das Bundesministerium das Problem der Lebensmittelverschwendung auf die Fahnen geschrieben, denn rund elf Millionen Lebensmittel werden pro Jahr in Deutschland weggeworfen.

Dieses Problem haben auch die zahlreichen Bürgerinitiativen, Unternehmen, Privatpersonen und Organisationen in Deutschland erkannt. Sie machen seit Jahren darauf aufmerksam, dass die Kennzeichnung mit dem Haltbarkeitsdatum auf Lebensmittelverpackungen nur in die Irre führt und viele Lebensmittel noch nicht in die Tonne gehören. Die Wegwerfmentalität betrifft nicht nur die privaten Haushalte. Gestern brachte es die Moderatorin Bettina Rust auf den Punkt: Sie gehen einkaufen, wo greifen Sie ins Regal? Natürlich nicht zur ersten Verpackung. Sie greifen nach hinten, weil dort meistens die Wurst mit einem längeren Haltbarkeitsdatum liegt. Oder die zweite Frage: Würden Sie ein Essen aus Resten im Restaurant bestellen? Oder hätten Sie dabei auch ein mulmiges Gefühl? Auf diese Weise gehen 82 Kilogramm pro Kopf im Jahr in die Tonne.

Zu gut für die Tonne gründung
Foto: RR

Da diese Lebensmittelvernichtung nicht nur in privaten Haushalten vorkommt, sondern auch im Handel, in der Gastronomie, der Produktion sowie in Bildung und Gesellschaft, wurde durch die Initiatoren Prof. Dr. Dr. Klaus Töpfer, ehemaliger Bundesumweltminister und Christian Schmidt, Bundesminister, die Idee geboren, 2016 zum ersten Mal einen Bundespreis „Zu gut für die Tonne! – Engagement gegen Lebensmittelverschwendung“ auszurufen. Diese Auszeichnung soll dazu beitragen, dass das persönliche und vielfältige Engagement zur Wertschätzung und gegen die Verschwendung von Lebensmitteln noch mehr in den Mittelpunkt der Gesellschaft gerückt wird.

Die Jury, bestehend aus Prof. Dr. Dr. Klaus Töpfer, Ingrid Hartges (Hauptgeschäftsführerin Deutscher Hotel- und Gaststättenverband e.V.), Cherno Jobatey (TV-Moderator und Journalist), Christoph Minhoff (Hauptgeschäftsführer Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie e.V.), Christian Rach (Sternekoch, Moderator und Fernsehkoch), Valentin Thurn (Dokumentarfilmer, Mitbegründer von foodsharing.de) und Yvonne Willicks (Fernsehmoderatorin WDR-Servicezeit und ARD-Haushaltscheck) hatten einige schwierige Aufgaben zu lösen. Sie mussten aus 230 Einsendungen die besten Projekte heraussuchen. Rach sagte: „Gut, das ich vor meiner Zusage nicht gewusst habe, was das für einen Zeitaufwand bedeuten würde“.

So hatten die Jurymitglieder die Qual der Wahl, aber sie mussten die Einsendungen nach den fünf Kriterien Themengenauigkeit, Kreativität/Innovation, Engagement, Erfolg und Vorbildwirkung bewerteten und entscheiden. Die 16 besten Projekte wurden in vier Kategorien nominiert: Handel, Gesellschaft und Bildung, Produktion und Gastronomie.

Die Sieger sind:

  • Unternehmenskooperation Im Angebot e.K. & SALT Solutions aus Leipzig (Handel), Laudator: Cherno Jobatey
  • Foodsharing, Köln (Gesellschaft & Bildung), Laudatorin: Yvonne Willicks
  • Biond, Kassel (Gastronomie), Laudatorin: Ingrid Hartges
  • Ugly Fruits, Berlin-Neukölln (Produktion), Laudatorin: Valentin Thurn
  • Der Förderpreis, der mit 3.000 Euro dotiert ist, ging an das Konzept „Nimm mich zuerst, Köln“ von Noelle Gangloff. Die Laudatio hielt Christoph Minhoff.

Zum Abschluss bedankte sich der Bundesernährungsminister Christian Schmidt für die ehrenamtliche Tätigkeit der Jury und erklärte: „Mein Ziel ist es, bis 2030 die Nahrungsmittelverschwendung zu halbieren – so wie es die Vereinten Nationen in der Agenda 2030 beschlossen haben. Das ist ein ambitioniertes Ziel. Aus diesem Grund brauchen wir innovative Ideen – in Produktion und Vermarktung, in Handel und Gastronomie – und wir brauchen das Engagement jedes Einzelnen“. www.zugutfuerdietonne.de

von RR

Was ist zu gut für die Tonne?

– Bundespreis 2022 trägt zur Umsetzung der Nationalen Strategie zur Reduzierung der Lebensmittelverschwendung bei. Mit Zu gut für die Tonne! sollen Verbraucherinnen und Verbraucher für das Thema Lebensmittelverschwendung sensibilisiert werden und hilfreiche Tipps bekommen, wie sie Lebensmittelabfälle vermeiden können.

Wie gehen wir mit Resten um?

18 Tipps gegen Lebensmittelverschwendung.
Den Einkauf besser planen. Das ist eigentlich nichts Neues. ... .
Nicht hungrig einkaufen gehen. ... .
Mut zu hässlichem Obst & Gemüse. ... .
Essen, was essbar ist. ... .
Saisonal und regional einkaufen. ... .
Auf den Hunger hören (lernen) ... .
Reste einpacken und mitnehmen. ... .
Lebensmittel richtig lagern..

Wie heißt die App wo man essen retten kann?

Die App "Too Good To Go" vernetzt Restaurants, Bäckereien und Supermärkte mit Verbrauchern, die übriggebliebene Lebensmittel vor der Mülltonne retten wollen. Die Gerichte oder Produkte werden zu einem wesentlich geringeren Preis verkauft.

Was sind die Folgen der Lebensmittelverschwendung?

Mit jedem weggeworfenen Lebensmittel ist ein hoher Verbrauch an Energie, Wasser und anderen Rohstoffen in der Kette vom Anbau bis zum Handel verbunden. Beispielsweise werden für die Menge der weggeworfenen Lebensmittel knapp 30 Prozent der weltweit verfügbaren Anbauflächen unnötig genutzt.