Der Mensch ist das Maß aller Dinge erklärung

Mit dem technisch-philosophischen Ansatz in „Grundlinien einer Philosophie der Tech­nik. Zur Entstehungsgeschichte der Cultur aus neuen Gesichtspunkten" hatte Ernst Kapp seine Theorie der Organprojektion erörtert. Diese Theorie erlautert den Zusam- menhang zwischen technischen Errungenschaften, die auch kulturelle Errungenschaf- ten sind, und dem Menschen. Kapp betrachtet hier zwei Bereiche zusammen, die nicht zusammengehören, aber bei genauerer Betrachtung einen signifikanten Zusammen- hang haben. Sein Ziel war es, die Techniktheorie in den Bereich des Menschen und der Kultur einflieften zu lassen. Sein Ausgangspunkt hierbei war der Mensch. Er hatte zeigen wollen, dass es eine Wechselwirkung zwischen dem Menschen und derTech- nik gibt und somit die Kultur vorangetrieben wird. Die Projektion geht aber nicht nur vom Menschen aus, sondern beeinflusst diesen auch rückwirkend und treibt ihn evo- lutionar an. Jedoch hatte er es nicht geschafft jede technische Errungenschaft mit dem Menschen zu erklaren.1 Ich möchte untersuchen, welche Bedeutung Kapps Theorie in der heutigen Zeit noch hat. Also ob der Mensch immer noch als Maft aller Dinge ge- sehen werden könnte, wenn Kapps Theorie genauso stimmt.

Die Theorie der Organprojektion ist Ausgangs- und Mittelpunkt von Kapps Technikphi- losophie. Die Annahme ist, dass technische Artefakte das Ergebnis des Prozesses der Projektion der eigenen Organesind. „Auch Psyche und Geist [...] [sind] grundsatzliche Quellen menschlicher Technik".2 Also werden im weiteren Verlauf, neben technischen Errungenschaften, auch Sprache und Staatswesen diskutiert. Der Mensch ist Aus­gangspunkt, da vom ,,anthrophologische[n] Standpunkt de[r] Mensch[en] als die Spitze der gesamten Entwicklungsreihe der organischen Bildung auf der Erde, und dann überhaupt als die Krone der Schöpfung"3 gesehen wird. „Kapp geht es in seiner The­orie der Organprojection keineswegs nur urn den Aspekt der Entstehung technischer Artefakte, sondern genauso, und dies ist kulturhistorisch von nicht unwesentlicher Be­deutung, urn die Rückprojektion des technischen Artefakts auf den Menschen zum besseren Verstandnis seiner Organe und letztendlich seiner selbst".4 Kapp selbst er- klart es folgenderma&en: ,,[D]er unbewusst dem organischen Vorbild nachgeformte Mechanismus dient seinerseits wieder nach rückwarts als Vorbild zur Erklarung und zum Verstandnis des Organismus, dem es seinen Ursprung verdankt".5 Der Mensch ist also eng mit der Technik verbunden.

„In dieser Vorstellung wird der Mensch in seiner gestaltenden Funktion gesehen, die ihm aber in seiner Abhanigkeit von Werkzeugen und Maschinen ebenso unbewusst bleibt wie die Anatomie der Maschinienwelt als Analogie zur physiologischen Struktur des menschlichen Körpers.“6

„Die technischen Medien haben damit ihren eigenstandigen Anteil an der Wirklichkeits- vorstellung unserer Kultur".7 Kapp begreift Technik „epistemologisch", also „offenbaren die technischen Werke ein Wissen des Menschen über sich selbst".8 Und dies ist heut- zutage immernoch so. „Unsere aktuellen Organprojektionen sind die Smartphones, die wir immer dabeihaben und die standig mit dem Internet verbunden sind."9 Smartpho­nes kann man also rückwirkend auf das Gehirn zurückführen, da im Smartphone, ge- nau wie im Gehirn alles gespeichert ist. Diese Organprojektion ist nur urn vieles wis- sensreicher als das normale menschliche Gehirn, da man dort zu jeder Zeit Unmengen an Informationen abrufen kann.

Ernst Kapps „Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungsgeschichte der Cultur aus neuen Gesichtspunkten" 1877 und 2015 bietet die grundlegenden Ge- danken der Theorie auf denen diese Arbeit aufbaut. Harun Maye hat in Zusammenar- beit mit Leander Scholz das Buch „Ernst Kapp und die Anthropologie der Medien" ver- öffentlicht. In diesem Sammelband finden sich viele Texte von Wissenschaftlern, die sich mit dem Ansatz von Kapp beschaftigt haben, die ihn weiterdenken, hinterfragen und auch die Hintergründe weiter erklaren. Der Beitag von Theordor Langenbruch im Buch von Hans-Martin Sass, geben Aufschluss zum Hintergrund der Technikphiloso- phie von Kapp. Alois Huning beschreibt in seinem Beitrag zu Ernst Kapp ebenfalls die Grundlagen. Michael P. Veit erlautert auch die Hintergründe der Philosophie der Tech­nik in seinem gleichnamigen Werk, aber er geht ebenso auf die Gegenwart, das heu- tige Leben, die modernen Technikphilosophien ein. Frank Hartmann beschreibt in sei­nem Werk unter anderem wie Schrift und Sprache als technisch, kulturelle Errungen- schaft zu verstehen sind. Auch geht er darauf ein wie Kultur, Denken und Technik zusammenhangen. In einem anderen Beitrag im Buch, herausgegeben von Stefan Weber, geht er auf die anthropomorphen Technikmodelle, Darwins Evolutionstheorie im Zusammenhang mit der Organprojektion und die Abhangigkeit des Menschens zur Technik ein. In einem Beitrag in der Zeitschrift ,,merz“ geht Hartmann kurz auf die Or­ganprojektion von Kapp ein. Auch hier beschreibt er die Abhangigkeit des Menschens von der Technik. Ebenfalls spricht er an wie der Mensch sich mit der Technik vom tierischen Zustand befreit und somit als die Spitze der Evolution angesehen werden kann.

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1 Friedrich Kittler, „Ernst Kapps Thechnikphilosophie", Ernst Kapp und die Anthropologie der Medien, hg. v. Harun Maye/LeanderScholz, Berlin: Kulturverlag Kadamos2019, S. 151-155, hierS. 154.

2 Alois Huning, „KAPP Ernst. Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungsgeschichte der Cultur aus neuen Gesichtspunkten“, Nachdenken über Technik. Die Klassiker der Technikphi- losophie, hg. v. Christoph Hubing, et al., Berlin: Ed.Sigma, 2000, S. 215-219, hier S. 217

3 Ernst Kapp, Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungsgeschichte der Cultur aus neuen Gesichtspunkten, Brauenschweig: George Westermann 1877, S. 16.

4 Michael P. Veit, Philosophie Der Technik: Von Den Anfangen Bis Zur Gegenwart, Hamburg: Diplomica Verlag, 2014, S. 17.

5 Ernst Kapp, Grundlinien einer Philosophie der Technik. Zur Entstehungsgeschichte der Cultur aus neuen Gesichtspunkten, hg. v. Christian A. Bachmann, Sylvia Kokot, Berlin: Christian A. Bach­mann Verlag 2015. S. 45.

6 Frank Hartmann, „Extensionen des Menschen. Prothesen des Geistes“, Behinderte Menschen und Medien, merz 2003/3, S.163-168, hier S. 165.

7 Frank Hartmann, „Techniktheorien der Medien", Theorie der Medien. Von der Kulturkritik bis hin zum Konstruktivismus, hg. v. Stefan Weber, Konstanz: UTB GmbH 2003, S.50-80, hier S. 50.

8 Harun Maye/Leander Scholz et al., Ernst Kapp und die Anthropologie der Medien. Berlin: Kulturverlag Kadmos, 2019, Bd. 179, S. 8.

9 Frank Hartmann, „Telegrafie und Organprojektion", ErnstKapp und dieAnthropologie derMedien, hg. v. Harun Maye/Leander Scholz, Berlin: Kulturverlag Kadamos 2019, S. 77-88, hier S. 88.