Sollte man sich gegen Gürtelrose impfen lassen wenn man keine Windpocken hatte?

Windpocken
Erkrankte haben zunächst 1 bis 2 Tage ein leichtes Krankheitsgefühl und gelegentlich Fieber. Danach zeigt sich der typische Hautausschlag, das Fieber kann selten über 39°C steigen. Der stark juckende Ausschlag breitet sich von Kopf und Rumpf über den ganzen Körper aus. Rasch bilden sich daraus flüssigkeitsgefüllte Bläschen, die auch die Schleimhäute, Genitalien und Kopfhaut befallen können. Sie trocknen später zu Krusten aus. Alle Stadien des Hautausschlages erscheinen typischerweise zeitgleich. Die Bläschen selbst heilen meistens nach 3 bis 5 Tagen ab. Durch starkes Kratzen oder eine zusätzliche bakterielle Infektion der Haut können jedoch Narben zurückbleiben. Schwere Verläufe kommen vor allem bei Neugeborenen oder Menschen mit einer geschwächten Immunabwehr vor, sie sind aber auch bei ansonsten Gesunden möglich.


Mögliche Komplikationen

  • Zusätzliche bakterielle Infektionen der Haut sind möglich.
  • Gefürchtet ist eine Lungenentzündung. Sie tritt bei etwa jedem 5. Erwachsenen auf, beginnt gewöhnlich 3 bis 5 Tage nach Krankheitsausbruch und kann schwer verlaufen. Schwangere Frauen sind besonders gefährdet.
  • Selten ist das zentrale Nervensystem betroffen: Gleichgewichtsstörungen und eine Reizung der Hirnhäute sind mögliche Folgen.  

Während der Schwangerschaft

  • Selten können Windpocken in den ersten 6 Monaten der Schwangerschaft zu Hautveränderungen, Augenschäden, schweren Fehlbildungen und neurologischen Krankheiten des Kindes führen.
  • Erkrankt die Schwangere um den Geburtstermin, kann eine Windpocken-Infektion für das Kind lebensbedrohlich sein. Bis zu 30 % der Kinder sterben.


Gürtelrose
Typischerweise treten flüssigkeitsgefüllte Bläschen auf. Sie röten sich, schwellen an und schmerzen. Meistens sind sie auf einen Hautabschnitt einer Körperhälfte begrenzt, in der Regel gürtelförmig am Rumpf, seltener auch am Kopf oder Hals. Nach 1 bis 2 Wochen heilen die Bläschen unter Krustenbildung ab. In der Regel verschwinden die Schmerzen zusammen mit dem Hautausschlag. Die Schmerzen können jedoch auch nach der Abheilung bestehen bleiben, zum Teil jahrelang. Mögliche, aber seltene Komplikationen sind Nerven- oder Gehirnentzündungen.

Verantwortlich für Gürtelrose ist ein Herpesvirus, das Varicella-zoster-Virus (VZV). Es führt bei Erstinfektion zum Krankheitsbild der Windpocken, verbleibt danach jedoch ein Leben lang im Körper und kann bei Reaktivierung eine Gürtelrose auslösen. 

Somit ist Voraussetzung für einen Herpes Zoster eine frühere Infektion mit Windpockenerregern. Am häufigsten trifft eine Gürtelrose immungeschwächte und ältere Menschen. Doch auch immungesunde Jüngere sind nicht zu 100 Prozent vor einer Erkrankung gefeit. 

Eine Gürtelrose macht sich vor allem durch einen juckenden und schmerzenden Hautausschlag bemerkbar, meist an Bauchnabel und Brust, aber auch an Armen, Beinen, Oberschenkel oder Kopf, der sich erst nach zwei bis vier Wochen wieder bessert. Dem Hautausschlag können schon Tage zuvor Symptome vorauseilen – Schmerzen, Taubheitsgefühle, Kribbeln, Jucken sowie Rötungen, Schwellungen, Fieber und Kopfschmerzen. 

Nicht immer heilt eine Herpes-Zoster-Erkrankung problemlos aus. Komplikationen einer Gürtelrose können sich als Post-Zoster-Neuralgie – starke Nervenschmerzen – oder als Hirnhautentzündung äußern. 

Zur Behandlung einer Gürtelrose stehen antivirale Arzneimittel zur Verfügung. Immungesunde Menschen erhalten orale Antiviralia, zum Beispiel Aciclovir, während immungeschwächte Menschen Aciclovir-Infusionen verabreicht bekommen. 

Ein Herpes Zoster kann auch nach Impfung mit einem Lebendimpfstoff gegen Windpocken auftreten, allerdings ist das Risiko für eine Gürtelrose – laut RKI – bei geimpften Kindern drei- bis zwölfmal geringer als bei ungeimpften Kindern. 

Man sieht sich immer zweimal im Leben. Leider trifft das Sprich­wort oft auch auf Varicella-Zoster-Viren zu. Zuerst verursachen sie meist schon im Kindes­alter Wind­pocken, also juckende Pusteln am ganzen Körper. Die verschwinden wieder, doch die Viren bleiben. Sie können Jahr­zehnte in bestimmten Regionen der Nerven schlummern. Ist das Immun­system geschwächt, etwa durch Alter oder Krankheit, nutzen sie die Chance. Sie zeigen sich dann abermals als Ausschlag, der oft bandförmig erscheint und mit starken Schmerzen einhergeht: die Gürtelrose, fach­sprach­lich Herpes Zoster.

Neuer wirkungs­voller Impf­stoff

Zum Schutz vor dem Virus in beiden Varianten gibt es Impfungen. Die gegen Wind­pocken steht regulär bei kleinen Kindern an; die gegen Gürtelrose ist für ältere Menschen gedacht. Beide bewerteten wir in den vergangenen Jahren negativ. Inzwischen hat sich einiges getan.

Veränderte Bewertung

Daher fällt das Urteil unserer Impf-Experten bei ihrer Neube­wertung weit besser aus: Sie stufen die Wind­pocken-Impfung für Kinder sowie für Erwachsene, die Wind­pocken nicht durch­gemacht haben und zu einer Risikogruppe gehören, als sinn­voll ein. Das gilt auch für die Impfung Älterer gegen Gürtelrose mit Shingrix. Im Gegen­satz zum bereits länger erhältlichen Impf­stoff Zostavax über­nimmt ihn die Krankenkasse.

Gürtelrosen-Impfung ab 60 sinn­voll

Hohe Immun­antwort. Shingrix ist ein Totimpf­stoff. Er enthält nur bestimmte Proteine des Varicella-Zoster-Virus. Laut Studien erzeugt er eine hohe Immun­antwort, schützt wirkungs­voll vor Gürtelrose und so vor chro­nischen Schmerzen – einer gefürchteten Folge.

Richtiges Timing. Zugelassen ist Shingrix ab 50 Jahre. Doch in diesem Alter ist das Risiko für Gürtelrose noch sehr gering. Zudem ist noch nicht ganz klar, wie lang die Impfung wirkt. Daher raten unsere Experten generell erst ab 60 dazu; quasi als Schutz zur rechten Zeit.

Abweichende Empfehlung. Damit unterscheidet sich unsere Einschät­zung etwas von der Empfehlung der Ständigen Impf­kommis­sion (Stiko). Sie rät bei Vorerkrankungen wie Immun­schwäche bereits ab 50 Jahren zu Shingrix.

Liefer­engpässe bei Shingrix

Es bleibt ein praktisches Problem: Die Nach­frage nach Shingrix war 2019 hoch, der Impf­stoff oft knapp. Patienten können etwa mit dem Haus­arzt besprechen, ob und wann die Impfung möglich ist. Sie erfordert zwei Dosen im Abstand von zwei bis sechs Monaten.

Neben­wirkungen im Blick

Zu den möglichen Neben­wirkungen zählen vorüber­gehende Schmerzen an der Einstich­stelle. Beim Paul-Ehrlich-Institut (PEI) sind Meldungen über Verdachts­fälle einge­gangen, bei denen Symptome einer Gürtelrose wie bläschen­artige Haut­re­aktionen nach einer Shingrix-Impfung aufgetreten sind. Gerade läuft eine Beobachtungsstudie zum Thema. Das PEI bittet Ärztinnen und Ärzte mitzumachen und das PEI zu kontaktieren, falls in ihrer Praxis entsprechende Verdachts­fälle im Zusammen­hang mit der Impfung auftreten. Die Studie soll die möglichen Neben­wirkungen abklären. Wie immer gilt es, Risiken und Nutzen abzu­wägen: Laut Zulassungs­studien verhindert Shingrix nahezu alle Fälle von Gürtelrose bei Menschen ab 60 Jahren.

Effizienter Impf­schutz gegen Wind­pocken

Gegen Wind­pocken gibt es verschiedene Lebend­impf­stoffe (Tabelle). Sie enthalten abge­schwächte Viren – und schützen laut Studien sehr effizient vor den ungezähmten. Alltags­daten belegen das. In Deutsch­land gab es bis 2004, als die allgemeine Impf­empfehlung für Kinder kam, jähr­lich zirka 750 000 Wind­pocken-Fälle. Derzeit sind es etwa 22 600. Die Impf­quote bei Kindern liegt inzwischen bei mehr als 80 Prozent. Auch diese Impfung kann Neben­wirkungen verursachen, etwa vorüber­gehende Beschwerden an der Einstich­stelle oder Haut­ausschläge.

Welche Rolle spielt der „Booster-Effekt“?

An der Wind­pocken-Impfung gab es seit ihrer Einführung durch­aus Kritik, ange­fangen bei der Notwendig­keit. Schließ­lich sind Wind­pocken bei Kindern meist harmlos. Bezüglich Gürtelrose schienen sogar negative Folgen denk­bar – für die ältere Generation. Das Stich­wort heißt „Booster-Theorie“. Demnach ist es für Erwachsene nach einer früheren Wind­pocken-Infektion wichtig, ab und an mit wind­pockenkranken Kindern in Kontakt zu kommen. Das diene quasi als Erinnerungs­kick fürs Immun­system und somit als Schutz vor Gürtelrose. Und der falle infolge vieler geimpfter Kinder weg.

Kombinierte Impf­strategie

Laut aktuellen Studien, die 2019 und 2020 erschienen, spielt der Booster-Effekt tatsäch­lich eine Rolle – aber eine kleinere als bisher angenommen. Hinzu kommt: Zum Schutz vor Gürtelrose gibt es ja nun den neuen Impf­stoff Shingrix (Tabelle). Es wirkt also günstig zusammen, Kinder gegen Wind­pocken zu impfen – und ältere Menschen gegen Gürtelrose.

Wind­pocken-Impfung schützt vielleicht auch vor Gürtelrose

Vielleicht wird Shingrix irgend­wann sogar wieder über­flüssig. Denn noch eine positive Nach­richt zeichnet sich ab: Die Wind­pocken-Impfung scheint die Geimpften selber auch vor einer späteren Gürtelrose zu schützen. Allerdings liefen die Studien dazu noch nicht allzu lang. Sie erfassen vor allem die – vergleichs­weise seltene – Gürtelrose bei Kindern. Wie sich die Raten im höheren Alter entwickeln, wenn die Menschen anfäl­liger sind, bleibt abzu­warten.

Herden­immunität drängt Infektionen zurück

Schon jetzt nützt es der Gesell­schaft, wenn viele Kinder gegen Erreger wie Wind­pocken, Röteln oder Masern geimpft sind. Denn wenn sie nicht erkranken, stecken sie niemanden an. Diese „Herden­immunität“ drängt Infektionen insgesamt zurück und hilft vor allem jenen, die selber nicht geimpft werden dürfen. Dazu zählen Immun­geschwächte und Schwangere. Für sie können auch die abge­schwächten Viren von Lebend­impf­stoffen gefähr­lich werden – und erst recht die natürlichen. 

Nutzer­kommentare, die vor dem 28. Juli 2020 gepostet wurden, beziehen sich auf eine frühere Veröffent­lichung zum selben Thema.

Wer sollte sich nicht gegen Gürtelrose impfen lassen?

Außerdem ist der Lebendimpfstoff nicht zur Impfung von Personen mit geschwächtem Immunsystem geeignet, die aufgrund einer Immunschwäche oder einer immunsuppressiven Therapie ein erhöhtes Risiko haben, an Herpes zoster zu erkranken (Epid. Bull.

Hatte keine Windpocken trotzdem Gürtelrose Impfung?

Ergibt eine Shingrix®-Impfung somit keinen Sinn bei Personen, die nie an Windpocken erkrankt waren? Das stimmt so in der Tat. GSK erklärt dazu auf Nachfrage von DAZ. online: „Die Impfung ist nicht sinnvoll für Personen, die keine Varizellen-Impfung erhalten haben, aber auch nie an Windpocken gelitten haben.

Kann man Gürtelrose bekommen ohne Windpocken zu haben?

Menschen, die noch keine Windpocken hatten, können sich bei Kontakt mit der Bläschenflüssigkeit einer Gürtelrose mit dem Varizella-Zoster-Virus anstecken. Die Ansteckung kann dann zunächst nur zu einer Windpocken-Erkrankung führen, nicht zu einer Gürtelrose.

Wann sollte ich mich nicht gegen Gürtelrose impfen lassen?

So kann das Risiko für weitere Erkrankungen verringert werden. Die Impfung ist allerdings nicht für die Behandlung der Gürtelrose geeignet. Daher sollte erst geimpft werden, wenn die Gürtelrose abgeklungen ist.