Steuerbescheid vorläufig nach 165 Abs 1 Satz 2 AO teilweise



Soweit ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind (etwa aufgrund eines bei Gericht anhängigen Verfahrens), kann diese vom Finanzamt als vorläufig festgesetzt werden (§ 165 Abs. 1 AO), sog. Vorläufigkeitsvermerk im Steuerbescheid.

Dieser vermittelt allerdings den Eindruck, der Steuerpflichtige müsse in dieser Rechtsfrage ab dem Zeitpunkt, ab dem das Finanzamt den Vorläufigkeitsvermerk anbringt, nicht mehr tätig werden. Doch das Gegenteil ist der Fall!

Beispiel: Rentenversicherungsbeiträge als vorweggenommene Werbungskosten

Mit BMF-Schreiben vom 2.8.2005 (IV A 7 – S 0338 – 81/05) wurde o.g. Punkt in die Liste der Vorläufigkeitsvermerke aufgenommen. Steuerbescheide ergehen nunmehr im Hinblick auf die Nichtabzugsfähigkeit der Rentenversicherungsbeiträge als vorweggenommene Werbungskosten als vorläufig. Die vorläufige Steuerfestsetzung betrifft aber lediglich die Frage, ob ein Steuergesetz mit höherrangigem Recht (also Verfassungsrecht, Europarecht) vereinbar ist (nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO) – hier also die Frage, ob eine eventuell gegebene Doppelbesteuerung verfassungswidrig ist.

Sollte das BVerfG zum Ergebnis kommen, es liege keine Doppelbesteuerung vor – hingegen der BFH aus steuersystematischen Gründen entscheiden, die Rentenversicherungsbeiträge seien als vorweggenommene Werbungskosten statt als Sonderausgaben zu behandeln, ist dies vom Vorläufigkeitsvermerk nicht gedeckt.

Das Beispiel zeigt, in jedem Fall ist ein gesonderter Einspruch des Steuerpflichtigen empfehlenswert! Denn nur, wer seinen Steuerbescheid mittels Einspruch offen gehalten hat, könnte von der Entscheidung des BFH profitieren.

Ebenso bedeutet ein Vorläufigkeitsvermerk nicht zwingend, dass Bescheide zurückliegender Jahre ebenfalls als vorläufig erlassen werden. Es ist deshalb anzuraten, selbst tätig zu werden, vorausgesetzt Einsprüche stehen noch offen und der Bescheid kann auch angegriffen werden.

Praxishinweis:

Es ist ratsam, den Einspruch mit Verweis auf das beim BFH anhängige Verfahren zu erheben – hier z.B. X R 11/05 mit Vorinstanz FG Düsseldorf vom 17.3.2005, 11 K 6920/02 E.

Beispiel: Solidaritätszuschlag

Beim Finanzgericht Münster ist derzeit ein Verfahren hinsichtlich der Frage der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlages anhängig (12 K 6263/03 E). Diesbezüglich werden Steuerbescheide aber nicht als vorläufig gewertet, denn erst mit Anhängigkeit des Verfahrens vor dem BFH (oberstes Bundesgericht, BVerfG oder EuGH, § 165 Abs. 1 Nr. 3 AO) kann ein Sachverhalt in den Katalog der Vorläufigkeitsvermerke aufgenommen werden.


Praxistipp:

Der Deutsche Steuerberaterverband empfiehlt daher, bis auf weiteres sämtliche Einkommen- und Körperschaftsteuerbescheide ab dem Veranlagungszeitraum 2002 offen zu halten.

Bitte beachten Sie: Eine Aussetzung der Vollziehung wird dadurch nicht gewährt.

Dr. Martin Mader, Herrieden,

E-Mail:

BC 10/2005


Vorläufige Steuerfestsetzung Definition

Nach § 165 Abs. 1 Satz 1 AO kann die Steuer vorläufig festgesetzt werden, wenn ungewiss ist, ob die Voraussetzungen für die Entstehung einer Steuer eingetreten sind.

Beispiel

Für das Finanzamt ist ungewiss, ob die von einem Steuerpflichtigen in der Steuererklärung geltend gemachten Verluste (negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb) aus einem Reitstall steuerlich anzuerkennen sind oder ob es sich um sogenannte Liebhaberei handelt (ob eine Gewinnerzielungsabsicht vorliegt oder nicht, stellt sich erst über mehrere Jahre hinaus).

In Bezug auf diese Frage kann der Steuerbescheid vorläufig gehalten werden (oder alternativ unter Vorbehalt der Nachprüfung erlassen werden).

Gründe für vorläufige Steuerbescheide

Die Vorläufigkeit kommt in der Praxis vor allem auch dann vor, wenn

  • die Vereinbarkeit eines Steuergesetzes mit höherrangigem Recht Gegenstand eines Verfahrens bei dem Gerichtshof der Europäischen Union, beim Bundesverfassungsgericht oder einem obersten Bundesgericht ist (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO) oder
  • die Auslegung eines Steuergesetzes Gegenstand eines Verfahrens bei dem Bundesfinanzhof ist (§ 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO).

Gibt es zum Beispiel gerichtlich durch Steuerpflichtige initiierte Verfahren bzgl. der Höhe des Grundfreibetrags oder der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlags, betrifft eine Entscheidung darüber ggfs. alle Steuerpflichtigen. Deshalb werden die Steuerbescheide bzgl. dieser Frage vorläufig gestellt; ist dann später nach einem entsprechenden Gerichtsentscheid (sofern dieser über den entschiedenen Einzelfall hinaus allgemein anzuwenden ist) die Ungewissheit beseitigt, ist die vorläufige Steuerfestsetzung aufzuheben, zu ändern oder (wenn keine Änderungen notwendig wurden) für endgültig zu erklären (§ 165 Abs. 2 Satz 2 AO).

Da viele Verfahren gleichzeitig anhängig sind und sich diese oft über Jahre hinziehen, sind Vorläufigkeitsvermerke üblich.

Steuerbescheid mit Vorläufigkeitsvermerk und Begründung

Die Vorläufigkeit wird auf dem Steuerbescheid unter "Art der Steuerfestsetzung" vermerkt (zum Beispiel "Der Bescheid ist nach § 165 Abs. 1 Satz 2 AO teilweise vorläufig.").

Der Umfang und der Grund bzw. die Gründe der jeweiligen Vorläufigkeit sind nach § 165 Abs. 1 Satz 3 AO auf dem vorläufigen Steuerbescheid anzugeben.

Was bedeutet Paragraph 165 Absatz 1 Satz 2 AO?

Nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AO kann eine Steuer vorläufig festgesetzt werden, soweit eine im Fall des Steuerpflichtigen entscheidungserhebliche Rechtsfrage Gegenstand eines Verfahrens beim Bundesfinanzhof ist.

Was bedeutet Steuerbescheid teilweise vorläufig?

Ein Vorläufigkeitsvermerk zeigt an, dass dein Steuerbescheid nicht endgültig ist und eventuell seitens der Behörde noch geändert werden kann. Der Vermerk lautet etwa „Der Bescheid ist nach § 165 Abs. 1 AO teilweise vorläufig“.

Wieso Steuerbescheid vorläufig?

Wenn in einem für Sie wichtigen Punkt die Vorläufigkeit fehlt, können und sollten Sie Einspruch einlegen und die Vorläufigkeit beantragen. Der Vorläufigkeitsvermerk kann zum Beispiel fehlen, wenn Sie zu bestimmten Punkten in der Steuererklärung bisher keine Angaben gemacht haben.

Wie lange gilt ein vorläufigkeitsvermerk?

bei einem Vorläufigkeitsvermerk aufgrund einer Ungewissheit über das an-zuwendende Recht mit Ablauf von zwei Jahren, nachdem das Finanzamt von der Beseitigung der Ungewissheit Kenntnis erlangt hat.