Warum schrieb Goethe an den Mond?

An den Mond / spätere Fassung

Füllest wieder Busch und Tal
Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz;

Breitest über mein Gefid
Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge mild
Über mein Geschick.

Jeden Nachklang fühlt mein Herz
Froh und trüber Zeit
Wandle zwischen Freud und Schmerz
In der Einsamkeit.

Fliesse, fliesse, lieber Fluss!
Nimmer werd ich froh,
So verrauschte Scherz und Kuss,
Und die Treue so.

Ich besass es doch einmal,
Was so köstlich ist!
Dass man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergisst!

Rausche, Fluss, das Tal entlang,
Ohne Rast und Ruh,
Rausche, flüstre meinem Sang
Melodien zu.

Wenn du in der Winternacht
Wütend überschwillst,
Oder um die Frühlingspracht
Junger Knospen quillst.

Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Hass verschliesst,
Einen Freund am Busen hält
Und mit dem geniesst,

Was, von Menschen nicht gewusst
Oder nicht bedacht,
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Schriftsteller, Naturforscher)

wahrscheinlich geschrieben 1789

An den Mond / erste Fassung

Füllest wieder’s liebe Tal
Still mit Nebelglanz
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz.

Breitest über mein Gefild
Lindernd deinen Blick
Wie der Liebsten Auge, mild
Über mein Geschick.

Das du so beweglich kennst,
dieses Herz in Brand,
Haltet ihr wie ein Gespenst
An den Fluss gebannt,

Wenn in öder Winternacht
Er vom Tode schwillt
Und bei Frühlingsleben Pracht
An den Knospen quillt.

Selig, wer sich vor der Welt
Ohne Hass verschliesst,
Einen Mann am Busen hält
Und mit dem geniesst,

Was den Menschen unbewusst
Oder wohl veracht’
Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.

(Johann Wolfgang von Goethe, 1749-1832, deutscher Dichter, Schriftsteller, Naturforscher)

wahrscheinlich geschrieben zwischen 1776-1778.

Kurze Interpretation

Ein Gespräch an den Mond. An diesen grossen gelben runden da oben, der mit seiner Stimmung Bilder malt und so manche Seele öffnet. Wir können vieles vermuten hinter Goethes Worten. Liebeskummer, Sehnsucht nach einem Freund, Leidenschaft, Wehmut, Resignation...

Alles mögliche können wir in dieses Gedicht hineininterpretieren und ganze Lust- und Luftschlösser bauen. Ich denke jedoch, dass wir gerade dieses Gedicht am besten verstehen aus der Situation in dessen Goethe zu dem Zeitpunkt war, als er es geschrieben hat.

1977 war Goethe erst zwei Jahre in Weimar und seit einem Jahr in Staatsdienst, wo er mit Ämtern überhäuft wurde. Seine Aufgabe nahm er trotz vieler innerer und äusserer Widerstände, die er zu bewältigen versuchte, sehr ernst.

In diesen ersten Weimarer Jahren lernte er zudem die Frau von dem herzoglichen Stallmeister Josias von Stein, die Charlotte von Stein kennen und lieben. Diese glühende Liebe blieb anfangs von Seiten Frau Steins reserviert. Doch durch ihren Einfluss begann in Goethe's Innerem ein Wandlungsprozess.

Als in einer Winternacht die Ilm die Wiesen um sein Gartenhaus überschwemmen, schreibt er das Gedicht an den Mond: "Füllest wieder Busch und Tal ..."

Einerseites eine schöne Beschreibung der Stimmung wie sie hat sein können, andererseits eine Spiegelung der Seele, die sich geschickt mit der äusseren Stimmung verwebt oder durch sie angeregt wird.

Das Auge der Liebsten das über sein Geschick wacht. Frau von Stein, die grossen Einfluss auf Goethe hatte in Bezug auf die Arbeit, auf Ordnung und Reinheit. Möglicherweise aber eine unerfüllte Liebe: "... dieses Herz in Brand, Haltet ihr wie ein Gespenst An den Fluss gebannt ..."

"Selig, wer sich von der Welt ohne Hass verschliesst, einen Mann (Freund) am Busen hält und mit dem geniesst..."

Zusammen mit dem letzten Vers könnten wir hier annehmen, dass Goethe phantasiert, so im Sinne von: Besser mit einem Mann geniessen, als die Frau, von der man abgewiesen wird, zu hassen.

Eine Rückschau, auf das, was schon einmal da war. "Ich besass es doch schon einmal...", wie es in der zweiten Fassung dazu kommt. Wehmut auf die Vergangenheit, vielleicht eine Frage, wieso es nicht funktioniert, Zweifel.

Und wie das Mondnächte so auf sich haben, da wandelt einiges durch die Brust und möglicherweise auch durch den Geist.

Hey, ich muss für die Schule das Gedicht "An den Mond" von Goethe interpretieren. Ich weiß, dass er es bereits 1777 geschrieben, allerdings 1789 überarbeitet hat.

Im Internet habe ich herausgefunden, dass er die erste Fassung schrieb, als sich in dem Jahr ein Mädchen in einem Fluss ertränkt hatte und dabei ein Buch "Die Leiden des jungen Werthers" in der Hand hielt. Goethe fühlte sich dafür wohl verantwortlich und schrieb dies Gedicht. Mir ist auch bekannt, dass Goethe gern alles doppelt schrieb bzw. einfach überarbeitete. Aber dafür muss es doch irgendwie einen Grund geben. ?

Meine Frage ist jetzt, warum er 1789 das Ganze überarbeitete und vor allem erweiterte. Die erste Fassung ist um drei Strophen kürzer als die zweite.

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3 Antworten

Warum schrieb Goethe an den Mond?

Mucker

01.05.2012, 12:15

Wenn Goethe es nach 12 Jahren überarbeitet hat und noch drei Strophen dazu schrieb - wird er seine Gründe gehabt haben !

In der 12 Jahren hat er viele Erfahrungen gesammelt und sich weiter entwickelt - und von dem dann erreichten Stand erschien ihm das Gedicht erweiterungsbedürftig - so dass noch 3 Strophen dazu kamen !

Warum schrieb Goethe an den Mond?

belpaese

01.05.2012, 10:28

aufgrund erweiterter menschlicher erfahrung - der war kein kind von traurigkeit.

1 Kommentar 1

Warum schrieb Goethe an den Mond?

Juvelira94 

Fragesteller

 01.05.2012, 10:30

Das ist so allgemein formuliert. o.O Ich würde das schon erwähnen, dass er sich für den Tod des Mädchens verantwortlich fühlte. Mir fehlt nur noch eine Bombenerklärung, warum er das dann noch einmal schrieb. Irgendwas muss ihn ja dazu bewegt haben. o.O

Wann schrieb Goethe an den Mond?

An den Mond ist ein Gedicht von Johann Wolfgang Goethe aus dem Jahr 1778.

Was will Goethe mit dem Gedicht Willkommen und Abschied Aussagen?

So ist es auch in Johann Wolfgang von Goethes GedichtWillkommen und Abschied“ aus dem Jahr 1771. Das lyrische Ich reflektiert die Gedanken über seine Liebeserlebnisse und das Treffen mit seiner Geliebten. Dabei erkennt es, dass die Liebe höchstes Glück bedeutet, aber auch Schmerz und Leid bringen kann.

Warum schrieb Goethe Gedichte?

Goethe wurde von seinem Freund Johann Gottfried Herder dazu angeregt. Aber seine schönsten Gedichte entstanden aus seiner Liebe zu der Pfarrerstochter Friederike Brion in dem Dorf Sesenheim bei Straßburg. Doch heiraten wollte Goethe Friederike nicht.

Warum hat Goethe das göttliche geschrieben?

Das Gedicht entstand im November 1783 während einer Phase intensiver Auseinandersetzung mit dem Philosophen Spinoza, insbesondere mit dessen pantheistischem Gottesbegriff, wonach Gott eins ist mit Kosmos und Natur. Die Spinoza-Lektüre wurde durch Goethes Freund Friedrich Heinrich Jacobi angeregt.