Welche bedeutung hat der pflaumenbaum nichts

Ein Junge im Pflaumenbaum, der seinen Mitschülern zuruft: „Alles ist nichts“. Janne Teller verhandelt in ihrem Roman „Nichts“ den Sinn des Lebens. Mit Leseprobe!

„Pierre Anthon verließ an dem Tag die Schule, als er herausfand, dass nichts etwas bedeutete und es sich deshalb nicht lohnte, irgendetwas zu tun. Wir anderen blieben. (...) Mit gleichgültiger Miene nickte er uns zum Abschied zu und ging hinaus, ohne die Tür hinter sich zu schließen.“

Diese halb geöffnete Tür kommt einer halb ausgesprochenen Aufforderung gleich, hindurchzugehen. Doch diese Aufforderung ignoriert die 14-jährige Erzählerin aus dem Buch „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ von Janne Teller. Jedenfalls versucht sie es. „Und auch wenn die Lehrer sich bemühten, rasch hinter ihm aufzuräumen – sowohl im Klassenzimmer als auch in unseren Köpfen – so blieb doch ein bisschen von Pierre Anthon in uns hängen“.

Der Berg der Bedeutung

Pierre Anthon verschwindet nicht einfach, sondern zieht sich auf einen Pflaumenbaum zurück, um seinen Mitschülern jeden Tag seine furchtbaren Botschafen vor die Füße zu schleudern: „Alles ist nichts!“

Die Schüler der Klasse 7c sind es langsam leid, dass ihnen Pierre Anthon täglich den Spiegel vorhält. Um ihn zum Schweigen zu bringen, starten sie einen Gegenbeweis. Sie sammeln was ihnen auf der Welt wichtig ist und häufen es in einer alten Fabrikhalle zu einem „Berg der Bedeutung“ an. Doch ein wirkliches Opfer muss weh tun. Also sollen die jeweils Anderen entscheiden, wovon sich jeder Einzelne zu trennen hat. Der Gebetsteppich eines jungen Moslems. Der Zeigefinger eines hoffnungsvollen Gitarristen. Die Unschuld eines stolzen Mädchens. Sie alle wandern auf den Berg der Bedeutung.

Kurz vor der Eskalation fliegt das seltsame Projekt auf. Der „Berg der Bedeutung“ wird kurzerhand zu Kunst erklärt. In Geld aufgewogen soll er in den Besitz eines Amerikanischen Museums übergehen. Doch kurz vorher geht er in Flammen auf. Ob Pierre Anthon etwas damit zu tun hat?

Welche bedeutung hat der pflaumenbaum nichts

© Hanser Verlag

Fazit:

Der Roman „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ von Janne Teller ist bereits vor zehn Jahren in Dänemark erschienen und sorgt seitdem für Diskussionen. Das Thema wirkt auf viele Menschen verstörend: Es geht um das große, leere, hoffnungslose Nichts eines Lebens ohne Sinn. Es beschreibt Zweifel die hinter dem großen Konsum- und Medienaufgebot unsichtbar werden. Aber doch sind sie da. Auch in Kinderköpfen. Und so wird es von vielen Seiten sehr begrüßt, dass dieser Roman über die Verführbarkeit der Ideologie und den Verrat durch Käuflichkeit nun auch in deutscher Sprache vorliegt. Schließlich eröffnet der Roman trotz seiner Provokation eine positive Perspektive auf diese Welt: Ein Lebenssinn, der das Leben kostet, entbehrt jeder Sinnhaftigkeit. Doch das Buch deprimiert nicht, sondern leitet euch an, über euch zu bestimmen. Erzählt aus der selbstgerechten Sicht einer beteiligten Schülerin wird euch keine Möglichkeit geboten, den Figuren des Buches das Denken und Bewerten zu überlassen. Die Autorin lässt am Ende jeden Leser mit der Frage allein: Ist alles nichts?

Manchmal ist da diese Stimme im Kopf. „Ist das dein Sinn des Lebens?“, fragt sie. Oft klingt die Stimme vorwurfsvoll, höhnisch, zornig. Selten klingt sie ruhig und zufrieden. Doch immer verlangt sie eine Antwort.

Sehr laut hörte Janne Teller diese Stimme, als sie aus Mosambik nach Hause nach Dänemark kam. Janne Teller ist Makroökonomin, in Afrika arbeitete sie für die Vereinten Nationen, sie begleitete den Friedensprozess in Mosambik und betreute humanitäre Hilfsprojekte in Bangladesch, Simbabwe und Tansania. Jahrelang sah sie Gewalt und Krieg. Sie sah Menschen sterben, und sie sah Menschen, die verzweifelt um ihr Überleben kämpften.

Von dort kam sie nach Hause in ein friedliches, reiches Land - das die jungen Menschen in Dänemark nicht zu schätzen schienen. „Sie haben alle Chancen der Welt“, sagt Janne Teller im Gespräch mit dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Aber es schien mir, als wäre ihnen alles egal. Sie wollten höchstens berühmt werden.“ Sie ärgerte sich darüber und schrieb ein Buch: „Nichts. Was im Leben wichtig ist“ heißt es. Vor zehn Jahren ist es in Dänemark erschienen, soeben ist es auch in Deutschland auf den Markt gekommen. Und hier wie dort löste es heftige Diskussionen aus: Darf man junge Menschen zum Nihilismus verführen?

„Nichts bedeutet irgendetwas im Leben. Deshalb lohnt es sich nicht, irgendetwas zu tun. Das habe ich gerade herausgefunden“, sagt der junge Pierre Anthon in Janne Tellers modernem Märchen und steht ganz ruhig von seiner Schulbank auf. Er verlässt den Klassenraum und klettert auf einen Pflaumenbaum vor seiner Schule. Dort bleibt er sitzen und bewirft seine Mitschüler fortan mit unreifen Pflaumen. Und mit Gedanken: „Alles ist egal. Denn alles fängt nur an, um aufzuhören. In demselben Moment, in dem ihr geboren werdet, fangt ihr an zu sterben. Und so ist das mit allem.“ Oder: „Das Ganze ist nichts weiter als ein Spiel, das nur darauf hinausläuft, so zu tun als ob - und eben genau dabei der Beste zu sein.“

Seine Mitschüler sind verstört und sie beschließen, Pierre Anthon vom Gegenteil zu überzeugen. In einem alten Sägewerk bauen sie einen „Berg der Bedeutung“. Das erste Mädchen muss dafür seine geliebten Sandalen opfern und darf das nächste Opfer bestimmen. Und so wächst der Berg um Dame Werners Tagebuch, Husseins Gebetsteppich, Gerdas Hamster, den Sarg von Elises kleinem Bruder, Sofies Unschuld. Die Kinder werden fanatisch und rücksichtslos, ihre Opfer werden immer „bedeutender“. Doch Pierre Anthon lässt sich davon nicht beeindrucken, er lacht seine Mitschüler aus. Und die rächen sich auf brutale Weise.

„Nichts“ von Janne Teller ist ein entsetzlich schönes, geniales Buch. Aber es verwundert nicht, dass es Menschen ängstigt. So sehr, dass es in Dänemark, in Norwegen, sogar in Frankreich zeitweise im Schulunterricht verboten war. Inzwischen hat es weltweit zahlreiche renommierte Preise gewonnen, es wurde in vielen Ländern ein Bestseller - und auch in Deutschland sind die erste und die zweite Auflage nach wenigen Tagen vergriffen. Die Diskussionen kochen hoch.

Janne Tellers Buch ist eine Provokation. Es wirft Fragen auf, vor denen sich manche Erwachsene scheuen. Es zweifelt Allgemeingültigkeiten an, auf deren Grundlage Menschen ihre Lebensentscheidungen treffen oder getroffen haben. Und es findet Denkansätze, die unangepasst sind und schmerzhaft sein können. Aber verführt es junge Menschen zum Nihilismus? Nein. Denn Janne Tellers Buch fragt nicht, ob das Leben einen Sinn hat. Pierre Anthon, der mit seinen nihilistischen Weisheiten um sich wirft, sitzt auf seinem Baum längst außerhalb des Lebens.

Janne Tellers Buch fragt, welchen Sinn das Leben hat. Für jeden einzelnen. Und es klagt eine Gesellschaft an, die jungen Menschen keine Hilfe bietet, keine Vorbilder, nichts von Bedeutung. Doch Kinder und Jugendliche suchen danach, sie haben existenzielle Fragen, manchmal drängend, manchmal vage und unbewusst. „Es ist wichtig, ihnen dann zu helfen, ihre Fragen zu formulieren und offen zu bleiben in ihrem Denken“, sagt Janne Teller. „Denn es gibt niemals einfache Antworten.“

Auch für Janne Teller war „Nichts“ eine Sinnsuche. Sie war Anfang 30, als sie aus Mosambik zurück nach Dänemark kam und noch einmal ihren Weg suchte. „Es kann sehr beängstigend sein, keine Antworten zu haben“, erzählt sie. „Doch als ich dann anfing zu schreiben, war es, als öffnete ich alle Fenster auf einem großen dunklen Dachboden und langsam fiel Licht auf meine Ängste. Und ich schaute hinaus auf die Welt und dachte: »Wow, das Leben ist großartig! Es ist einfach fantastisch, dass es uns gibt.« In mancher Hinsicht brauche ich mehr nicht zu wissen.“