Wenn die mutter im sterben liegt

Am Ende des Lebens finden Wunsch und Wirklichkeit nur selten zusammen. Danach gefragt, wo sie einmal sterben möchten, antworten zwei von drei Deutschen: in den eigenen vier Wänden. Tatsächlich in Erfüllung geht dies nur für jeden Fünften. Gestorben wird heute immer noch vor allem im Krankenhaus oder Pflegeheim. Ein Grund könnte sein, dass sich die wenigsten Menschen zutrauen, schwerkranke und sterbende Angehörige, Freunde oder Nachbarn zu Hause zu betreuen, vermutet der Arzt Geord Bollig. „Sie haben Angst davor, etwas falsch zu machen. Es fehlt an Grundwissen zur Sterbebegleitung.“

Georg Bollig hat schon mit 13 Jahren einen Erste-Hilfe-Kurs absolviert, mit 17 wurde er Ausbilder für Erste Hilfe, später Rettungsassistent und schließlich Arzt für Anästhesie, Palliativmedizin und Schmerztherapie. Er lernte, wie wichtig Ersthelfer vor Ort sind. Niemand müsse Angst habe, sich im Notfall medizinisch zu betätigen, meint Bollig. Seine Erfahrungen in den verschiedenen Bereichen brachten ihn schließlich auf eine Idee: „Was dank der Ersten Hilfe nach einem Unfall oder Herzinfarkt möglich ist, kann auch am Lebensende eines Menschen geleistet werden – eine Letzte Hilfe.“ Durch eine Ausbildung in Letzter Hilfe könnten wir uns wieder aneignen, Schwerkranken und Sterbenden beizustehen.

Wenn die mutter im sterben liegt

Wir sollten nicht unvorbereitet sein

Meistens trifft uns der Tod, weil ein Mensch, mit dem wir verbunden waren, stirbt. Immer häufiger passiert das nicht plötzlich und unerwartet, sondern das Sterben verläuft langsam und vorhersehbar. Aber einen Menschen begleiten, der im Sterben liegt? Für viele, die mitten im Leben stehen, ist das kein Thema, mit dem sie sich gerne beschäftigen. „Dass wir mit dem Sterben anderer konfrontiert werden, ist lediglich eine Frage der Zeit. Deshalb sollten wir nicht unvorbereitet sein“, betont Bollig.

Der Mediziner gründete die gemeinnützige Organisation „Letzte Hilfe“ und entwickelte ein Konzept gleichen Namens, das sich an der Ersten Hilfe orientiert: kurz genug, um möglichst viele Teilnehmenden zu gewinnen, und klar strukturiert, um wichtiges Basiswissen zu vermitteln, das man später problemlos anwenden kann. Anders aber als Erste-Hilfe-Kurse, bei denen die Lebensrettung im Fokus steht, vermitteln Letzte-Hilfe-Kurse, wie man Leid lindert und Lebensqualität erhält. Kurz: was man für seine Nächsten am Ende ihres Lebens tun kann. So sollen mehr Menschen den Mut haben, ihre Angehörigen zu Hause zu betreuen.

Wissen gibt Sicherheit

Es beruhigt, wenn man weiß, dass die Mutter nicht stirbt, weil sie nichts mehr trinkt oder isst, sondern umgekehrt: Dass sie keinen Durst und keinen Hunger hat, weil sie stirbt. Dass ein trockener Mund auch mit kleinen Eiswürfeln aus dem Lieblingsgetränk befeuchtet werden kann. Dass fahrige Bewegungen oder ein unruhiges Zupfen an der Bettdecke nicht ungewöhnlich sind. Oder dass sich der Vater nicht unbedingt quält, wenn sein Atem in den letzten Stunden rasselt. Es ermutigt, die Hand zu halten, leise zu sprechen oder ruhige Musik zu hören, wenn man weiß, dass das Gehör das letzte ist, was geht. Und es tröstet, zu wissen, dass viele Menschen gerade dann sterben, wenn die Angehörigen das Zimmer kurz verlassen haben.

Kleines 1×1 der Sterbebegleitung

Inzwischen bieten immer mehr Organisationen solche Letzte-Hilfe-Kurse an, die nach einem festen Schema ablaufen und internationale Standards erfüllen. Die Kursleiter haben in der Regel Erfahrung in der Palliativversorgung. Es sind Ärzte, Pflegekräfte, Hospizmitarbeiter, die sich ehrenamtlich betätigen. Die vier Module á 45 Minuten umfassen das Sterben als Teil des Lebens, das Vorsorgen und Entscheiden, das Lindern des Leidens und das Abschiednehmen.

Sterben in Würde

Wenn die mutter im sterben liegt

Hospizarbeit und palliative Versorgung ermöglichen es schwerkranken und sterbenden Menschen, bis zuletzt in ihrem häuslichen Umfeld zu bleiben. Auch für Angehörige sind erfahrene Ärztinnen und Ärzte, Hospize und ambulante palliative Dienste eine wichtige Stütze. Mehr Infos in unserem Wegweiser Hospizarbeit.

Wer an den Kursen teilnimmt, lernt in kleinen Gruppen, wie der Sterbeprozess verläuft, woran man das Sterben erkennt, wann es beginnt, was dabei passiert, aber auch, wie man selbst damit zurechtkommen kann, wenn man plötzlich erlebt, dass die Lebenszeit begrenzt ist, und mit den Sterbephasen konfrontiert wird. Medizinische und ethische Entscheidungen kommen ebenso zur Sprache wie der rechtliche Rahmen, etwa Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht. Aber auch ganz handfeste Herausforderungen sind Thema: belastende Beschwerden, Symptome und ihre Linderung mit und ohne Medikamente, Flüssigkeitsgabe, Ernährung und Mundpflege. Nicht zuletzt geht es auch um Bestattung und Trauer: Rituale, Bestattungsformen und Vorschriften, hierzulande und auch in anderen Kulturen. Ohnehin ist das die wichtigste Lektion für die Kursbesucher: Einen Sterbenden zu begleiten, das bedeutet vor allem für ihn da zu sein, da zu bleiben und schließlich auch loszulassen.

Sterblichkeit ist klassen- und alterslos

„Die Veranstaltungen geben allen Teilnehmenden Raum für Gespräche und Fragen. Denn neben der Wissensvermittlung ist der persönliche Austausch wichtig“, sagt Matthias Jach, Mitarbeiter in der Bundesgeschäftsstelle der Johanniter-Unfall-Hilfe. Jach wurde durch einen Radio-Beitrag auf die Letzte-Hilfe-Kurse aufmerksam: „Das passte zu mir persönlich wie zu den Johannitern, weshalb ich eine Schulung zum Kursleiter absolviert habe.“ Seitdem hat er mehrere Seminare ehrenamtlich geleitet: Die Gruppen mit bis zu 15 Leuten seien immer bunt gemischt, erzählt Jach. „Sterblichkeit hat kein Geschlecht, ist klassen- und alterslos.“

Das Sterben erleichtern

  • Zwingen Sie Sterbende nicht zum Essen und Trinken. Bieten Sie Flüssigkeit an, damit der Mund nicht austrocknet.
  • Sorgen Sie für warme Hände und Füße.
  • Wird das Atmen schwer, richten Sie den Oberkörper leicht auf.
  • Haben Sie Verständnis, wenn der Sterbende wirr spricht. Beruhigen Sie ihn, wenn er sich ängstigt.
  • Halten Sie die Hand, sprechen Sie ruhig, auch leise Musik kann beruhigen.
  • Manchen Menschen fällt es leichter zu gehen, wenn Angehörige den Raum für einen Moment verlassen.

Wer die Anzeichen des nahenden Todes erkennt, kann in Ruhe Abschied nehmen und dem geliebten Menschen den Sterbeprozess erleichtern. Mehr lesen…

Kurse in der Nähe

Wenn die mutter im sterben liegt

Letzte-Hilfe-Kurse werden in ganz Deutschland angeboten, teilweise kostenlos, teilweise gegen eine Kostenerstattung von bis zu 20 Euro pro Person. Während der Corona-Krise gibt es einige Kurse auch online. Termine und Infos finden sich auf www.letztehilfe.info.

TEXT: Lars Klaaßen
FOTOS: Mostafa Meraji/Unsplash, Picture Alliance/dpa/Felix Kästle, luftibong/Photocase.de, Letzte Hilfe e.V.

Was tun wenn die Mutter im Sterben liegt?

In Frieden gehen lassen - Was tun, wenn ein geliebter Mensch im Sterben liegt?.
Nutzen Sie die Zeit. ... .
Aufgaben richtig verteilen. ... .
Trauer nicht unterdrücken. ... .
Ein letzter gemeinsamer Weg. ... .
Achten Sie auf sich..

Wie begleite ich meine Sterbende Mutter?

Zwingen Sie Sterbende nicht zum Essen und Trinken. ... .
Sorgen Sie für warme Hände und Füße..
Wird das Atmen schwer, richten Sie den Oberkörper leicht auf..
Haben Sie Verständnis, wenn der Sterbende wirr spricht. ... .
Halten Sie die Hand, sprechen Sie ruhig, auch leise Musik kann beruhigen..

Wie geht man mit Menschen um die im Sterben liegen?

Bereit sein, sich persönlich auf den Kranken einzulassen..
Zuhören, ohne zu bewerten..
Offen und ehrlich miteinander umgehen..
Den eingeschlagenen Weg des Kranken, seine Wünsche und seinen Willen akzeptieren..
Wissen um nonverbale Kommunikation und Körpersprache. ... .
Rechte des Sterbenden respektieren..

Was sagt man einer sterbenden Mutter?

Man kann ihm deutlich machen, dass man mitfühlend ist, ohne dass man ihm das schön redet, und das kann man eigentlich sehr leicht ausdrücken. Zum Beispiel "ich tröste dich nicht, aber ich würde gerne. Ich weiß, es geht nicht, aber ich würde es dir gerne mitteilen". Das hilft schon enorm.