Wer ist abnehmer für abwasser

Während die flämische Dürrekommission zu einem sparsamen Umgang mit Wasser aufruft, hat das Wasserklärungsunternehmen Aquafin riesige Überschüsse an geklärtem Abwasser, die kaum jemand will. Jeden Tag stehen Unternehmen rund 250 Millionen Liter Abwasser zur Verfügung, dass Aquafin in der Nähe seiner Kläranlagen kostenlos anbietet. Weil es kaum Abnehmer gibt, wird das Wasser abgeleitet und landet schließlich im Meer. Das berichten die Zeitungen des Verlags Mediahuis am Samstag. 

Aquafin klärt jedes Jahr rund 800.000.000 m² (800 Milliarden Liter) Abwasser aus flämischen Haushalten.  

Das nach strengen Standards gereinigte Wasser steht jedem, der es haben möchte, kostenlos zur Verfügung. Derzeit nutzen jedoch nur 32 Betriebe das kostenlose Angebot von Aquafin. Erforderlich sind lediglich eigene Pumpen und Leitungen, um das geklärte Wasser von den Kläranlagen zum Betrieb zu befördern. Dennoch ist es für Betriebe kurzfristig günstiger, ihr Wasser aus dem Trinkwassernetz zu beziehen.  

Da es so wenige Abnehmer gibt, landet ein großer Teil des von Aquafin gereinigten Abwassers in Bächen und Flüssen. Obwohl diese Ableitung zumindest teilweise notwendig ist, um das Austrocknen von Bächen und Flüssen zu verhindern, könnten rund 100 Milliarden Liter des Wassers pro Jahr von Unternehmen genutzt werden. 

Abwasser ist nach Paragraph 54 des Wasserhaushaltsgesetzes zum einen das Wasser, das durch häuslichen, gewerblichen, landwirtschaftlichen oder sonstigen Gebrauch zu Schmutzwasser wird. Zum anderen wird dazu das Niederschlagswasser gezählt, sofern es aus dem Bereich von bebauten oder befestigten Flächen abfließt. Die Behandlung des Abwassers wird im Wasserhaushaltgesetz und in der Abwasserverordnung geregelt und gründet auf EU-Recht. Diese Abwasserverordnung ermöglicht den Bundesländern einen großen Spielraum in der Auslegung. Abwasserentsorgung ist ein wichtiger Punkt in der kommunalen Daseinsvorsorge.

In Deutschland gibt es circa 10.000 kommunale Kläranlagen und über 500.000 km öffentliche Kanalisation, zusätzlich gibt es circa eine Million Kilometer privates Leitungsnetz. Die Kontrolle der privaten Leitungen, teilweise auch über das eigene Grundstück hinaus, obliegt dabei den Eigentümer:innen. Sie müssen dichtgehalten und selbst kontrolliert werden. Vielen Eigentümer:innen ist dies nicht bewusst. Aber auch das öffentliche Kanalsystem ist zum Teil in schlechtem Zustand. Besonders in Teilen Ostdeutschlands ist dies ein Problem. Dort wurde nach der Wende ein umfangreiches Netz ausgebaut, auch über lange Distanzen. Bei der Dimensionierung wurde vielfach auf Gewerbeansiedlungen gehofft, die in dem Umfang nicht kamen. Gleichzeitig hatten manche Kommunen und Zweckverbände die demografischen Veränderungen zu wenig im Blick. Auch durch eine hohe Abwanderung übersteigen Kanäle und Kläranlagen in ihrer Dimension den derzeitigen tatsächlichen Bedarf. Der geringe Wasserverbrauch erhöht die Kosten je angeschlossenen Haushalt zusätzlich. Denn die relativ hohen Fixkosten solcher Systeme verteilen sich auf weniger Abnehmer. Zudem wachsen auch laufende Aufwendungen. So müssen zum Beispiel Rohre regelmäßig gespült werden, wenn zu wenig Abwasser hindurchfließt. All diese Faktoren führen an einzelnen Orten in Deutschland zu hohen Anschlussbeiträgen und Abwassergebühren.

DIE LINKE im Bundestag tritt dafür ein, dezentrale Entsorgungskonzepte mehr zu fördern. Wenn die Kanalisation nur wenige Anschlussnutzende erreicht, ist es wichtig, auf Kleinkläranlagen zu setzen und diese auch entsprechend zu fördern. Dabei ist zu begrüßen, wenn mehrere Nachbar:innen sich zusammenschließen. Abwasserverbände müssen dabei mit Hilfestellungen unterstützend wirken. Sie sollten Dienstleistungen bei Planung und Betrieb solcher Kleinkläranlagen anbieten und deren Reinigungsleistung regelmäßig prüfen.

Die hoheitliche Aufgabe der Abwasserbeseitigung weiterhin in der öffentlichen Hand, also bei Kommunen und Zweckverbänden zu belassen, ist ein wichtiges Ziel der Linksfraktion. Die Privatisierung der Aufgabe selbst lehnen wir genauso ab wie den privaten Betrieb über Betriebsmodelle.

Gut gereinigtes Abwasser ist wichtig zum Schutz von Flüssen, Seen und Meeren sowie angrenzenden sensiblen Ökosystemen. Hierbei geht es nicht nur um Abwässer aus Privathaushalten. So sollten Krankenhäuser Medikamentenreste zum Beispiel schon vor der Einleitung ins Abwassersystem soweit möglich aus ihrem Abwasser filtern. Denn Krankenhausabwässer haben ihrer Natur gemäß eine weitaus höhere seuchenhygienische und arznei- bzw. behandlungsmittelbedingte Belastung und die gängigen Abwasserreinigungsanlagen sind nicht in der Lage, dem Abwasser Arzneiwirkstoffe rückstandslos zu entziehen, weshalb der Rest, wenn auch stark verdünnt, in die Umwelt gelangt.

Nicht zuletzt stammt mittlerweile der Löwenanteil der Nährstoffbelastungen unser Gewässer nicht mehr aus kommunalen Abwässern, sondern aus der Landwirtschaft. Hier besteht dringender Handlungsbedarf zur Reduzierung der Düngemittel- und Pestizidüberschüsse.