Wo ist das versunkene Dorf im Edersee?

Wenn im Sommer die Pegel sinken, tauchen die Ruinen der alten Dörfer Berich, Asel und Bringhausen auf. Sie mussten nach dem Bau der Staumauer 1912 aufgegeben und verlegt werden. Die Dörfer sind eine Attraktion, die für den See vielleicht immer wichtiger wird: "Wenn sich die Klimasituation vor Ort mit wenig Niederschlägen so weiterentwickelt, müssen wir uns Gedanken machen, wie wir mit dem Thema umgehen", sagt Günther.

Förderverein will die Ruinen erhalten

Die Überreste sind unterschiedlich gut erhalten. Die alte Brücke bei Asel ist in hervorragendem Zustand und das Wahrzeichen des Edersee-Atlantis. Östlicher in Bringhausen erinnern nur alte Gräber an die Bewohner. Eine Sonderstellung nimmt Berich ein. Hier versucht seit 2012 ein Förderverein, das Rad der Zeit zurückzudrehen.

"Wir haben uns vorgenommen, die Grundmauern Stück für Stück wieder aufzubauen", sagt Neuschäfer. Während alte Stützmauern ein paar Meter weiter kaum noch zu retten sind, hat der Förderverein zum Erhalt der Dorfstelle Berich die Konturen von vier Gebäuden einen halben Meter hoch aufgemauert. Möglich sei das nur, weil dort eine Tauchzone sei.

Denn grundsätzlich gilt: Die Funktion als Stausee gehe vor, erklärt das zuständige Wasser- und Schifffahrtsamt in Hann. Münden. Das Amt vertritt den Bund, dem der Grund des Sees gehört. Und dort sieht man vor allem die Sicherung der Schifffahrt als Aufgabe – und nicht die Rettung alter Ruinen.

Dabei sind es auch die Finanzen, die die Möglichkeiten der Ruinenretter einschränken: Der kleine Förderverein zehrte von einer EU-Förderung. Bald sei die aufgebraucht. "Dann können wir nur noch so viel machen, wie wir Geld bekommen", sagt Neuschäfer.

Einen ganz anderen Ansatz hat man in der Gemeinde Edertal. Eine Archäologiegruppe dort will die Dorfstelle Bringhausen virtuell auferstehen lassen. Geplant sind kleine Boxen auf dem Seeboden, die man mit Handy oder Tablet abwandert. Dank spezieller App könnten dann Bilder, Filme und Texte über die alten Gebäude auftauchen. Momentan suche man noch Geldgeber, sagt Heinz Hilberg, der die Idee mitentwickelt. Deshalb soll es im Herbst erstmal analog losgehen. Durchsichtige Infotafeln sollen den alten Ort sichtbar machen.

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Die Ruinen, die bisher in den Sommermonaten eine Attraktion waren, könnten künftig auch im Winter eine größere Rolle spielen. Durch den Wassermangel gab es Anfang des Jahres einen selten Anblick: Schnee auf den Edersee-Ruinen.

Das Edersee-Atlantis, so werden die versunkenen Dörfer und Brücken im Edersee oft genannt. Nur bei sehr niedrigen Wasserstand gibt er diese Geheimnisse frei.
Offenbar hatte ich bei meinem Besuch im Oktober 2018 Glück, denn die Anzahl meiner „Mitbesucher in Atlantis“ hielt sich in Grenzen.

Der Edersee mit seiner berühmten Edersee-Talsperre war stark trocken gefallen, der Wasserstand auf einem Minimum. Ein Zustand, an den wir uns durch den Klimawandel wohl leider gewöhnen müssen.
Die versunkenen Dörfer tauchten auch früher immer wieder auf, so z.B. 2011 und 2015. Aber in den letzten Jahren geschieht das immer früher – schon im Sommer statt im Herbst.

Die Edertalsperre entstand nach Planungsbeginn 1904 in den Jahren 1908 bis 1914. Sie liegt in einer ca. 400 m breiten Engstelle des Edertals bei Hemfurth-Edersee, einem Ortsteil von Edertal.
Für die stolzen Baukosten von rund 25 Mio. Goldmark entstand ein – für die damalige Zeit – Wunder der Technik. Die Sperre war seinerzeit die größte Talsperre Europas und ist heute immerhin noch gemessen an der Fläche der zweitgrößte und gemessen am Inhalt der drittgrößte Stausee Deutschlands.

Die offizielle Einweihung durch Kaiser Wilhelm II (geplant für den 25. August 1914) wurde jedoch durch den Ausbruch des ersten Weltkriegs am 01.08.1914 verhindert und auch später nicht mehr nachgeholt. 

Eine der Hauptaufgaben der Edertalsperre war und ist es, in Niedrigwasserzeiten über die Eder und die Fulda Wasser an die Weser abzugeben, um dort eine reibungslose Schifffahrt zu gewährleisten sowie dem Mittellandkanal in den Sommermonaten ausreichend Wasser zuzuführen. Außerdem dient sie dem Hochwasserschutz für die untere Eder, die untere Fulda und die Weser und nicht zuletzt der Energiegewinnung durch die Nutzung von Wasserkraft.

Der Edersee mit seiner Länge von 27 km und max. Breite von 1,2 km beeindruckt. Bei vollem Wasserstand bedeckt er ca. 12 km² und fasst mit einer max. Seetiefe von 42 m rund 200 Mio. m³.
Die Edertalsperre selbst kann ebenfalls mit großen Ausmaßen aufwarten: 

  • Talsperrenlänge: 400 m / 270 m
  • Talsperrenbreite: 6 m / 36 m
  • Talsperrenhöhe: 47 m

Leider war der See bei meinem Besuch im Herbst 2018 nur mit sehr wenig Wasser gesegnet, sodass seine wahren Ausmaße nicht sichtbar wurden.

Übrigens kann man direkt auf der Edertalsperre auch heiraten. Auf der Staumauer selbst existiert ein kleines Standesamt der Gemeinde Edertal.

Mindestens 700 Menschen verloren durch die Flutung des Edertals vor nun über 100 Jahren ihre Heimat (andere Quellen sprechen von 900 Bewohnern, die umgesiedelt wurden). 
Bedingt durch das Aufstauen des Sees mussten die drei im Edertal liegenden Dörfer Asel, Berich und Bringhausen verlegt werden.

Bringhausen wurde abgetragen und in unmittelbarer Nähe – an einer höher gelegenen Stelle oberhalb des neu entstehenden Edersees – wieder aufgebaut. 
Ähnlich bei Asel. Auf einem Bergrücken, nördlich des ursprünglichen Ortes, wurde der neue Ortsteil Asel errichtet und am gegenüber liegenden Ufer des künftigen Sees Asel-Süd. 
Der Ort Berich wurde von seinen Bewohnern komplett abgetragen. Er entstand in der Nähe von Bad Arolsen völlig neu und nennt sich seitdem Neu-Berich. 
Von den Dörfern Nieder-Werbe und Herzhausen wurden Teile überflutet und die Bewohner jeweils in der Nähe in neue Höfe und Häuser umgesiedelt. 
Auch die Gehöfte Stollmühle, Gut Vornhagen, Bericher Hütte sowie der Niederwerber Hammer mussten dem Projekt weichen, da sie alle im Bereich des künftigen Stausees lagen.

Noch heute kann man bei niedrigem Wasserstand im Edersee die Reste der alten Siedlungen besichtigen, ebenso die Aseler Brücke, Teile der mit Betondecken versehenen alten Friedhöfe, sowie ein Modell der Talsperre.

Während des zweiten Weltkriegs wurden in der Nacht vom 16.05. zum 17.05.1943 große Teile der Staumauer durch britische Bomber zerstört. Der Edersee hatte zu diesem Zeitpunkt seinen maximalen Wasserstand (202 Mio. m³), sodass bis zum Morgen des 17.05. mit einer Geschwindigkeit von 8.500 m³ pro Sekunde insgesamt rund 160 Mio. m³ Wasser abflossen.
Eine ca. 9 Meter hohe Flutwelle wälzte sich durch das Edertal in Richtung Kassel und richtete besonders im Edertal gewaltige Zerstörungen an. Hunderte Häuser sowie Fabriken, Eisenbahnstrecken, Straßen, Brücken und Bäume wurden stark beschädigt, zerstört oder weggespült. 
Angaben über die Anzahl der Menschen, die in der Wasser-, Schlamm- und Schuttwelle unterhalb des Edersees ihr Leben verloren, sind widersprüchlich. Die Zahlen schwanken zwischen 47 und 68 Todesopfer. 
Noch im Mai 1943 begann die Wiederherstellung der Sperrmauer durch Zwangsarbeiter, im Januar 1944 war sie bereits wieder abgeschlossen.

Der Wasserstand des Edersees variiert im Jahresverlauf. Vollstau hat der See nach den Niederschlägen des Winters zwischen März und Juli. 
Da das Wasser zur Regulierung der Weser und des Mittellandkanals genutzt wird, kann es vorkommen, dass nach einem trockenen Spätsommer mit anschließend regenarmem Herbst große Teile des Edersees trocken liegen.

Beispielsweise fiel 2002 in Nordhessen kaum Regen. Das folgende Winterhalbjahr war recht niederschlagsarm, und auch 2003 während des „Jahrhundertsommers“ gab es dort wenig Niederschlag, so dass die normalerweise vom Stausee überfluteten Dörfer über Monate trockenlagen.

Den tiefsten Wasserstand erreichte der Stausee dann mit 19,9 Mio. m³ (entsprechend 217,82 m ü. NHN Pegelhöhe) im November 2003, ehe er nach einem regenreichen Winter Ende März 2004 wieder komplett aufgefüllt war.

Im Jahr 2018 wurde der Niedrigwasser-Füllstand von 2003 noch einmal unterschritten. 

Das Rekordniedrigwasser nach dem Zweiten Weltkrieg wurde jedoch Mitte Dezember 1959 gemessen: 9,1 Mio. m³ Wasser oder weniger als die „Eiserner Bestand“ genannte Pegelhöhe von 214 m ü. NHN.

Im Winter lockt der zugefrorene Edersee als „Singender See“ Besucher an: Durch die starken Unterschiede zwischen Nachtfrösten und Tagestemperaturen sowie bedingt durch schwankende Wasserstände reiben sich die Eisschollen aneinander, was ein röhrend-hallendes, weithin hörbares Geräusch verursacht.

Von Schloss Waldeck, einer schlossartig ausgebaute Burganlage aus dem 12. Jahrhundert, bietet sich ein schöner Blick über den Edersee. Ein Besuch der Aussichtsterrasse ist empfehlenswert.

Seit 2005 existiert der Urwaldsteig Edersee, der als Wanderweg auf etwa 68 km Länge rund um den Edersee führt, wobei er durch die Trockeneichenwälder am nördlichen Ufer und durch den südlich des Stausees gelegenen Nationalpark Kellerwald-Edersee verläuft. 

Die Region lockt mit einer Vielzahl von Ausflugsmöglichkeiten und Sehenswürdigkeiten, so z.B.

  • Der Baumkronenpfad „TreeTopWalk“, ein 250 m langer Waldlehrpfad mit vorgelagertem, 800 m langem „Eichhörnchenpfad“ nahe Rehbach
  • Die Ehrenburg, eine Burgruine südlich von Marienhagen
  • Der Nationalpark Kellerwald-Edersee südlich des Edersees
  • Schloss Waldeck, bei Waldeck hoch über dem Edersee (Auffahrt mit Waldecker Bergbahn möglich; Blick auf den Edersee)
  • Der Wildpark Edersee mit Greifvogelstation oberhalb von Hemfurth-Edersee unweit der Edersee-Staumauer
  • Die Liebesinsel, die einzige ständig aus dem See ragende Insel im Mittelteil des Edersees, mit Ruine der Burg Bring

Außerdem – nur bei Niedrigwasser zu sehen – die versunkenen Orte

  • „Alt-Asel“ mit nahem Denkmal „Dorfstelle Asel“, bei Asel
  • „Aseler Brücke“ (verbindet Asel mit Asel-Süd; gut erhalten), bei Asel
  • „Alt-Bringhausen“ mit „Friedhof Bringhausen“ und nahem Denkmal „Dorfstelle Bringhausen“, bei Bringhausen
  • „Alt-Berich“ mit „Friedhof Berich“ und nahem Denkmal „Dorfstelle Berich“, westlich von Waldeck-West
  • „Bericher Brücke“, bei „Alt-Berich“, westlich von Waldeck-West
  • „Bericher Hütte“, nördlich von Waldeck-Scheid, westlich von „Alt-Berich“
  • „Bringhäuser Brücke“ (verband Bringhausen mit Waldeck-Scheid; Pfeiler und Widerlager sind erhalten), bei Bringhausen

Ein 3D-Erlebnis des alten Bringhausen können Sie sich zu jeder Jahreszeit und bei jedem Wasserstand unter der URL //web.rkcsd.com/3h-media-works/BringhausenAtlantis/ gönnen.

Hintergrund-Informationen zum Beitrag

  • Die Lage der versunkenen Orten bzw. die Anfahrt dazu ist oben beschrieben.
  • Habe ich ihr Interesse für Schloss Waldeck geweckt, so finden Sie weitere Informationen auf Wikipedia.
  • Infos zu Hochzeiten direkt auf der Ederse-Talsperre finden Sie auf der Seite des Standesamts Edertal.
  • Die Edertalsperre selbst finden Sie hier:

Wann sieht man Edersee Atlantis?

Das Gräberfeld wird ab einem Wasserstand von 231,00 m ü. NN sichtbar. Reste der, erst 1899 erbauten, Ederbrücke erscheinen ab einem Wasserstand von 216,95 m ü. NN.

Wo ist der Kirchturm im Edersee?

Die Turmspitze befindet sich im Ort Nieder-Werbe, am Beginn der Edersee-Randstraße in Richtung Sperrmauer/Hemfurth.

Wie heißt der Ort am Edersee?

Hemfurth am Edersee Hemfurth ist Hauptort der Gemeinde Edertal. Der Ort befindet sich vor und an der Staumauer und ist ein Besuchermagnet am Edersee. Der untere Teil von Hemfurth ist das historische Dorf, während der obere Teil an der Staumauer erst mit dessen Bau entstanden ist.

Wann ist die Staumauer am Edersee beleuchtet?

Jeden Abend, nach Einbruch der Dunkelheit, kann man das traumhafte Farbspiel bestaunen. Achtung: Aufgrund der aktuellen Lage, schaltet sich die Staumauerbeleuchtung bereits um 22:00 Uhr aus. Eines der beeindruckendsten und größten Bauwerke Deutschlands!

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