Was ist in der Ikonographie des alten Ägyptens Das Besondere an der Schlange Ouroboros?

1 Originalveröffentlichung in: Ralf Beil (Hrsg.), Never ending stories. Der Loop in Kunst, Film, Architektur, Musik, Literatur und Kulturgeschichte, Berlin 2017, S Ouroboros Der altägyptische Mythos vom Sonnenlauf JAN ASSMANN Wenn es je eine Never Ending Story gab, dann ist es der ägyptische Mythos des Sonnenlaufs. Dieser Mythos spielt nicht in illo tempore, als die großen Gründungen geschahen - der Welt mit Himmel und Erde, des Staats mit Kult und Königtum -, er spielt eigentlich gar nicht in einer Zeit, sondern bringt die Zeit zuallererst hervor. In seinem unaufhörlichen vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Geschehen generiert er die Zeit in ihrer ewigen Kreisläufigkeit. Die Ägypter haben diesen Mythos, der vor ihren Augen unaufhörlich abrollte, rund um die Uhr mit Opfern und Rezitationen begleitet, um ihn in seinem Gelingen zu bestärken und selbst mit ihrem Staat, ihrem gesellschaftlichen Zusammenhalt, aber auch mit ihrem individuellen Leben und Sterben Anteil an diesem Gelingen zu gewinnen. Dieses Gelingen war nach ägyptischer Vorstellung keineswegs selbstverständlich. Die Ägypter gingen keineswegs davon aus, dass die Sonne am nächsten Morgen an ihrer gewohnten Stelle wieder aufgehen würde, sondern trieben einen immensen Aufwand, dieses Gelingen rituell und symbolisch zu beschwören und zu bestärken. Nach ihrer Auffassung war der Sonnenlauf in seiner sich ewig erneuernden Kreisläufigkeit unablässig gefährdet durch eine Gegenkraft, eine Gravitation in Richtung Chaos, Stillstand und Auflösung, die sich in Gestalt einer riesigen Wasserschlange symbolisch verkörperte [abb. i]. [ i ] Seth sticht seinen Speer in die Schlange Apep, Papyrus der Her-Uben, 18. Dynastie ( v.chr.) Diese Schlange namens»apep«(gr. Apophis) drohte, das Wasser des Himmelsozeans auszusaufen und die Barke des Sonnengottes, in der er mit seinem Gefolge über den Himmel fuhr, auf Grund laufen zu lassen. Diesen Feind galt es unaufhörlich zu besiegen, im Himmel durch den Beistand der begleitenden Götter, insbesondere des Gottes Seth, der seinen Speer in Apep sticht und den Gott zwingt, das Wasser wieder auszuspeien, das er verschluckt hat, auf Erden durch die Riten des königlichen Sonnenkults. Dieser äußere Beistand in der Überwindung der Gravitation zum Chaos ist aber nicht die einzige Quelle, aus der die Sonne ihre Energie zu ihrer unaufhörlichen Weltumkreisung schöpft. Anders als in den meisten Weltentstehungsmythen, hat sich nach ägyptischer Auffassung die Welt nicht an die Stelle eines vorweltlichen Chaos gesetzt und die Schöpfung stellt keine Überwindung des Chaos dar. Im Gegenteil: Nun, das Urwasser, aus dem die Sonne am Anbeginn zum ersten Mal aufgegangen ist, ist auch in der entstandenen Welt gegenwärtig. Jeden Morgen steigt die Sonne aus dem Urwasser auf, in Gestalt der jährlichen Nilüberschwemmung entquillt es der Unterwelt und in Gestalt des Grundwassers liegt es unter der Erde. Jede Nacht kehrt die Welt in die Urfinsternis zurück, die der Weltentstehung vorausging und immer noch die Randzonen der entstandenen Welt beherrscht. Ohne diese fortexistierende Präexistenz gäbe es nach ägyptischer 58

2 Auffassung keine Regeneration. Die Vorwelt ist im Denken der Ägypter kein»chaos«, keine»gähnende Leere«, sondern ein keimhaftes Pieroma. In der fortwährenden Gegenwart des Vorweltlichen innerhalb der ägyptischen Welt liegt das Geheimnis der zyklischen Zeit, der Reversibilität und Regeneration. In diese vorweltliche Sphäre kehrt der Sonnengott allnächtlich zurück, in ihr erneuert er seine im Tageslauf - in dem er vom Kind zum Manne und zum Greis altert - verbrauchten Energien. Das Schlussbild des Pfortenbuchs, eines Buchs über die Unterwelt, stellt den Sonnenaufgang aus dem Urwasser und der Urfinsternis dar [abb.2]. Wir sehen eine Wasserfläche, aus der von unten eine männliche Figur mit Götterbart auftaucht, die mit ausgestreckten Armen die Sonnenbarke emporstemmt. In der mit verschiedenen Gottheiten bemannten Barke heben Isis und Nephthys einen Skarabäus hoch, der seinerseits eine runde Scheibe oder Kugel vor sich herschiebt. Drei Energien wirken also bei diesem Vorgang zusammen, der sich auf den Sonnenaufgang als Aufwärtsbewegung bezieht: die Arme, die die Sonnenbarke stemmen, Isis und Nephthys, die den Skarabäus hochheben, und der Skarabäus, der die Sonnenkugel bewegt. Von oben kommen zwei Figuren dieser Aufwärtsbewegung entgegen. Auf dem Kopf einer männlichen Figur, deren Rücken und Beine sich wie der Ouroboros kreisförmig krümmen, steht eine Frauengestalt, die mit ihren Armen die von unten aufsteigende Sonne von oben empfängt. Beischriften erklären die Szene. Bei der gekrümmten männlichen Figur steht»das ist Osiris, er umfängt die Unterwelt«, bei der weiblichen Figur auf seinem Kopf»Das ist Nut, sie empfängt (den Sonnengott) Re«. Oberhalb der Barkenszene steht (von links nach rechts zu lesen):»dieser Gott lässt sich nieder in der Morgenbarke (mit) den Göttern, inmitten derer er sich befindet.«der großen Figur, die die Barke von unten hochhebt, scheinen zwei Beischriften zu gelten. Die waagerechte Zeile im weißen Schriftfeld lautet:»um diesen Gott hochzuheben, kommen diese Arme aus dem Nun heraus.«darunter, über dem Kopf des Gottes, steht Nun. Was es mit dem mächtigen Armpaar auf sich hat, geht aber vor allem aus der Beischrift hervor, die sich auf die Gesamtszene bezieht: [ 2 ] Der Sonnenaufgang aus dem Urwasser, Schlussbild des Pfortenbuchs Herauskommen aus dem Westen, sich niederlassen auf den Ufern des Nun, sich verwandeln auf den Armen des Nun bevor dieser Gott in den Himmel eintritt.1 Dass er die Duat zum Himmel hin öffnet, ist in seiner Verwandlungsform des»im-nun-befindlichen«. Was die Öffnung der Duat zu Nut hin angeht, das sind die beiden Arme des»der seinen Namen verbirgt«. Während dieser sich in der»geballten Urfinsternis«befindet, kommen sie [die Arme] heraus am Tag in der Morgendämmerung.2 Urozean und Urfinsternis - diese kosmogonischen Energien sind bei der Geburt/Verwandlung der Sonne und bei ihrem Himmelsaufstieg tätig und werden von dem Gott mit den barkenstemmenden Armen symbolisiert. Ein anderes Bild gibt demselben Mythos vom Sonnenlauf eine andere Gestalt. Da wird er am Morgen aus der Vulva der Himmelsgöttin geboren, fährt am Tage in seiner Barke an ihrem 59'

3 Ouroboros [3] [ 3 ] Die Geburt der Sonne am Morgen (aus dem Buch vom Tage) Der Sonnenuntergang im Mund der Himmelsgöttin (aus dem Buch von der Nacht), 18. Dynastie ( v. Chr.) [4] Leib einher und geht am Abend zum Mund wieder in sie ein [abb. 3, 4]. Diese Bilder schließen sich im ägyptischen Denken (bzw. in der ägyptischen Imagination) keineswegs aus, sie ergänzen sich vielmehr gegenseitig. Hier erscheint die Sonne als das Kind der Himmelsgöttin, das sie aber - [4 ] tagsüber zum Manne und Weltenherrscher gereift - abends als Gatte mit sich selbst wieder schwängert. Die ägyptische Weltentstehungslehre aber stellt den Sonnengott an den Anfang aller Dinge: Er ist aus sich selbst entstanden (ägypt. cheper djesef, gr. autogenes). Aus ihm ist alles Weitere entstanden, zuerst Luft und Feuer, dann Himmel und Erde. Dass er dann in einer Barke Himmel und Erde umkreist und zum Sohn der Himmelsgöttin wird (in Ägypten ist der Himmel weiblich, die Erde männlich), geschieht in einem späteren Akt der Weltentstehung: der Trennung von Himmel und Erde. Jetzt erst entsteht der Kreislauf und mit ihm die zyklische Zeit, um die es bei dem Mythos vom Sonnenlauf geht. Diese sich kreisläufig erneuernde Zeit heißt ägyptisch Neheh, geschrieben mit der Sonne zwischen zwei Zeichen für»h«, was durch die symmetrische Anordnung der Zeichen in der Form eines hieroglyphischen Anagramms die Zyklizität grafisch zum Ausdruck bringt [abb. 5]. Für diesen Begriff von Zeit, seine Kreisläufigkeit, seine Energie unendlicher Erneuerung und schließlich seine Kraft, vor jeder Form von Vergänglichkeit zu beschützen, steht das Symbol der Schlange, die sich zum Kreis formt, indem sie ihren Schwanz ins Maul nimmt. Seinen ersten Auftritt in seiner klassischen, ringförmigen Gestalt hat der Ouroboros auf einem der Goldschreine im Grab des Tutanchamun, des Königs, der am Ende der revolutionären [ 5 ] Die Sonne im Horizont zwischen den Löwen»Gestern«und»Morgen«, dazwischen die Schriftzeichen»Neheh«, Grab des NeferAbu, Theben 60 Amarna-Zeit nach Theben und zur traditionellen Religion zurückkehrte. Die Amarna-Zeit hatte die gesamte traditionelle Ikonografie zugunsten eines neuen, streng kanonisierten Bildprogramms verworfen. Im Gegenzug kommt es dann in der Nach-Amarna-Zeit zu einer wahren Flut neuer Bild

4 gedanken und einer Explosion ikonischer Kreativität. Kopf und Füße einer großen, alle drei Register umfassenden Figur sind kreisförmig von einer Ouroboros-Schlange umschlossen [abb. 6]. Ein zweiter vergleichbarer Durchbruch an ikonischer Kreativität kennzeichnet die Epoche nach dem Ende des Neuen Reichs im 10. Jahrhundert v. Chr. In dieser Zeit stößt man auf die klassische Bildformel mit dem vom Ouroboros kreisförmig umschlossenen Sonnengott. Die Vignette im Papyrus der Her-Uben stellt den Sonnengott in seiner Morgengestalt als Kind in der roten, vom Ouroboros umschlossenen Sonnenscheibe dar. Von oben senken sich die empfangenden Arme der Himmelsgöttin herab, unten ruht die Sonne auf einem Bukranion (Kuhkopf mit Gehörn), einem anderen Symbol der kuhgestaltigen Himmelsgöttin, zwischen zwei Löwen, die sowohl für die westliche und östliche Achet, also Unter- und Aufgangsort der Sonne, als auch für»gestern«und»morgen«, die zeitlichen Eckpunkte des unendlichen solaren Kreislaufs, stehen [abb. 7]. Der Ouroboros verweist auf das Mysterium der zyklischen Zeit, die in sich selbst zurückläuft. Dieser Zeitbegriff steht im ägyptischen Denken in einem engen Zusammenhang mit der jährlichen Nilüberschwemmung. Das ägyptische Jahr beginnt mit dem Einsetzen der Nilflut im Sommer. Durch die Überschwemmung regeneriert sich die Fruchtbarkeit des Landes. Die Nilüberschwemmung ist daher ein Zentralsymbol der zyklischen Zeit, die nicht irreversibel auf ein Ziel zustrebt, sondern kreisförmig in sich selbst zurückläuft und auf diese Weise Erneuerung, Wiederholung, Regeneration ermöglicht. Diese ägyptische Gedankenverbindung von Jahr, Sonnenlauf, Nilüberschwemmung und unendlich sich erneuernder Zeitfülle (Neheh), wie sie der Ouroboros symbolisiert, findet einen besonders eindrucksvollen Nachklang in dem Gedicht des spätantiken Dichters Claudianus auf das Konsulat des Stilicho. Claudianus bezieht sich darin auf die unterirdische Höhle beim ersten Katarakt, aus der, wie die Ägypter glaubten, die Nilüberschwemmung hervorbricht. Bei Claudianus erscheint sie als ein Symbol für Zeit, Ewigkeit und die Wiederkehr des Goldenen Zeitalters, in der Fülle, Frieden und Gerechtigkeit auf Erden herrschten: Est ignota procul, nostraeque impervia genti Vix adeunda Deis, annorum squalida mater, Immensi speluncum aevi, quae tempora vasto Suppeditat revocatque sinu: complectitur antrum, Omnia qui placido consumit numine, serpens, Perpetuumque viret squamis, caudamque reducto Ore vorat, tacito relegens exordia lapsu. Weit entfernt, unbekannt, unzugänglich unserem Geschlecht, Und fast auch den Göttern verboten, gibt es die dunkle Mutter der Jahre, Die Höhle der unermesslichen Zeit, die in ihrem ungeheuren Inneren die Zeitalter Hervorbringt und zurückruft. Eine Schlange umringt die Grotte, Die friedlichen Sinnes alles verschlingt Und sich mit ihren Schuppen ewig verjüngt, ihren Schwanz aber Rückwärts gewandten Hauptes verschlingt und lautlos gleitend zum Anfang zurückkehrt.3 [6] Sonnengott und Ouroboros: Darstellung im Grab des Tutanchamun [7] Das Sonnenkind im Ouroboros, Papyrus der Her-Uben Vincenzo Cartari hat dieses Gedicht im 16. Jahrhundert mit einem Stich illustriert, der die Höhle der unermesslichen Zeit darstellt: unten der Ouroboros, der sie umschließt, links und rechts der geöffneten Tür Apollo als Sonnengott und die mit Isis gleichgesetzte vielbrüstige Diana von Ephesus, in der geöffneten Tür der Nilgott, wie er vom Sonnengott die Weisung zum Einsatz der 61

5 Ouroboros [ 8 ]»Die Höhle der Zeit«, in: Vincenzo Cartari, Le imagini de i dei de gliantichi, Venedig, 1571 Nilüberschwemmung empfängt, und hinten im Inneren der Höhle auf einer Treppe Putten, die die Ellen des Nilhochstands verkörpern [abb. 8]. Aus dem 15. Jahrhundert stammt der Kommentar von Marsilio Ficino zu einer Stelle in Plotins Schriften, den sogenannten Enneaden (Plot. V, 8), wo dieser von der Methode der ägyptischen Weisen berichtet, ihre Weisheit nicht in normaler Schrift und Rede, sondern in Bildern zu kommunizieren, die ganze Diskurse in ein Bild zusammenfassen können. Dieses Verfahren illustriert Ficino am Beispiel des Ouroboros:»Ihr habt ein diskursives Wissen über die Zeit, das vielfältig und flexibel ist, indem ihr z. B. sagt, daß die Zeit vergeht und nach einem bestimmten Umlauf das Ende wieder an den Anfang knüpft [...]. Die Ägypter aber fassen einen ganzen Diskurs dieser Art in das einzige Bild einer geflügelten Schlange, die sich in den Schwanz beißt.«4 Ein anderer spätantiker Schriftsteller, der in der Renaissance zu hohen Ehren kam, ist der Ägypter Horapollon. Er schrieb zwei Bücher über Hieroglyphen, die im Jahre 1419 von dem italienischen Reisenden Cristoforo Buondelmonti in einem Kloster auf der Kykladeninsel Andros entdeckt und nach Florenz verbracht wurden.5 Das erste Buch (das zweite ist ein späterer, nichtauthentischer Zusatz) behandelt ungefähr siebzig Hieroglyphen, die nach heutigem Wissen großenteils richtig gelesen, aber falsch erklärt werden. Der Ouroboros kommt bei Horapollon gleich zu Anfang als zweites Zeichen vor:»wenn sie Welt (kosmos) schreiben wollen, malen sie eine Schlange, die ihren Schwanz frisst und die mit mannigfachen Schuppen markiert ist; durch diese Schuppen deuten sie die Sterne im Weltall an.«6 In einer Randzeichnung zu seinem Exemplar von Horapollons Hieroglyphica gibt Albrecht Dürer dem Ouroboros seine klassische Form [abb. 5, S. 86]. [ 9 ) Ouroboros als Symbol der All-Einheit, Manuskript St. Marcus [Codex Marcianus], 299 fol. 188 v, 10./11. Jh. Der Sonnenlauf hat im Denken der Ägypter die beiden Aspekte der»welt«, die vom Sonnengott umkreist wird: Das ist die Bedeutung, die Horapollon in den Vordergrund stellt, und die Bedeutung»Zeit«(im Sinne von»neheh«), die durch die Sonnenbewegung erzeugt wird. Auch diese Bedeutung wird in antiken Quellen als Bedeutung des Ouroboros angeführt.7 Eine besondere Bedeutung gewinnt das Symbol des Ouroboros im Kontext der Alchemie. Die Titelvignette einer alchemistischen Handschrift aus dem Mittelalter stellt eine Schlange dar, die sich in den Schwanz beißt und so einen Kreis bildet, der die griechischen Worte umschließt: ev tö näv (Eins ist das Ganze) [abb. 9]. Die monistische Devise der Alchemisten,»die Einheit ist das All und durch sie das All und in ihr das All und wenn sie nicht das All enthält, ist es Nichts«, wird hier mit einem ihrer zentralen Symbole kombiniert, dem Ouroboros. Der außerweltlichtranszendente Einheitsaspekt des Seienden wird somit meist in Form eines Drachens (mit Füßen) veranschaulicht und verräumlicht, der sich ringförmig um die Welt legt [abb. io]. Der Ouroboros auf Herders Grabplatte [abb. ii] steht noch in dieser Tradition, denn auch hier umschließt er mit Alpha und Omega eine Allformel, die dem hen kai pan in Abb. 9 entspricht. Herder war zwar kein Alchemist, aber ein llluminat, der sich in seinem Buch Gott. Einige Gespräche über Spinoza's System nebst Shaftesbury's Naturhymnus (1787) zu Spinozas Gottesbegriff der All-Einheit bekannte. Wie hängt das miteinander zusammen? Inwiefern lässt sich das Prinzip des Einen, das das All in sich enthält und von außen umschließt, nicht nur der Ewigkeit gleichsetzen, sondern diese Ewigkeit wiederum der Zeit und sogar dem Jahr? Die Idee, dass die Welt von dem sie konstituierenden und fortwährend erhaltenden Prinzip gleichsam enthalten und von außen umschlossen wird, finden wir in den hermetischen Schriften (Corpus Hermeticum) wieder, und zwar als Ewigkeit:»Denn in seiner ewigen Lebendigkeit bewegt sich der Kosmos, und in der seinerseits lebendigen Ewigkeit befindet sich der Kosmos, weswegen er niemals stillstehen wird und nicht zugrundegehen 62

6 wird, weil er von der Dauerhaftigkeit des Lebens wie von einem Wall umgeben [circumvallatus] und gleichsam eingebunden [constrictus] ist.«8 Circumvallatus und constrictus sind klare Anspielungen auf das Ouroboros-Symbol, dem hier die Bedeutung immerwährenden Lebens (sempiternitas vivendi) zugeordnet wird. Dieses»ewige Leben«umschließt schützend (nee corrumpetur) und in Gang haltend (agitatur, nec stabit aliquando) die Welt, die in dieser Kosmologie als ein belebtes Wesen aufgefasst wird:»wenn nämlich die Welt ein Lebewesen ist, das immer lebendig war, ist und sein wird, dann ist nichts in der Welt sterblich.«9 In der von ewigem Leben umschlossenen und erfüllten Welt hat - da Alles Eins ist - der Tod keinen Ort. Ewigkeit wird hier»kosmischem Leben«gleichgesetzt, das zugleich als Garant für die Unsterblichkeit alles Lebenden auf der existenzialen Ebene erscheint. Für die Einheit des Alls aber und die Unendlichkeit des kosmischen Lebens, aus der sich dieser Unsterblichkeitsgedanke herleitet, ist der Ouroboros ein Symbol, das daher, auf existenzialer Ebene, den Charakter eines Heilszeichens annimmt. n»u> ft riy «in» ^covrev:- I OCZ 7wy fofr. ju>r*ci * [ 10 ] Ouroboros als Drache: Zeichnung des Theodoros Pelecanos in der Abschrift eines alchemistischen Traktats von Da dieser Text als Rede der»unterweltsgötter«eingeführt wird, übersetzt Hornung die Infinitive (es steht pr.t»herauskommen«da) als Imperative. Im Folgenden ist aber vom Sonnengott in der 3. Person die Rede; so scheint den Göttern eher eine Beschreibung des Vorgangs, als eine Aufforderung in den Mund gelegt zu sein. Vgl. Erik Hornung (Hg.), Ägyptische Unterweltsbücher, Zürich und München 1972, S Ebd.; s. auch Andrzej Niwinski,»Untersuchungen zur ägyptischen religiösen Ikonographie der 21. Dynastie (2). Der Entwicklungsprozess der thebanischen ikonographischen Sonnenlaufmotive zwischen der 18. und der 21. Dynastie«, in: Göttinger Miszellen. Beiträge zur ägyptologischen Diskussion, 65,1983, S Claudianus, De Consulatu Stilichonis, Verse (Übersetzung J. A.). 4 Marsilio Ficino,»In Plotinum V, viii«, = P. 0. Kristeller, Supplementum Ficinianum. Marsilii Ficini Florentin! Philosoph! Platonici Opuscula inedita et dispersa, 2 Bde., Florenz [Nachdr. 1973], zit. nach: Liselotte Dieckmann, Hieroglyphics. The History of a Literary Symbol, St. Louis (MO) 1970, S Heinz-Josef Thissen (Hg.), Des Niloten Horapollon Hieroglyphenbuch, Bd. 1, Leipzig und München OH GOTTFR VON HERDER. GEB. XXV AUG MDCCXLIV. GEST. XVIII DEC. MDCCCIII. 6 Zit. nach: ebd., S. 2 f. 7 Vgl. die Quellen bei Jack Lindsay, The Origins of Alchemy in Graeco-Roman Egypt, London 1970, S :»Ewigkeit«(S ),»Zeit«(S ); s. auch Kurt Reichenberger,»Das Schlangensymbol als Sinnbild von Zeit und Ewigkeit«, in: Zeitschrift für Romanische Philologie, 81,1965, S »In ipsa enim aeternitatis vivacitate mundus agitatur et in ipsa vitali aeternitate locus est mundi, propter guod nec stabit aliguando nec corrumpetur sempiternitate vivendi circumvallatus et quasi constrictus«, Asclepius 30, Übersetzung Jens Holzhausen, Das Corpus Hermeticum deutsch, Teil 1, Die griechischen Traktate und > - [ n ] Grabplatte von Johann Gottfried von Herder in der Herderkirche in Weimar, seit 1819 der lateinische»asclepius«, im Auftr. der Heidelberger Akademie der Wissenschaften bearb. und hg. von Carsten Colpe und Jens Holzhausen, Stuttgart-Bad Canstatt 1997 (= Clavis Pansophiae, Bd. 7), S »Si enim animal mundus vivensque semper et fuit et est et erit, nihil in mundo mortale est«, Asclepius 29, ebd., S

Was bedeutet die Schlange in Ägypten?

Im Alten Ägypten, wie in vielen altorientalischen Kulturen, ist die Schlange ein Ausdruck höchster göttlicher und königlicher Kraft. So manifestiert sich Wadjet, die Landes- und Schutzgöttin Unterägyptens, als aufgerichtete Kobra mit drohend geblähtem Hals, aufgerissenem Rachen, zum Speien von Gift und Feuer bereit.

Wie heisst die Schlange die sich in den Schwanz beisst?

Jahrhundert vor Christus in Ägypten bezeugte, aber vermutlich sehr viel ältere Uroboros, wörtlich übersetzt bedeutet der Name "Schwanz im Maul", ist eine Schlange, die sich zum Ring geschlossen, selbst in den Schwanz beißt.

Was symbolisiert die Kobra auf dem Kopf des Pharaos?

Im Alten Ägypten gilt diese goldene, in Form einer sich aufreckenden, das Nackenschild spreizenden und Gift sprühenden Kobra dargestellte Stirnschlange Göttern wie Königen (Pharaonen) als apotropäisches Schutzsymbol, indem Uräus mit dem Gluthauch seines Feueratems die Feinde seines Trägers abwehrt.